Streit um Data Mining bei deutschen Polizeibehörden

Für die Bundesregierung sind die Datenverarbeitungsvorgänge bei Polizei, Zoll und anderen Ermittlungsbehörden kein Data Mining. Die Linke sieht durch den Ausbau polizeilicher IT-Fertigkeiten das "Horrorszenario eines Sicherheitsstaates" heraufziehen.

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Von
  • Detlef Borchers

Die Bundesregierung ist der Meinung, dass die Datenverarbeitungsvorgänge bei Polizei, Zoll und anderen Ermittlungsbehörden kein Data Mining darstellen. Auch werde die Rasterfahndung nur selten eingesetzt: In den vergangenen fünf Jahren habe das BKA diese Technik nur einmal benutzt. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung (PDF-Datei) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor. Die Linke wollte in Ergänzung zu einer früheren Anfrage wissen, wie die deutschen Ermittler Data Mining betreiben.

In ihrer Antwort weist die Bundesregierung zunächst darauf hin, dass es zum Data Mining durch keine gesetzlichen Bestimmungen gibt, weder auf deutscher noch auf europäischer Ebene. "In der Regel werden mit diesem Begriff in erster Linie durch die Privatwirtschaft eingesetzte Verfahren und Methoden bezeichnet, mit deren Hilfe bereits vorhandene große Datenbestände, zumeist auf statistisch-mathematischen Verfahren basierend, selbständig auf Zusammenhänge analysiert werden , um auf diesem Wege 'neues Wissen' zu generieren", heißt es in der Antwort. Diesem Verfahren stehe die ganz anders gelagerte Arbeitsweise der Ermittler gegenüber, die ausgehend von Hypothesen mit Hilfe von Software versuchten, die zeitliche und sachliche Abfolge des noch ungeordnet erscheinenden Geschehens darzustellen. "Es sind nicht Computer, welche Zusammenhänge zwischen Personen, Sachen und Orten analysieren, sondern die Sachbearbeiter werden durch Software bei dieser Tätigkeit unterstützt", definiert die Regierungsantwort. Dementsprechend würden die Sachbearbeiter bei Einsatz der Software Analyst's Notebook von IBMs Tochterfirma i2 auch keine "predikative Analyse" betreiben und Vorhersagen einholen, sondern nur Hypothesen testen.

Aus der Anfrage der Bundesregierung geht hervor, dass die Software Analyst's Notebook beim Verfassungsschutz seit 1994, beim Bundeskriminalamt (BKA) seit 2000 und bei der Bundespolizei seit 2002 benutzt wird. Daneben benutzen die Behörden die Software Infozoom von HumanIT zur Filterung von Tabellendaten sowie Hermes von Syborg zur Auswertung von Telekommunikationsüberwachungen. Auf grundsätzlicher Ebene wird die hauseigene Software IDA (integrierte Datenträgerauswertung), MySQL und Excel zur Datenverknüpfung und Hypothesenbildung eingesetzt.

Der Auskunft der Bundesregierung, die einige Antworten als VS Geheim einstuft und der Öffentlichkeit entzieht, ist außerdem zu entnehmen, dass die sogenannte "erweiterte Nutzung" der Rechtsextremismus-Datei noch nicht realisiert ist, weil hier die nötige Software noch programmiert werden muss. Zur erweiterten Datennutzung zählt die Verknüpfung von Personen, Institutionen oder Organisationen über mehrere Datenfelder hinweg. Dieses Verfahren ähnelt der Rasterfahndung, die vom BKA in den vergangenen fünf Jahren nach Auskunft der Regierung nur einmal eingesetzt wurde. Allerdings besitze die Regierung keine Übersicht zum Einsatz von Rasterfahndungen der Bundesländer, heißt es im Text.

In ihrer Stellungnahme zur Regierungsauskunft bemängeln die Linken-Abgeordneten Andrej Hunko und Ulla Jelpke, dass das Leitbild der Polizei vom "Freund und Helfer" durch "Big Brother" abgelöst werde. "Was da an IT-Fertigkeiten aufgebaut wird, deutet das Horrorszenario eines Sicherheitsstaates an, der den Anspruch erhebt, über alles jederzeit informiert zu sein, und immer neue Computerprogramme benötigt, um die Datenflut verwalten zu können", kommentiert Ulla Jelpke das ihrer Ansicht nach ständig zunehmende Data Mining der Polizei. Die Linksfraktion stört sich außerdem daran, von der Bundesregierung nur spärliche Auskünfte über die Arbeit von Europol erhalten zu haben. Hier bestünde ein erhebliches Informationsdefizit. (jk)