"Es tut sich wirklich gar nichts"
Susanne Jordan vom Verein "Nager IT" ĂĽber die Schwierigkeiten, ethisch saubere Computerhardware zu produzieren.
Susanne Jordan vom Verein "Nager IT" ĂĽber die Schwierigkeiten, ethisch saubere Computerhardware zu produzieren.
Jordan, 35, will mit ihrer Organisation eine Computermaus möglichst "fair" herstellen, also unter guten Arbeitsbedingungen und möglichst geringer Umweltbelastung. Die erste Version ist nach Angaben des Vereins "noch nicht komplett fair, aber die fairste Maus, die es derzeit gibt". Sie ist für 26,90 Euro unter online zu bestellen.
Technology Review: Wie sind Sie als Geografin auf die Idee gekommen, eine "faire Maus" zu produzieren?
Susanne Jordan: Ich habe bei der Nachhaltigkeits-Ratingagentur Oekom Research gearbeitet, da haben wir bewertet, wie sozial und ökologisch Großunternehmen arbeiten. Ich war im Team, das Computerfirmen bewertet hat. Dadurch habe ich mich sehr viel damit beschäftigt, wie die Arbeitsbedingungen dort sind und was die Firmen tun beziehungsweise nicht tun, um die Situation zu verbessern.
TR: Und dann meinten Sie, es der Branche mal zeigen zu mĂĽssen, wie es geht?
Jordan: Ja, denn es tut sich wirklich gar nichts. Die groĂźen Firmen sagen nie von sich aus: Okay, wir verbessern jetzt etwas.
TR: Auf welche Probleme stieĂźen Sie bei der Herstellung Ihrer fairen Maus?
Jordan: Es ist schwierig, Komponenten zu finden, von denen man weiß, dass sie unter Bedingungen hergestellt werden, die ich als fair bezeichnen würde. Das größte Problem sind aber nach wie vor die Rohstoffe, weil die Lieferkette so wahnsinnig lang ist. Es gibt zwar viel recyceltes Kupfer, Zinn und so weiter, aber man weiß halt nicht, in welchen Bauteilen das steckt. Aber für große Unternehmen wäre das, glaube ich, kein Problem. Wenn die wollten, können die alles rauskriegen.
TR: Wie haben Sie die Arbeitsbedingungen bei den Herstellern ĂĽberprĂĽft?
Jordan: Als kleines Projekt kann man so etwas gar nicht überprüfen. Auch weil es keine entsprechenden Zertifikate für faire Elektronik gibt, weil es eben keine faire Elektronik gibt. Und wenn man selbst zwanzig Komponenten überprüfen will, muss man die ganze Zeit um die Welt fliegen oder jemanden extra dafür anstellen. Deswegen beziehen wir Bauteile nur aus Ländern mit allgemein guten Sozialstandards, wie Deutschland oder Japan.
TR: Wie reagieren denn asiatische Zulieferer, wenn Sie sich fĂĽr deren Arbeitsbedingungen interessieren?
Jordan: (lacht) Ich habe Hersteller auf einer Messe mal angesprochen und bin auf völliges Unverständnis gestoßen, weil die überhaupt nicht verstanden haben, was ich von ihnen will. Sie haben immer nur gesagt: "Ja, ja, die Qualität ist gut." Das ist für die auch ungewohnt. Bei den Einkäufern hier geht es halt meistens um Qualität, Preis und Lieferzeit.
TR: Angenommen, Sie wären ein großer Elektronikhersteller und würden Ihre Marktmacht einsetzen, um Produkte möglichst fair zu produzieren – wieviel teurer würden sie dann werden?
Jordan: Ich glaube, sie würden sich kaum verteuern. Die Großen bräuchten sich ja gar keinen fairen Zulieferer suchen, sondern sie müssten ihren bestehenden Partnern einfach ein bisschen mehr Zeit und Geld geben und ihnen sagen: Uns ist es wichtig, dass Arbeitszeiten, Schutzmaßnahmen und so weiter eingehalten werden.
TR: Aber das würde den Preis ja doch in die Höhe treiben.
Jordan: Ja, aber um wie viel? Ich schätze, bei einem Smartphone ungefähr einen Euro. Die großen Firmen haben ja eine Riesengewinnmarge bei manchen Produkten, und die Zulieferer eine ganz geringe. Und dann werden die Zulieferer dafür kritisiert, dass sie so schlechte Arbeitsbedingungen haben, und die Hersteller sagen: Wir können nichts dafür, was unsere Zulieferer machen. Das müsste man ändern. Wenn der Hersteller einfach einen kleinen Teil seiner Marge an die Zulieferer abgeben würde, hätten die auch mehr Spielraum, ihre Arbeiter ordentlich zu behandeln.
TR: Haben Sie denn schon Reaktionen von groĂźen Herstellern bekommen?
Jordan: Ich hatte im Vorfeld mal ein paar von ihnen gefragt, ob wir nicht was zusammen machen wollen. Die Antwort war immer: "Ja, ja, tolle Idee. Das unterstützen wir gerne." Aber das war's dann. Ich hatte eine Reaktion von unserem Kabellieferanten, die mich sehr gefreut hat. Der hat mich gefragt, ob ich ihm helfen kann, ein weiteres faires Produkt zu bauen. Mit dem treffe ich mich demnächst mal.
TR: Wie verkauft sich Ihre Maus bisher?
Jordan: Gut, fast zu gut, um noch mit der Lieferung hinterher zu kommen. Wir haben schon mehr als tausend StĂĽck verkauft. Es gab auch sehr nette Reaktionen, die wirklich ermutigend waren.
TR: Es gibt also durchaus einen Markt fĂĽr faire Elektronik.
Jordan: Tausend Mäuse sind für einen großen Hersteller noch nicht sehr attraktiv. Aber ich denke, das wäre auf jeden Fall auch ein Markt für die Großen, selbst wenn es nur ein Nischenprodukt im Sortiment ist.
TR: Was kann denn der Verbraucher tun, wenn er darauf Wert legt, möglichst fair hergestellte Produkte zu kaufen?
Jordan: Nachfragen ist immer wichtig, damit Firmen und die Verkäufer merken, dass es da einen Markt gibt.
TR: Das kommt mir etwas naiv vor. Ich soll also eine Mail an Samsung schicken und fragen: "Ladies and Gentlemen, ich wĂĽrde mir gerne ein Galaxy kaufen, aber wird das auch fair hergestellt?"
Jordan: Klar, ich komme mir auch immer blöd vor, so was zu fragen. Aber wenn die Masse es macht, würde es auch etwas bringen. Was jeder einzelne außerdem tun kann: Nicht automatisch alle zwei Jahre ein neues Handy kaufen, auch wenn das vom Provider angeboten wird.
TR: Bräuchte man nicht ein Zertifizierungssystem mit entsprechenden Labels, damit die Kunden überhaupt wissen können, was sie kaufen?
Jordan: Ja, wahrscheinlich. Es gibt aber noch keine.
TR: Was sind Ihre nächsten Pläne? Wollen Sie eine ganze faire Produktpalette aufbauen?
Jordan: Das ist unrealistisch. Ich versuche erst mal, die Maus noch fairer zu machen. Vielleicht springen andere da auf und entwickeln weitere faire Produkte. Ich bin da offen. (grh)