Neues Terrorismusabwehrzentrum nimmt seine Arbeit auf

Der Bundesinnenminister hat das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum eröffnet: Damit werde die "schmerzvolle Lehre aus den Morden des NSU und den Anschlägen vom 11. 9. 2001 gezogen". Länder und Opposition kritisieren einen "PR-Gag".

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Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat am Donnerstag das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) in Nordrhein-Westfalen eröffnet. An seiner Seite standen der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, sowie der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen. Das GETZ orientiert sich am 2004 in Berlin eingerichteten Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) von Polizeien und Geheimdiensten zur Bekämpfung islamistischer Bestrebungen, das nach Angaben der Bundesregierung erfolgreich arbeitet. Schwerpunkt der neuen Einrichtung soll das Vorgehen gegen Ausländer- und Linksextremismus sowie Spionage bilden.

Mehr oder weniger enger Bestandteil des GETZ wird das vor einem knappen Jahr in Betrieb genommene Gemeinsame Abwehrzentrum Rechtsextremismus (GAR) sein. Das Innenressort spricht von einer thematischen "Erweiterung" des GAR. Die komplexe neue Institution soll es Fachexperten der beteiligten Behörden von Bund und Ländern generell erlauben, sich vor Ort in Arbeitsgruppen in Echtzeit auszutauschen.

"Eine effiziente und effektive Kommunikation zwischen den Sicherheitsbehörden ist für die Sicherheit unseres Landes von zentraler Bedeutung", erklärte Friedrich anlässlich der Einweihung. "Dies ist die schmerzvolle Lehre aus den Morden des NSU und den Anschlägen vom 11. September 2001." Der CSU-Politiker zeigte sich überzeugt, "dass wir mit dem GETZ einen weiteren wichtigen Schritt zu einer verbesserten Zusammenarbeit" von Polizeien und Geheimdiensten in Deutschland gehen. Beteiligt sind zunächst neben BKA und Verfassungsschutz, an deren Dienststellen in Meckenheim bei Bonn sowie in Köln das Zentrum angesiedelt werden soll, der Bundesnachrichtendienst (BND), die Bundespolizei, der Generalbundesanwalt, das Zollkriminalamt und der Militärische Abschirmdienst (MAD).

Während im GTAZ aber Spezialisten aus 40 Behörden von Bund und Ländern unmittelbar zusammenarbeiten, dürften es beim sehr kurzfristig angekündigten GETZ zunächst deutlich weniger sein. Bislang wollen nur zehn der 16 Bundesländer Experten ihrer Sicherheitsbehörden einbringen. Nicht dabei seien Baden-Württemberg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums dem Kölner Stadt-Anzeiger. Diese seien weiterhin eingeladen, noch mitzumachen.

Die Kritiker in den Ländern fühlen sich von Friedrich überrannt, da er seine Pläne mit ihnen nicht ausreichend besprochen habe. Die konzeptionelle Ausgestaltung und die Aufgabenverteilung müsse von allen Mitwirkenden gemeinsam erarbeitet und beschlossen werden, mahnte der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD). Sein Amts- und Parteikollege in Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger, tat Friedrichs im "Alleingang" erfolgten "Schnellschuss" als "PR-Gag" ab. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK), Lorenz Caffier (CDU), sprach von einem "Fehlstart". Dem Innenressort-Chef Mecklenburg-Vorpommerns zufolge war ein anderer Zeitverlauf vereinbart worden.

Die Opposition im Bundestag spart ebenfalls nicht an Kritik. Sie befürchtet etwa, dass der Überblick im Dschungel an Abwehrzentren und damit verknüpften Dateien verloren gehen könnte. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kommt es skurril vor, sich angesichts der Bedrohungen von Rechts gesondert mit dem Linksextremismus zu beschäftigen. Petra Pau von den Linken kündigte an, eine Verfassungsbeschwerde prüfen zu wollen. Es müsse geklärt werden, ob das Zentrum mit dem Trennungsgebot zwischen Polizei und Verfassungsschutz vereinbar sei und den Föderalismus ausreichend Rechnung trage.

Zu erwarten ist, dass auch das GETZ mit einer gesonderten gemeinsamen Datenbank verknüpft wird. Hinter dem GTAZ steht die 2007 eingerichtete Anti-Terror-Datei, die derzeit in Karlsruhe auf dem Prüfstand steht. Das GAR kann auf die Neonazi-Datei zurückgreifen, in der Sicherheitsbehörden seit September Informationen über gewaltbereite Rechtsextremisten sammeln. Auch gegen diesen Datenverbund gibt es verfassungsrechtliche Bedenken. (jk)