Formatkrieg beim Videochat

Microsoft und Google bekämpfen sich an einer neuen Front: Der visuellen Kommunikation von Browser zu Browser.

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Microsoft und Google bekämpfen sich an einer neuen Front: Der visuellen Kommunikation von Browser zu Browser.

Wenn es nach den Browser-Herstellern Google und Mozilla geht, kann man bald ganz einfach mit anderen Internet-Nutzern Videokonferenzen durchführen. Statt umständlich die Installation einer speziellen Software zu verlangen, soll die multimediale Technik künftig direkt in den populären Internet-Surfbrettern Chrome und Firefox stecken. Erste Tests laufen bereits.

Möglich macht den Durchbruch ein neuer Standard namens "Web Real-Time Communication", kurz WebRTC, den Entwickler der beiden Firmen gemeinsam perfektioniert haben. Einzig eine Kamera wird noch benötigt, die entweder extern angeschlossen oder direkt im PC oder Laptop eingebaut sein kann. Dann müssen die Gesprächspartner nur noch auf die Website eines Dienstleisters gehen, schon kann die – meistens kostenlose – Kommunikation beginnen.

Der Browser erkennt bei WebRTC die am Rechner hängende Kamera.

(Bild: Google / Mozilla)

Bislang wird es bei Videochats dagegen noch vergleichsweise kompliziert: Entweder man braucht ein spezielles Programm wie Yahoo Messenger, Messages oder Skype, das stets beide Nutzer einsetzen müssen, oder man setzt eine Browser-Erweiterung (Plug-in) wie die Multimediatechnik Flash ein. Letztere gilt allerdings mehr und mehr als verpönt, weil sie ressourcenhungrig ist und Sicherheitslücken in das System reißen kann, wenn man die Software nicht regelmäßig auf dem neuesten Stand hält. Ein Direkteinbau der Videochat-Technik im Browser wäre daher ideal.

Die an sich gute Idee WebRTC hat allerdings einen Haken: Der dritte große Browser-Hersteller auf dem Markt, Microsoft mit seinem einst absolut marktführenden Internet Explorer, brät derzeit noch eine Extrawurst. Statt WebRTC will der Softwareriese lieber die hauseigene Browser-Videotechnik namens "Customizable, Ubiquitous Real Time Communication" (CURTC) etablieren, obwohl sie erst nach WebRTC kam. Die habe den Vorteil, dass man sie nicht nur auf dem PC, sondern auch mit Internet-Telefonen und Smartphones nutzen könne, heißt es aus dem Hauptquartier der Firma in Redmond.

Das Microsoft-Videochat-Konzept.

(Bild: Microsoft)

Streit gibt es auch um das Übertragungsformat (Codec) für das Videosignal. Während Google und Mozilla den offenen und lizenzfreien Kompressionsstandard VP8 nutzen wollen, den Google der Netzgemeinde im Mai 2010 überantwortet hatte, würde Microsoft gerne beliebige Codecs einsetzen können – beispielsweise den populären aber lizenzpflichtigen H264-Standard, den auch Apple unterstützt. Resultat wäre, dass WebRTC und CURTC nicht nur aufgrund unterschiedlicher Standards inkompatibel wären, sondern auch wegen der untereinander nicht verstandenen Videoformate. Eine Annäherung wäre so nur schwer möglich.

Nun haben erst einmal die Internet-Standardisierungsgremien das Wort. Die Web-Organisation W3C scheint momentan eher zu WebRTC zu neigen. Google und Mozilla machen für sich geltend, dass sie fast 60 Prozent Browser-Marktanteil weltweit stellen – besonders Chrome hat in den letzten Jahren ein enormes Wachstum hingelegt.

Visuelle Kommunikation zwischen Firefox und Chrome.

(Bild: Google / Mozilla)

Allerdings hat Microsoft noch einen Trumpf in der Tasche: Dem Konzern gehört seit 2011 der mit Abstand größte Videochat-Anbieter im Internet, Skype – mit über 600 Millionen Nutzern. Denkbar wäre es, dass CURTC mit der Skype-Technik verzahnt wird. So könnte man dann Skype-Sitzungen direkt im Browser nutzen, ohne dass man langwierig eine eigene Skype-Software installieren müsste.

Microsoft könnte Skype theoretisch auch ganz auf Browser-Technik umstellen. Wer dann mit einem Skype-Freund kommunizieren möchte, müsste zum Internet Explorer greifen. Dass das angesichts der Marktmacht von Skype die Kartellbehörden auf den Plan rufen würde, ist allerdings nicht gerade wahrscheinlich: Microsoft rasselte im vergangenen Jahrzehnt im sogenannte Browserkrieg mit den Marktwächtern immer wieder zusammen. Dabei ging es stets darum, dass Microsoft seine Marktmacht beim Betriebssystem Windows genutzt haben soll, um andere Browserhersteller aus dem Geschäft zu drängen. (bsc)