WM 2006: Deutschland im Gefahrenraum

Deutschland sei längst Teil eines weltweiten Gefahrenraums, in dem der Kampf gegen der Terror geführt werden müsse, meinte der BKA-Chef; neue Datenschutzvorschriften sollten den Aufbau einer "übergreifenden Terror-Täter-Datei" ermöglichen.

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Von
  • Detlef Borchers

Im sozialistischen Pracht-UFO des Kongress-Centers im "Haus der Lehrer" der untergegangenen DDR am Alexanderplatz, seit einigen Jahren Heimstatt der Jahreskongresse des CCC, tagt seit gestern auch der 9. Europäische Polizeikongress. Im Vorfeld der Fußball-WM beraten sich 1300 Spezialist von Polizei-, Militär- und Geheimdiensten aus über 60 Ländern zum Thema "Sicherheit bei Großereignissen". Höhepunkt des ersten Kongresstages war ein rhetorischer Sturmlauf von Jörg Ziercke, Chef des Bundeskriminalamts (BKA). Er forderte zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus ein GTAZ, ein "Gemeinsames Terrorismus Abwehr Zentrum", in dem das Bundeskriminalamt, der Bundesnachrichtendienst und der Verfassungsschutz unter einem Dach zusammenarbeiten und rege untereinander Daten austauschen.

In seinem Referat auf dem Polizeikongress betonte Ziercke, dass Deutschland längst Teil eines weltweiten Gefahrenraums sei, in dem der Kampf gegen der Terror aktiv geführt werden müsse. "Wir haben es mit Krisen zu tun, die sich der nationalen Sicherheitspolitik entziehen", erklärte Ziercke vor den Polizisten, Geheimdienstlern und Militärs. Derzeit gebe es in Deutschland 194 Ermittlungsverfahren mit terroristischem Hintergrund, von denen die Hälfte ohne Einbeziehung des Auslands nicht lösbar seien, Entsprechend wichtig sei die internationale Koordinierung. So unterhalte das BKA 62 Verbindungsbüros an 51 Standorten in 48 Staaten, die fortlaufend Erkenntnisse über den Terrorismus zusammentragen. Diese Erkenntnisse, die in der PIAS-Datei des BKA und der NIAS-Datei des Verfassungsschutzes gespeichert sind, sollen in dem GTAZ mit den Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes zusammengeführt werden können. Dafür forderte Ziercke eine "neue rechtliche Datenschutzvorschrift", die den Aufbau einer "übergreifenden Terror-Täter-Datei" ermöglicht.

Auch in der anhaltenden Debatte um die Rolle der Bundeswehr bei der kommenden Fußball-WM bezog Ziercke Stellung. Er halte eine Entlastung der Polizei durch die Bundeswehr im Objektschutz für denkbar. Wichtiger sei aber eine langfristige Zusammenarbeit zwischen Polizei und Bundeswehr in der Forschung. Zuvor hatte Ex-Bundesinnenminister Otto Schily als "Elder Statesman" auf dem Kongress erklärt, dass ein Einsatz der Bundeswehr abseits der 2000 zugesagten Hilfkräfte kaum möglich sei, da Soldaten die Polizeiausbildung fehle. Schily moderierte eine Diskussion zur inneren Sicherheit, bei der die Innenminister Israels, Polen und der Cheforganisator der Olympischen Spiele in Athen auftraten.

Während auf dem zweitägigen Kongress noch die Innenminister verschiedener Bundesländer auftreten werden, glänzte das Bundesinnenministerium mit Abwesenheit. Nach Informationen der Netzeitung hatte Minister Wolfgang Schäuble seine Zusage zum Kongress verweigert. Er traf stattdessen zusammen mit Justizministerin Brigitte Zypries die niederländischen Amtskollegen. Bei diesem Treffen wurde ein Memorandum of Understanding für die Fußball-WM unterzeichnet. Dabei geht es um einen gegenseitigen Online-Zugriff auf Fingerabdruck- und DNA-Daten sowie um den wechselseitigen Einsatz von Polizeikräften im jeweiligen Gastland. So sollen niederländische Einsatzkräfte in Deutschland zur WM hoheitliche Aufgaben übernehmen und zu Sicherung von Spielstätten und Verkehrswegen eingesetzt werden dürfen.

Zu Technik und Datenschutz bei der Fußball-WM 2006 siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)