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Was war. Was wird.

Draußen vor der Tür, da steht, ja, wer eigentlich? Kommt drauf an, an wen man glaubt, befürchtet Hal Faber, der sich auch schon mal mit zukunftsträchtigeren Sekten auseinandersetzen musste.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** function getMoney(IHasMoney you) { Money money = you.Money(); money = null; return money; }
Ja, was richtige Coder bei Song in Code so songwriteln, das hat auch ganz ohne Twitter eine simple Botschaft: es geht immer ums Geld, TIM. Und wenn man mit dem Zeug nicht mehr rechnen kann, geht es immerhin um eine Anlage der Geldvermehrung in der Hoffnung, dass irgendwo ein Museum dringend einen Apple 1 braucht, koste es, was es wolle. Oder den ersten Touchscreen-Rechner, die dicke Mutter aller Tablets. Alles muss raus, zur Knete werden, und das nicht nur bei uns. Selbst aus der Angst vor den Mäusen müssen Mäuse gemacht werden.

*** Ob dereinst mit guter Taxe ein komplettes Exemplar der Financial Times Deutschland auktioniert wird? Der letzte Druck auf Lachsrosa erfolgt am Nikolaustag, das Blatt macht dicht, weil 250 Millionen miese Mäuse in zwölf Jahren sich "nicht wirtschaftlich darstellen". So formuliert das Vorständlerin Julia Jäkel, ohne die Garotte zu erwähnen, mit der der Mehrheitsgesellschafter Bertelsmann zwölf Jahre würgte. Liest man die witzlose Twitter-Zusammenfassung, wird klar, warum. Hat darum die nahtoderfahrene "Tageszeitung" recht, wenn sie behauptet, Unsere LeserInnen entscheiden, wie lange die taz noch gedruckt wird, nur um im selben Atemzug ebenfalls eine dieser Pay-Wahls zu errrichten? Immerhin führte sie auf ihrer Titelseite die wichtigsten Argumente für gedruckte Zeitungen auf. "Das iPad lässt sich so schlecht in die nassen Fußballschuhe stopfen." "Weil wir sonst nicht wüssten, worin wir unser Geschirr beim Umzug einwickeln sollten." Dann ist da noch das Ausschneiden von Buchstaben fürs Erpresserbriefschreiben: Alles nützliche und gute Argumente für Zeitungspapier, doch kein einziges für den immer wieder beschworenen guten Journalismus.

*** Der ist bei der Zeit gerade auf den Hund gekommen. Das Vieh mit iPad und Zeitung im Maul erinnert an das obligate Freitagsbild vom alten Schockwellenreiter, das sicher schon eine Agility-Runde mit einem iPad im Maul absolviert hat. Wie heißt es noch im ehrwürdigen Blatt verquast: "Auch in Zukunft kann sich nicht jeder über alles selbst informieren, vermag nicht jeder alles einzusortieren, folglich wird es Menschen geben, deren Beruf es ist, dabei zu helfen, vermutlich werden diese Menschen Journalisten heißen. Solange es Worte gibt, wird es schreibenden Journalismus geben. Und so lange wird dieser Beruf einer der schönsten der Welt bleiben." Nett, nett, doch warum sollen die edlen Helfer das nur in einer Zeitung tun? Es gibt Blogs, es gibt ganz entzückende Nachrichtenticker, es gibt das ganze Internet, das voll mit guten, hilfreichen Texten ist.

*** Doch solange eine deutsche Bundeskanzlerin ohne Widerspruch behaupten darf Lesen können ist noch einmal etwas anderes, als im Internet zu sein, solange wird das Jammern weitergehen. Auch wer bei Facebook ist, muss vor allem lesen können. Zur gekünstelten Aufregung all der Kulturbedenkenträger gehört natürlich, dass die verbleibende deutsche Presse einen Notgroschen fordert, über den im Bundestag um 3 Uhr morgens diskutiert werden sollte. Bernd lachte hart. Die nächste Stufe des laufenden Irrsinns wird ein Gesetz sein, das alle Printerzeugnisse zur Einrichtung von Paywalls verpflichtet: "Wer Druckerzeugnisse komplett oder in Form einzeln aufsuchbarer Artikel ohne Bezahlschranke in das Internet stellt, verliert das Recht, den vergünstigten Mehrwertsteuersatz in Anspruch zu nehmen." Und auch das wird nicht funktionieren.

*** Die "Zeit" will mit der Zeit gehen und hat eine Text API veröffentlicht, illustriert mit einem eigenartigen Wordle, das die Bedeutung von Ute Blaich und Herman Göring für die deutsche Kultur herausstellt. Die kommerzielle Nutzung ist verboten und Volltext ist auch nicht drin, womit die nachträgliche Ferkelei in Hunderten von Vorläufer-Kolumnen zu dieser kleinen Wochenschau leider ausgeschlossen ist. Kleine Spielereien wie ein rechnergeneriertes Kreuzworträtsel mit aktuellen Überschriften aus der aktuellen Zeit sind nett, doch ob auf diese Weise herausgefunden werden kann, wie sich das China-Bild der Redaktion im Laufe der Zeit gewandelt hat? Viel Data, viel Interpretation und noch mehr Recherche.

