Große Koalition verhindert Aussprache zu Online-Durchsuchungen

Oppositionspolitiker beklagen die Brüskierung des Innenausschusses des Bundestags bei der Aufklärung bereits erfolgter Netzbespitzelungen. Die Grünen fordern eine Registrierung von Überwachungstechnik bei Kontrollbehörden.

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Oppositionspolitiker beklagen eine Brüskierung des Innenausschusses des Bundestags bei der Aufhellung bereits erfolgter Netzbespitzelungen von Festplatten privater PCs und virtueller Speicherplattformen. Die große Koalition sei dabei, "aus den Online-Durchsuchungen von Privatcomputern ein Mysterienspiel zu machen", erklärte die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, am heutigen Mittwoch. Zuvor hatten Union und SPD einen von den Liberalen beantragten Bericht zu den verdeckten Netzausforschungen von der Tagesordnung des Innenausschusses abgesetzt. "Statt den Vorgang aufzuklären, soll die Sache nun ins parlamentarische Kontrollgremium abgeschoben und damit der Kontrolle durch die Öffentlichkeit entzogen werden", moniert Piltz. "Dies widerspricht allen parlamentarischen Gepflogenheiten und verletzt die Rechte des Ausschusses und seiner Mitglieder."

In der vorausgegangenen Ausschusssitzung hatte das Bundeskanzleramt bekannt gegeben, dass die umstrittenen Bespitzelungsmaßnahmen auf Basis einer Dienstvorschrift von Ex-Innenminister Otto Schily (SPD) bereits durchgeführt würden. Zwischenzeitlich erklärte der frühere Innen- und jetzige Justizstaatssekretär Lutz Diwell, er habe die Anweisung unterzeichnet. Die gegenwärtig gestoppten Online-Durchsuchungen seien damit jedoch weder beabsichtigt noch bezweckt gewesen, beteuerte der SPD-Politiker. Der Sprecher der Grünen für innere Sicherheit, Wolfgang Wieland, will sich mit dem erneuten Manöver im Innenausschuss ebenso wie Piltz nicht zufrieden stellen lassen. "Vor allem hatten wir vorher schriftlich die Übergabe der entsprechenden Dienstvorschrift beantragt", ärgert er sich und fordert weitergehende Erklärungen der vielfach kritisierten Praxis. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte Anfang des Jahres entschieden, dass es bislang keine Rechtsgrundlage für heimliche Online-Durchsuchungen gibt.

In einem federführend von Wieland erarbeiteten Papier (PDF-Datei) der Grünen zur "Politik der inneren Sicherheit sechs Jahre nach dem 11. September" macht sich die Oppositionspartei zugleich für eine gesetzliche Festlegung stark, mit der technische Observationsmittel der Geheimdienste besser kontrollierbar würden. Vorgeschrieben werden soll, "dass jede neue Technik (Software und Hardware), welche die Sicherheitsdienste für Zwecke der Informationsgewinnung und elektronischen Überwachung nutzen wollen", zuvor beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und beim Bundesdatenschutzbeauftragten registriert werden muss. Beide Einrichtungen sollen den zuständigen parlamentarischen Kontrollgremien gemäß den Grünen hierüber regelmäßig eine technische und rechtliche Evaluation unterbreiten. Einzurichten sei ferner eine Enquetekommission, welche die technischen Möglichkeiten der elektronischen Überwachung insgesamt darstelle und ihre rechtliche Zulässigkeit prüfe. Online-Durchsuchungen selbst dürften "nicht ohne weiteres erlaubt sein".

Um den Bürgern eine Möglichkeit zu verschaffen, das Handeln auch der Sicherheitsbehörden nachzuvollziehen, wollen die Grünen die geltende Ausnahme vom Akteneinsichtsrecht im Informationsfreiheitsgesetz des Bundes streichen. "Die Geheimhaltungspraxis deutscher Sicherheitsbehörden behindert die Aufklärung in dem sensiblen Bereich der Terrorismusbekämpfung", heißt es dazu in dem Strategiepapier. Dies zeige insbesondere der Vergleich zu den USA. Dort habe die Zivilgesellschaft durch eine konsequente Nutzung des dortigen Freedom of Information Act etwa Licht in rechtsstaatlich fragwürdige Anti-Terrorismusprogramme der US-Administration gebracht. Der Sicherheit sei damit nicht geschadet worden. Ein Zwang der Exekutive und ihrer Sicherheitsbehörden, ihre Handlungen und Entscheidungen mit Ausnahme von Fällen eines richterlich festgestellten klaren Sicherheitsinteresse, trage auch zur Legitimierung einer effizienten Anti-Terrorstrategie bei.

Eine politische Niederlage mussten die Grünen derweil mit ihrem Versuch zur Ausweitung der Pressefreiheit hinnehmen. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf lehnte die Regierungskoalition heute im Rechtsausschuss ab. FDP und Linksfraktion enthielten sich. Mit dem Vorstoß wollten die Grünen vor allem eine Klarstellung erreichen, dass Medienangehörige nicht rechtswidrig handeln, wenn sie in Ausübung ihres Berufes zur Verletzung des Dienstgeheimnisses anstiften oder Beihilfe zum Geheimnisverrat leisten. Hausdurchsuchungen bei Journalisten sollten nur noch von einem Richter angeordnet werden können. Zugleich wollten die Grünen Journalisten bei Auskunftsbegehren nach Verbindungs- und Standortdaten aus dem Telekommunikationsbereich durch Sicherheitsbehörden genauso geschützt wissen wie andere so genannte Berufsgeheimnisträger, also etwa Ärzte, Anwälte oder Priester.

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (pmz)