Menschenrechtsgerichtshof verurteilt Türkei wegen Online-Zensur

Die europäischen Richter haben entschieden, dass eine 2009 in der Türkei angeordnete pauschale Zugangssperre von Google Sites gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung verstößt. Der Kläger soll 7500 Euro Schadensersatz erhalten.

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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am Dienstag entschieden, dass eine 2009 in der Türkei angeordnete pauschale Zugangssperre von Google Sites gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung verstößt. Die sieben beteiligten Richter, darunter ein türkischer, gehen in dem Fall (Nr. 3111/10) laut einer Mitteilung (PDF-Datei) einstimmig von einer Verletzung von Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (PDF-Datei) aus. Er garantiert das Grundrecht, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe zu empfangen und weiterzugeben.

Einschränkungen sind zwar möglich, wenn es eine gesetzliche Grundlage dafür gibt und sie "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind", etwa für die nationale oder öffentliche Sicherheit, um Straftaten zu verhindern oder um den guten Ruf Dritter zu schützen. Es habe aber kein türkisches Gesetz gegeben, das die Blockade ganzer Internetplattformen wie Googles Homepage-Dienst erlaube und zugleich ausreichend Kontrolle und Rechtsbehelf vorsehe.

In dem Fall hatte der Strafgerichtshof der westtürkischen Provinzhauptstadt Denizli 2009 die Blockade einer bei Google Sites gehosteten Webseite angeordnet, auf der Staatsgründer Kemal Atatürk verunglimpft worden sein soll. Die damit beauftragte Türkische Telekommunikationsbehörde TIB beantragte wiederum erfolgreich beim dem Gericht, den gesamten Dienst zu sperren. Der Istanbuler Ahmet Yıldırım, der Google Sites für eigene Veröffentlichungen nutztte, wehrte sich dagegen, da der Rechtsverstoß mit seiner Webseite nichts zu tun habe und der eigentliche Täter gar nicht auszumachen gewesen sei.

Türkei soll dem Kläger 7500 Euro Schadensersatz sowie 1000 Euro für Verfahrenskosten zahlen. Der Beschluss ist aber noch nicht rechtsgültig, da beide Seiten noch die Große Beschwerdekammer des Straßburger Gerichts anrufen können.

Bürgerrechtsorganisationen begrüßten die Entscheidung. Die Türkei schleppe bereits eine lange Geschichte an Internetzensur mit sich herum, erklärte etwa die Electronic Frontier Foundation (EFF) in den USA. Sie reiche von der mehrjährigen Sperre von YouTube bis hin zu Arbeiten an einem "freiwilligen Filtersystem" der Netzwirtschaft. Die britische Vereinigung Article 19 appellierte an die Türkei, das Urteil voll umzusetzen und bei künftigen Blockaden das Recht auf Meinungsfreiheit zu berücksichtigen. Zuvor hatten sich etwa auch die EU und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) über die türkische Netzzensur besorgt gezeigt. (anw)