*** Als das Wünschen noch geholfen hatte, gab es die bezaubernde Jeannie, die mit einem Klick ihrer Augen und einem kurzen Nicken herumzauberte, ganz nach den Wünschen ihres Meisters, einen NASA-Astronauten, den Larry Hagman spielte. Die TV-Serie um Jeannie wurde während des Vietnamkrieges ausgestrahlt, was Hagman dazu veranlasste, der Peace and Freedom Party beizutreten. Später spielte Hagman den Fiesling J.R. Ewing in der Öl-TV-Serie Dallas, als er schon überzeugter Anhänger der Solartechnologie war. Sein letzter deutscher Auftritt war im Berliner Wahlkampf, wo er für den SPD-Kandidaten Wowereit warb. Was schreibt eine angeblich so erhaltenswerte Zeitung zu seinem Tod? Ein dpa-Fünfzeiler muss doch reichen. Auch gestorben ist in dieser Woche einer der letzten Großen der Science-Fiction, Boris Strugatzki. Hier lohnt sich der Link auf das Internet-Projekt Russland Heute, das den Strugatzki-Übersetzer Simon zu Worte kommen lässt.

Was wird.

Die verschlüsselte Nachricht einer Brieftaube, die im zweiten Weltkrieg vom Weg abkam und ihren Bestimmungsort nicht mehr erreichte, sorgt für Kopfzerbrechen. Die Top-Kryptologen des britischen Geheimdienstes GCHQ schafften es bislang nicht, die Nachricht zu entschlüsseln. Wahrscheinlich wurde damals mit einem One-Time-Pad gearbeitet. Vorbei die glorreichen Zeiten, als das GCHQ sein Überwachungsequipment direkt in die britischen Skynet-Satelliten einbauen konnte und keine Mühe hatte, den komplette Nachrichtenverkehr zu überwachen. In dieser Woche ist Julian Assanges Gesprächs-Buch Freedom and the Future of the Internet erschienen, in dem er sich mit Andy Müller-Maguhn, Jacob Appelbaum und Jérémie Zimmermann unterhält. Das Destillat der geselligen Tischrunde ist ein düsteres Werk über die Allmacht des Staates und die Allgegenwärtigkeit seiner militärischen Geheimdienste, die jedwede Kommunikation belauschen. Dank der unermüdlichen Lauscharbeit des Militärs ist Assange zufolge das Internet selbst militarisiert worden. "Die Kommunikation als der innere Kern unseres Privatlebens wird über das Internet aufrecht erhalten. So findet unser Privatleben nun in der militarisierten Zone statt. Es ist, als ob ein Soldat unter dem Bett liegt."

In der Weltsicht von Assange spielt der "Schatten-CIA" Stratfor eine wichtige Rolle. Derzeit steht der Stratfor-Hacktivist Jeremy Hammond vor Gericht und erfährt die ganze Repressionkraft des Staates in der Lesart von Assange: Der Ehemann der Richterin ist ein Strafor-Anwalt. Auch der Prozess und der große Schaden, den Anonymous bei der Paypal-Aktion anrichtete, wird anders gesehen, als Bank-Blockade, die Wikileaks finanziell strangulierte.

*** Wo bleibt das Positive? Es ist die Technik der Verschlüsselung. "Wir haben etwas entdeckt. Unsere einzige Hoffnung gegen die totale Kontrolle. Eine Hoffnung, die uns den Mut, die Einsicht und die Solidarität gibt, die wir für den Widerstand brauchen. Eine wahrlich verrückte Eigenschaft des physikalischen Universums, in dem wir leben. Das Universum glaubt an die Verschlüsselung." Mit Hilfe der Verschlüsselung wollen Assange und seine Jünger "neue Welten und autonome Zonen" errichten, in denen die finsteren Mächte des allgegenwärtig kontrollierenden Staates ausgeschlossen sind. "Kryptographie ist die ultimative Form des direkten gewaltlosen Widerstandes", in dem Assange und die Seinen, unterstützt von Anonymous, zu neuen Aktionen aufrufen. Am kommenden Dienstag will Assange auf dem Convention Camp in Hannover seine "Vision einer freien Gesellschaft", gebaut auf unverletzbarer Kryptographie, verkünden. Und zu Weihnachten wird Preisträger Jacob Appelbaum die Keynote auf dem 29. Kongress des Chaos Computer Clubs halten: Von der staatlichen Düsternis und der herausragenden Rolle der Geeks auf dem Weg zum Licht kann in diesen dunklen Tagen nie genug erzählt werden. Die einen haben ihr Christen-, die anderen ihr Hackertum. Und draußen vor der Tür? (jk)