Affäre bei Siemens "Fass ohne Boden"

In der Schmiergeldaffäre bei Siemens sind weitere Vorwürfe lautgeworden. So halte die US-Börsenaufsicht Siemens für den "schlimmsten Schmiergeld-Fall" ihrer Geschichte, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung".

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  • dpa

In der Schmiergeldaffäre bei Siemens sind an diesem Wochenende neue Vorwürfe lautgeworden. Der Siemens-Aufsichtsrat befürchte weitere Enthüllungen, schreibt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS). "Die ganze Dimension des Skandals ist immer noch nicht abzusehen", sagte IG-Metall-Vize und Siemens-Kontrolleur Berthold Huber dem Blatt. "Ich habe den Eindruck, dass wir in ein Fass ohne Boden schauen." Einem Bericht des Nachrichtenmagazins Spiegel zufolge seien mittlerweile weit höhere Summen als die bisher angegebenen 420 Millionen Euro korruptionsverdächtig. Insidern zufolge seien problematische Zahlungen von bis zu einer Milliarde Euro auf dem Prüfstand.

Die FAS schreibt weiter, die US-amerikanische Börsenaufsicht (SEC) halte Siemens für den "schlimmsten Schmiergeld-Fall" ihrer Geschichte. So eindeutig hätten sich SEC-Vertreter gegenüber Siemens-Aufsichtsräten geäußert, berichtet das Blatt. Der neu berufene Aufsichtsratschef Gerhard Cromme werde in dieser Woche in London um das Vertrauen der Investoren für den skandalgeschüttelten Konzern werben und zwei Tage Investoren Rede und Antwort stehen. Begleitet werde er von Finanzvorstand Joe Kaeser, der noch amtierende Vorstandschef Klaus Kleinfeld werde nicht dabei sein.

Laut Spiegel muss sich unterdessen auch Cromme zur Wehr setzen. In einem Bericht vom Dezember 2006 an den Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates wird laut Spiegel der Eindruck erweckt, das Gremium sei seit Jahren über das Schmiergeldsystem in der Kommunikationssparte informiert gewesen. Cromme, der das Gremium leitet, wies dies im Spiegel zurück. "Selbst ein bösgläubiger Mensch hätte hinter der Art der Darstellung nicht den Skandal vermuten können, vor dem Siemens heute steht", sagte er. Ein Arbeitnehmervertreter in dem Ausschuss erklärte, das Gremium sei offenbar bewusst hinters Licht geführt worden.

In dem 40-seitigen Bericht heißt es laut Spiegel, in der Sitzung des Prüfungsausschusses vom 26. Juli 2006 sei ausführlich über die dubiosen Zahlungen bei der Siemens-Sparte berichtet worden. Ausdrücklich sei darauf hingewiesen worden, dass es sich auf Grund "der Verzahnung der Verfahren in Liechtenstein und in der Schweiz" um ein "System" handele. Der Bericht stamme von dem Juristen Albrecht Schäfer, lange Zeit Chefjurist des Konzerns, schreibt das Hamburger Magazin. Der Konzern wolle sich mittlerweile von Schäfer trennen.

Einem Bericht des Nachrichtenmagazins Focus zufolge gibt es ferner neue Dokumente über Zahlungsforderungen an den Ex-Bereichsvorstand der Telekommunikationssparte und heutigen Telekom-Vorstand Lothar Pauly. Ein Ex-Mitarbeiter Paulys, der für die Verteilung von Millionenbeträgen an ausländische Geschäftsanbahner zuständig war, gab laut Focus bei der Münchner Staatsanwaltschaft an, Pauly habe ihm direkte Zahlungsanweisungen erteilt. Diese Aussage stützen laut Bericht interne E-Mails, in denen ein Hongkonger Vermittler Millionenzahlungen in Zusammenhang mit Siemens-Geschäften mit dem chinesischen Mobilfunkanbieter Unicom bei Pauly einfordert. Paulys Anwalt habe die Zahlungen hingegen als völlig legale Provision bezeichnet. (dpa) / (anw)