Medizintechnik: Vernetzung in kleinen Schritten

In Deutschland gibt es viele telemedizinische Projekte, die oft nur von regionaler Bedeutung sind, aber Vernetzungs-Fachwissen produzieren, von dem die "große" telematische Infrastruktur profitiert. Der Gesundheitskarte nutzt das allerdings bislang wenig.

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Von
  • Detlef Borchers

Ohne Beteiligung der Leistungserbringer (Ärzte und Zahnärzte) diskutierten Politik und Wirtschaft mit der Projektgesellschaft Gematik auf der Medica im Rahmen einer Bitkom/HiMSS-Veranstaltung, wie es bei der elektronischen Gesundheitskarte weitergeht. Während die Skepsis bei der Wirtschaft größer geworden ist, ob sich die künftige telematische Infrastruktur rechnet, freute sich Gematik über die Fertigstellung der 5000 Seiten starken Spezifikation dieser Infrastruktur. Rund um die Debatte wurden zahlreiche Vernetzungsprojekte vorgestellt, die künftig vom Deutschen Telemedizin-Portal gelistet werden.

In Deutschland gibt es eine Vielzahl von telemedizinischen Projekte, die oftmals nur von regionaler Bedeutung sind, aber Vernetzungs-Fachwissen produzieren, von dem die "große" telematische Infrastruktur profitieren kann. Auf der Medica wurde etwa das neurovaskuläre Netzwerk Ruhr vorgestellt, das bei Schlaganfällen genutzt wird, um die nächste verfügbare Stroke Unit zu finden. Beim bundesweiten Netzwerk Unfallchirugie sind wiederum 40 Kliniken beteiligt, die Teleradiologie und Telekonsultationen über einen zentralen Server abwickeln, auf dem die DICOM-Bilder gespeichert werden. Das Wissen um diese Projekte wird nun nach Plänen des Gesundheitsministeriums in einem Portal gespeichert, das wie das App-Verzeichnis der Bundesregierung vom Fraunhofer FOKUS entwickelt wurde.

Während Krankenkassen eifrig elektronische Gesundheitskarten (eGK) ausgeben, ist ihr praktischer Nutzen für den Bürger gleich null, weil die Kassen nicht die PIN ausliefern, die für den Einsatz der fortgeschrittenen Signatur auf der eGK benötigt wird. Auch für die Kassen ist der Nutzen gering, weil die telematische Infrastruktur fehlt: Wer umzieht, bekommt eine neue eGK, da keine Online-Aktualisierung des Datensatzes möglich ist.

In dieser Situation war die Podiumsdiskussion zur eGK "mehrwertlos". Arno Elmer, Geschäftsführer der Gematik, betonte, dass Mehrwertanwendungen wie der auf der eGK gespeicherte Notfalldatensatz evaluiert und parallel dazu eingeführt werden soll. Man werde nicht alle Tests und Gutachten abwarten, wenn Leben gerettet werden könnten, begründete Elmer die angestrebte Beschleunigung nach der Inbetriebnahme des Online-Netzes.

Axel Wehmeier von der Deutschen Telekom setzte den Kontrapunkt: Für die Industrie sei derzeit nicht ersichtlich, wie die Online-Vernetzung "betriebswirtschaftlich abgebildet werden kann" und forderte "eindeutige Anreize" für die Ärzte vom Staat. Gegenwärtig könnten sie telemedizinische Leistungen nicht abrechnen, was sich mit dem Versorgungsstrukturgesetz 2013 ändern soll. Dies lehnte Ulrike Flach, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium rundweg ab. Man plane keine weiteren Incentives wie bei der Anschaffung von eGK-Lesegeräten in den Praxen und Kliniken. "Wir können nicht jedesmal mit dem goldenen Löffel locken."

Spätestens da war klar, warum keine Ärztevertreter an der Diskussion teilnahmen. Wenn Ärzte und Zahnärzte bei der Online-Aktualisierung von eGK-Daten in der Praxis Leistungen für die Krankenkassen übernehmen, bleibt die Frage, wie dieser Service berechnet wird. Auch dürfte die Anlage eines Notfalldatensatzes auf der Karte kaum kostenlos zu haben sein. (jk)