Elf Ziffern sollt ihr sein: Technische und rechtliche Probleme mit der Steuer-ID

Der Dienstleister des zuständigen neuen Bundeszentralamts für Steuern, das Zentrum für Informationsverarbeitung und Informationstechnik (ZIVIT), kann den Datenabgleich von 82 Millionen Personendaten offenbar nicht termingerecht durchführen.

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Von
  • Detlef Borchers

Nach der einheitlichen, lebenslang gültigen neuen Krankenversicherungsnummer wird mit dem "Bundeseinheitlichen Identifikationsmerkmal für Besteuerungsverfahren von Personen und Wirtschaftsunternehmen" ein weiterer großer Datenpool aufgebaut. Nun ist bekannt geworden, dass sich die Ausgabe dieser elfstelligen Steuernummern verzögert. Die Verzögerung produziert eine Reihe von Problemen. Betroffen sind vor allem Rentenempfänger. Außerdem stehen die deutschen Meldebehörden vor großen Problemen.

Der Dienstleister des zuständigen neuen Bundeszentralamts für Steuern, das Zentrum für Informationsverarbeitung und Informationstechnik (ZIVIT), kann den Datenabgleich von 82 Millionen Personendaten offenbar nicht termingerecht durchführen. Als Schuldigen hat man sich die 5.300 deutschen Meldeämter ausgeguckt, die ihre Meldedaten auf CD-ROM eingeschickt haben. Diese Daten decken sich häufig aber nicht mit den Daten, die die Finanzbehörden gespeichert haben. Aus diesem Grunde soll die IDNr. für Personen und die W-IDNr. für juristische Personen, Wirtschaftsunternehmen, Einzelkaufleute und Freiberufler nicht ab November 2007, sondern erst im Frühjahr 2008 ausgegeben werden.

Rentenempfänger gehören zu den unmittelbar betroffenen Personen. Denn der Großteil der Rentner ist bereits von den Rentenversicherungsträgern angeschrieben und zur Abgabe der Steuer-ID ermahnt worden. Einige dieser Schreiben sollen in einem Ton abgefasst sein, der den Eindruck vermittelt, dass die Rente nicht gezahlt werde, wenn die Steuernummer fehlt. Aber auch die Finanzämter haben ein Problem, weil die Vordrucke für den Lohn- und Einkommenssteuerausgleich bereits ein Eingabefeld für die Nummer haben. Besser dran sind alle, die mit der elektronischen Steuererklärung ELSTER arbeiten. Elster soll mit der herkömmlichen wie mit der neuen Nummer arbeiten können, die nach den TIN-Vorgaben (Taxpayer Identifikation Number) der OECD gebildet ist. Für alle Betroffenen soll ein neu gestartetes Informationsportal namens www.identifikationsmerkmal.de aktuelle Informationen bereithalten. Derzeit wird unter dieser Adresse noch auf Informationsangebote des Finanzministeriums umgeschaltet.

Hinter der elfstelligen neuen Steuernummer für alle Bürger und Unternehmen steht der Aufbau eines sehr großen Datenpools. Neben der IDNr. wird in der Datenbank der Familienname, Geburtsname/frühere Namen, Vornamen, Doktorgrad, Künstler- oder Ordensname, Geburtstag/Geburtsort, Geschlecht, gegenwärtige/letzte bekannte Anschrift, zuständige Finanzbehörden und der Sterbetag gespeichert. Bei der W-IDNr. wird die Umsatzsteuer-ID, der Firmenname, frühere Firmennamen, die Rechtsform, die Wirtschaftszweignummer, der amtliche Gemeindeschlüssel, die Anschrift des Unternehmens, der Handelsregistereintrag, die zuständigen Finanzbehörden und das Datum der Betriebsseinstellung gespeichert. Alle Daten werden bis zu 20 Jahre nach dem Tod einer Person oder der Auflösung einer Firma gespeichert. Als die damalige rot-grüne Bundesregierung im Jahre 2003 die Abgabenordnung änderte und damit die Steuernummer einführte, wurden frühzeitig Bedenken geäußert. Bereits 2004 wurde ein Gutachten (PDF-Datei) veröffentlicht, das die Bildung der steuerlichen Identifikationsmerkmale als bedenklichen Verstoß gegen die Verfassung wertete.

In einem Beitrag für die Mitteilungen der Humanistischen Union macht der Unternehmensberater Roland Appel, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der Grünen im NRW-Landtag, auf die Probleme aufmerksam, die mit dem komplizierten Datenabgleich zwischen den Melde- und Finanzbehörden entstehen. In Schleichend erfasst – von der Wiege bis zur Bahre schreibt Appel: "Es ist bereits absehbar, dass die Verwendung der individuell vergebenen Steuernummern nicht auf den Zweck der Steueridentifikation beschränkt bleibt. Allein durch die Vergabe über die Kommunen und den Abgleich mit den Melderegisterdaten werden sie zwangsläufig den Kommunen bekannt. Es ist davon auszugehen, dass derselbe Sachbearbeiter, der die Einwohnermeldedaten erhebt und verarbeitet, auch Dubletten, Fehlern oder Zweifelsfällen nachgehen wird. Spätestens dabei wird ihm die Steuernummer bekannt werden, was de facto bedeutet, dass diese zwangsläufig auch für andere Zwecke des Meldewesens oder des Ausländerrechts und aufgrund einer anderen gesetzlichen Vorschrift genutzt werden."

Diese Verwischung der Grenzen zwischen Melde- und Finanzdaten wird Appel zufolge zumindest beim Dienstleister ZIVIT als gutes Geschäft gesehen. Nach Aussage eines ZIVIT-Mitarbeiters könne der so entstehende Datenpool nach Änderung gesetzlicher Grundlagen auch anderweitig genutzt werden, etwa von den Meldebehörden. Dies sei vor allem dann denkbar, wenn mit der anstehenden Revision des Melderechts die melderegistergestützte amtliche Statistik komme und die Nutzung der Meldedaten für öffentliche Stellen und Private erleichtert werden soll. Sollte dieser Zustand einmal erreicht sein, so wäre laut Appel ein weiterer Schritt hin zu einem Personenkennzeichen denkbar: "Warum, so könnte in ein paar Jahren gefragt werden, leistet sich der Staat zwei zentrale Personenregister, eines für Steuerzwecke und eines für Meldezwecke und legt sie nicht zusammen? Den Datenaustausch- und Überwachungsszenarien scheinen kaum Grenzen gesetzt. Schleichend, aber um so erfolgreicher haben SPD und CDU die Schaffung eines zentralen Überwachungsinstrumentariums mit einheitlichem Personenkennzeichen betrieben." Aus diesem Grunde plädiert Appel für eine gerichtliche Überprüfung, ob mit der schlichten Änderung der Abgabeordnung für die Steuernummer das eigentlich verfassungswidrige Personenkennzeichen per Verordnung eingeführt werden dürfe. (Detlef Borchers) / (pmz)