Neue Runde im Kartellstreit zwischen Microsoft und der EU [Update]
Microsoft will noch rechtzeitig Stellung beziehen zu den Vorwürfen, man habe die Produktauflagen der EU-Kommission nicht richtig erfüllt. Derweil geht die Kommission Beschwerden zum kommenden Windows Vista nach.
Microsoft will noch rechtzeitig vor dem Ablaufen des Ultimatums der EU-Kommission in dieser Woche Stellung beziehen zu den Vorwürfen, man habe die Forderungen nach Herausgabe der Protokolle für die Kommunikation zwischen Clients und Windows-Servern nicht richtig erfüllt. Derweil will die Kommission Vorwürfen von Microsoft-Konkurrenten nachgehen, der Konzern werde auch mit seinem kommenden Betriebssystem Windows Vista gegen Wettbewerbsrecht verstoßen.
Die EU-Kommission hatte im März 2004 eine Geldstrafe über 497,2 Millionen Euro sowie Produktauflagen wie die Herausgabe von Informationen über Kommunikationsprotokolle verhängt; die Geldstrafe wurde sofort fällig, eine Aussetzung der Produktauflagen bis zur Entscheidung in der Klage von Microsoft gegen den Bescheid der EU-Kommission verweigerte der EU-Gerichtshof erster Instanz. Im Dezember vergangenen Jahres drohte die Kommission dann mit einer täglichen Geldstrafe über 2 Millionen Euro, wenn Microsoft den Forderungen zur Herausgabe der Kommunikationsprotokolle nicht nachkomme. Nachdem Microsoft zunächst eine Fristverlängerung bis zum 15. Februar erreichte, um den Auflagen zu entsprechen, kündigte der Softwarekonzern an, "freiwillig" Quellcode zu lizenzieren. Damit gehe man über die Anforderungen der EU-Kommission weit hinaus, betonte der Konzern. Diese Absichtserklärung stieß aber auf Kritik, nicht zuletzt bei der EU-Kommission selbst.
Bislang wirft die Kommission Microsoft vor, keine ausreichende technische Dokumentationen für die Konkurrenz bereitgestellt zu haben. Dem dürfte Microsoft in dieser Woche erneut entgegenhalten, man gebe nicht nur den Sourcecode frei, sondern habe Dokumentationen auf insgesamt 12.000 Seiten geliefert und werde kostenlosen Support für die Kommunikationsprotokolle liefern. Allerdings meinte der technische Bevollmächtigte Neil Barrett, den die EU-Kommission zur Überprüfung und Beratung bei der Einhaltung der verhängten Produktauflagen ernannt hat, die bislang vorgelegten Unterlagen für unbrauchbar und nutzlos. Die Dokumente enthielten zudem nichts Innovatives – nur für solch innovative Techniken könnte Microsoft dann im Rahmen bei der Protokollinformation im Rahmen des EU-Kartellverfahrens auch Lizenzgebühren von der Konkurrenz verlangen.
Mittlerweile bestätigte ein Specher von EU-Wettbewerskommissarin Neelie Kroes gegenüber US-Medien, dass mehrere Firmen, die mit Microsoft konkurrieren, ihre Sorge über Microsofts künftige Windows-Version Vista ausgedrückt hätten. Allerdings seien keine förmlichen Beschwerden über etwaige Wettbewerbsverletzungen durch Windows Vista eingereicht worden, die Kommission untersuche jedoch, ob an den Beschwerden etwas dran sei. Es gehe um das Bundling von Anwendungen mit Vista, erklärte der Kommissionssprecher, ohne nähere Details zu nennen.
In den USA sind ebenfalls bereits erste Wettbewerbsbedenken wegen Windows Vista laut geworden: Die Kontrollinstanz zu der Kartellrechtseinigung in den USA – das so genannte Technical Committee – geht in der aktuellen Ausgabe seines Statusreports auf Beschwerden zu Windows Vista ein. Eine Einschätzung, ob Microsoft in Vista möglicherweise gegen Auflagen der Kartellrechtseinigung verstößt, wollte das Überwachungskomitee bislang nicht abgeben, man werde die Entwicklung jedoch weiter verfolgen.
[Update]:
Mittlerweile erklärte Microsoft, man werde bis zum Ablaufen der Frist am morgigen Mittwoch nicht nur eine schriftliche Erklärung zu den Vorwürfen und den eigenen Offerten vorlegen. Darüber hinaus wolle man eine mündliche Anhörung verlangen, um gegen die Strafandrohung durch die EU-Kommission vorgehen zu können. Gegenüber US-Journalisten demonstrierte Microsoft zudem Entwicklungskits vor, die auch den Sourcecode von Windows Server enthalten. Microsoft bezeichnete sie laut dem Wall Street Journal als eine "Landkarte" für den Weg, auf dem Entwickler ihre Anwendungen für die Zusammenarbeit mit Windows fit machen könnten.
(jk)