CSU will Bundestrojaner auch gegen Kinderpornographie einsetzen

Geht es nach der CSU-Landesgruppe im Bundestag, sollen heimliche Online-Durchsuchungen auch bei Pädophilen durchgeführt werden dürfen. Zudem will die bayerische Partei dem Verfassungsschutz die Lizenz für Netzbespitzelungen erteilen.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Geht es nach der CSU, sollen heimliche Online-Durchsuchungen auch im Kampf gegen die Kinderpornographie sowie zur Verfolgung terroristischer Straftaten eingesetzt werden. Zudem will die bayerische Partei den Verfassungsschutzbehörden die Lizenz für die heftig umstrittene Ausforschung "informationstechnischer Systeme" erteilen. Entsprechende Forderungen erhoben führende Politiker der Christlich Sozialen Union auf der Klausurtagung der Landesgruppe ihrer Fraktion im Bundestag in Wildbad Kreuth. Weitere Kernpunkte des Beschlusses sind das Verbot der Sympathiewerbung für Terrororganisationen sowie der Ruf nach einer "Einlader- und Warndatei" gegen den Visa-Missbrauch.

Schon im Vorfeld der am heutigen Mittwoch beendeten Strategiesitzung war bekannt geworden, dass die CSU in einem Papier (PDF-Datei) zur inneren Sicherheit mit dem Titel "Keine rechtsfreien Räume für Terror und organisierte Kriminalität" die SPD zu einem raschen Einlenken im Streit um die von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) geplante Befugnis zu Online-Razzien für das Bundeskriminalamt (BKA) drängen würde. Nun hat der Koalitionspartner aber noch einmal draufgesattelt.

Das Warten der Sozialdemokraten auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur rechtlichen Grundlage für Netzbespitzelungen in Nordrhein-Westfalen sei völlig unverständlich, erklärte Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) bei der Winterklausur. Bei der Terrorbekämpfung spiele der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle. Als Begründung für die Notwendigkeit des so genannten Bundestrojaners verwies Beckstein auf die Wunschlisten der Sicherheitsbehörden: "Ich kenne keinen Fachmann aus den Landeskriminalämtern oder Landesverfassungsschutzämtern, der nicht die Online-Durchsuchung für notwendig hält." Natürlich müssten den Befugnissen der Überwacher aber "rechtsstaatliche Grenzen" gesetzt werden.

Im Zusammenhang mit der Netzbespitzelung warf Beckstein der SPD weiter eine Abkehr von früheren Positionen vor. Unter dem ehemaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sei die einzige große Anwendung einer verdeckten Online-Durchsuchung erfolgt. Am Wochenende hatte es dagegen geheißen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz im Frühjahr 2006 in der Amtszeit Schäubles die "erste und bislang einzige" geglückte Online-Razzia gegen einen Islamisten durchgeführt haben soll. Beckstein ergänzte von diesen Meldungen unbeeindruckt süffisant: "Man merkt, Schily ist weg, und die SPD wird zur alten Partei, die nichts von innerer Sicherheit mehr versteht." CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer setzte hinzu, dass sich die SPD unglaubwürdig mache. Einerseits mache sie sich für die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung stark, andererseits blockiere sie Online-Razzien. Das passt für Ramsauer nicht zusammen.

Die CSU schwenkt damit insgesamt auf Begehrlichkeiten ein, welche die bayerische Justizministerin Beate Merk aus ihrer Partei seit Längerem vorträgt. Für die Politikerin ist die verdeckte Ausforschung von Festplatten und anderen Speichersystemen sogar vor allem im Kampf gegen die Kinderpornographie wichtig. Andere Unionspolitiker wollen den Bundestrojaner zudem etwa gegen gewaltbereite Fußballfans in Anschlag bringen. Das Bundesinnenministerium versichert dagegen immer wieder, dass heimliche Online-Durchsuchungen zunächst allein durch das BKA und ausschließlich für die Terrorabwehr in ganz wenigen Fällen eingesetzt werden sollen. Diese Beschwichtigungslinie will die CSU aber von Anfang an nicht mitvertreten.

Das Geplänkel innerhalb der Union und der großen Koalition rund um den Einsatz des Bundestrojaners erinnert an die Debatte an die Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten in den USA. Die wird dort allerdings unter genau anderen Vorzeichen geführt. So diente dem ehemaligen US-Justizminister Alberto Gonzales in den vergangenen Jahren zunächst vor allem die Bekämpfung von Kinderpornographie als Aufhänger für entsprechende Pläne. Das FBI hielt eine zweijährige Vorratsdatenspeicherung im Sommer dagegen zur Abwehr terroristischer Anschläge für nötig. (Stefan Krempl) /

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

(pmz)