Verfassungsbeschwerden gegen österreichisches Sicherheitspolizeigesetz geplant

Laut SPG müssen Mobilfunker auf Polizeibefehl Standortdaten und IMSI eines Handys nennen und Provider Name und Anschrift zu IP-Adressen. Eine richterliche Kontrolle gibt es nicht mehr, ebensowenig eine Information der Betroffenen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Anfechtungen der umstrittenen Bestimmungen des österreichischen Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) wegen behaupteter Verfassungswidrigkeit planen unabhängig von einander die Grünen sowie T-Mobile Austria. Der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz möchte beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) eine große Menge von Individualbeschwerden einzelner Bürger, die einem von den Grünen finanzierten Anwalt dazu eine Vollmacht einräumen, einbringen. Die neuen Teile des §53 SPG verstoßen nach Ansicht der Grünen gegen das in Artikel 10a Staatsgrundgesetz 1867 (StGG) verankerte Fernmeldegeheimnis und sind damit verfassungswidrig.

Das neu gefasste SPG verpflichtet Mobilfunker, auf Polizeibefehl Standortdaten und die internationale Mobilfunkteilnehmerkennung (IMSI) eines Handys preiszugeben. Gleichermaßen müssen Provider Name und Anschrift von Nutzern bestimmter IP-Adressen herausgeben. Eine richterliche Kontrolle der Wünsche der Polizei gibt es nicht mehr, auch eine Information der Betroffenen ist nicht vorgesehen. Artikel 10a StGG gestatte Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis jedoch nur mit richterlicher Genehmigung.

Individualbeschwerden von Bürgern wegen behaupteter Verfassungswidrigkeit von Normen sind in Österreich jedoch nur dann zulässig, wenn die Person durch die Verfassungswidrigkeit unmittelbar in ihren Rechten verletzt ist und sofern die Norm "ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist" (Artikel 140 Absatz 1 B-VG). Diese Voraussetzungen werden vom VfGH streng geprüft, erfolgreiche Individualbeschwerden sind daher selten. Nach Ansicht der Grünen ist die Aktivlegitimation für Individualbeschwerden im Fall des SPG jedoch gegeben, da die Überwachung ohne richterliche Kontrolle das Vertrauen der Bürger in den Schutz des Fernmeldegeheimnisses erschüttere.

T-Mobile Austria überlegt ebenfalls, das SPG vom VfGH prüfen zu lassen. Eine der offenen Fragen dabei ist, ob die von der Überwachung Betroffenen die Telekommunikationsanbieter oder deren Kunden sind. Jedenfalls direkt betroffen sind die Telecom-Unternehmen jedoch von den Bestimmungen zum Kostenersatz. Auskünfte über Name und Anschrift von Nutzern bestimmter IP-Adressen müssen sie nach dem SPG sogar kostenlos erteilen.

Pilz und T-Mobile berichten übereinstimmend von einem starken Anstieg der polizeilichen Anfragen bei den Netzbetreibern seit dem Inkrafttreten der SPG-Novelle zum Jahreswechsel. Dem Politiker zufolge sei der stärkste Anstieg bei der Beauskunftung zu IP-Adressen zu verzeichnen, gefolgt von Handy-Ortungen. "Die Gerichte haben früher rund 40 Prozent aller Anfragen abgelehnt, weil sie illegal waren. Die Provider haben von den genehmigten Anfragen weitere zwölf Prozent abgelehnt", so Pilz, "In Summe wurde also mehr als die Hälfte abgelehnt. Wenn die richterliche Kontrolle weg ist, ist (nach Angaben von betroffenen Unternehmen) davon auszugehen, dass zwei Drittel (der Anfragen) illegal oder rechtlich problematisch sind."

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(Daniel AJ Sokolov)

Daniel AJ Sokolov ist freier Journalist und berichtet für heise online über alle Themen aus Telekommunikation, IT und dem gesellschaftlichen Umfeld in Österreich. Sokolov ist parallel dazu auch Mitglied der österreichischen Grünen und Vorsitzender der Bezirksvertretung Wien-Josefstadt. (jk)