WCIT: Konferenz kurzzeitig auf der Kippe

Ein Vorstoß der Vereinigten Arabischen Emirate hat auf der Weltkonferenz der Internationalen Fernmeldeunion ITU für Verstimmung gesorgt. In den Kernfragen des diskutierten Regelrahmens bleiben die Lager gespalten.

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Von
  • Monika Ermert

Die heiße Phase der Weltkonferenz der Telekommunikation (WCIT) in Dubai hat noch gar nicht begonnen, da sorgten die Gastgeber am Donnerstag für einen Schockmoment: Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) überraschten viele Delegationen mit der Ankündigung eines eigenen, umfassenden Vorschlags für den künftigen Telekommunikationsvertrag (ITR). Die Verhandlungen über den neuen Regelungsrahmen seien bisher kaum vorangekommen, begründeten die VAE ihren Vorstoß. So sei bis zum Abschluss der Konferenz Ende nächster Woche kaum mit einer Einigung zu rechnen.

Die Vertreter der USA und einiger europäischer Länder hoben sofort die rote Flagge. Ein Neuvorschlag zu diesem Zeitpunkt widerspreche den Statuten, argumentierte US-Vizedelegationschef Dick Beaird. Portugals Delegationsleiter mahnte, die Delegierten würden kaum das Wochenende mit dem Ringen um Kompromisse in den vielen offenen Fragen verbringen, wenn am Montag plötzlich ein vollständig neuer Entwurf der ITR auf den Tisch gelegt werden solle.

Den Vorschlag der Gastgeber haben vorher nur wenige und offenbar vor allem arabische Delegationen gesehen. Er enthalte als konsolidierter Entwurf "keine Überraschungen", versicherte der russische Vertreter, der das Papier kennt und unterstützt. Die Unterstützung Russlands, das mit eigenen Initiativen für viel Wirbel gesorgt hatte, dürfte den Vorschlag bei Gegnern einer Erweiterung der ITR nicht unbedingt empfehlen.

Die Verhandlungsergebnisse sind bisher allerdings sehr bescheiden – das vermag auch der demonstrative Optimismus des ITU-Generalsekretärs Hamadoun Touré nicht zu kaschieren. Im Bereich dem neuen Cybersecurity-Kapitels ging es kaum voran. Bei der Abrechnung von Datenverkehren streiten sich die Befürworter von privatwirtschaftlichen Vertragslösungen mit den Ländern, die das regulierte Abrechnungssystem nach Minuten beibehalten und reformieren wollen. Auch offene Fragen beim Routing dürften nicht bis Montag zu klären sein.

Unterdessen sind die Fronten verhärtet. Die in einer kleinen Gruppe geführte Debatte über das russische Internet-Kapitel veranlasste Hubert Schöttner vom Bundeswirtschaftsministerium zu der Warnung, Delegationen auszuschließen. Beaird forderte, in der zweiten Woche nur noch im Plenum zu diskutieren. Doch dürfte das zentrale Problem des Anwendungsbereichs und der Grenzen der ITR dort zu endlosen Debatten führen.

Die um die USA gescharten Befürworter einer möglichst zurückgenommenen ITR haben sich bisher sehr hartleibig gezeigt. Der Vorstoß der Vereinigten Arabischen Emirate dürfte die Antwort darauf sein. ITU-Generalsekretär Touré bemühte sich am Freitag um Schadensbegrenzung und sprach von klaren Fortschritten. Ein konsolidierter Entwurf sei nichts ungewöhnliches, sagte er gegenüber heise online. Tatsächlich wäre ein Scheitern für die ITU ein großer Misserfolg.

Einen ersten Erfolg kann der ITU-Generalsekretär darin verbuchen, die Zivilgesellschaft endlich einmal auf seiner Seite zu haben. Eine Gruppe von Organisationen appellierte an Hacker, die sinnvolle Beteiligung an der WCIT nicht zu sabotieren. Hacker hatten laut ITU-Angaben am Mittwoch für kurze Zeit eine der ITU-Seiten lahm gelegt. Für morgen seien weitere Aktionen angekündigt, warnte Touré.

Ein Grund dafür, so wetterte der Generalsekretär heute in Dubai im WCIT-Plenum sei auch, dass die Konferenz sich nicht zu einem klaren Signal in Bezug auf eine Referenz zum Artikel 19 Meinungsfreiheit habe durchringen können. Touré unterstützte eine neue Initiative heute von Polen – noch ein Reizthema für die Konferenz.

Ein auch online verfügbarer Artikel in der aktuellen c't 26/2012 verdeutlicht Hintergründe und Interessenlagen zur World Conference on International Telecommunications:

Eine Themenseite versammelt die Berichte von heise online zur WCIT:

(vbr)