Vom Fenster zum Spiegel
Japanische Forscher haben eine neuartige Beschichtung für Glasflächen entwickelt, die sich in Sekunden von transparent auf reflektierend umschalten lässt.
- David Zax
Japanische Forscher haben eine neuartige Beschichtung für Glasflächen entwickelt, die sich in Sekunden von transparent auf reflektierend umschalten lässt.
Wissenschaftler der Multifunctional Thin Film Group am National Institute of Advanced Industrial Science and Technology (AIST) in Nagoya haben ein Dünnfilmmaterial entwickelt, das ein Fenster innerhalb weniger Sekunden zu einem Spiegel machen kann. Die grundlegende Idee wird schon länger verfolgt – Forscher am AIST arbeiten seit über einem Jahr an schnell schaltenden Kombinationen aus Spiegel und Fenster. Neu ist allerdings, dass die gesamte Technik in eine kompakte Beschichtung passt, die sich auf Glas aufbringen lässt. Sie muss damit also nicht mehr direkt in das Fenster selbst integriert werden und lässt sich auch nachträglich einbauen. Zudem wurden die Schaltzeiten deutlich beschleunigt.
Elektrochromatische Systeme, die Fenster teilweise undurchsichtig machen oder einfärben können, werden bereits in modernen Flugzeugen wie der Boeing 787 Dreamliner verbaut, benötigen allerdings mindestens 30 Sekunden zum Zustandswechsel. "Unser System wird in gleicher Größe nur noch fünf Sekunden brauchen", so AIST-Forscher Kazuki Yoshimura.
Die Kombination aus transparentem und reflektierendem Zustand hilft dabei, die Fenster aktiv zu beschatten. Wird der reflektierende Modus aktiviert, kommt vom AuĂźenlicht fast nichts mehr durch. Das heiĂźe Sonnenlicht kann dann im Summer einen Raum nicht mehr so leicht aufheizen, was Kosten bei der Klimatisierung spart.
Das Verfahren, dass die AIST-Forscher entwickelt haben, arbeitet mit einem elektrolytischen Ansatz. Auf der Rückseite der Beschichtung befindet sich ein Acrylmaterial, das an den Ecken mit einem Klebeband an der Scheibe befestigt wird. So entsteht eine Lücke von 0,1 Millimetern zwischen Glas und Beschichtung. Dieser Bereich lässt sich mit Wasserstoff füllen, der durch Elektrolyse aus der Feuchtigkeit in der Umgebungsluft gewonnen wird. Auf diese Art kann man die Oberfläche vom Spiegelmodus in einen transparenten Modus schalten – und umgekehrt.
An "Smart Glas"-Systemen, die aus Fenstern Bildschirme oder zumindest Wärmedeflektoren machen, arbeiten Forscher schon seit über zehn Jahren. Praktikabel wird die Technik allerdings erst jetzt. Noch ist unklar, wann der AIST-Prototyp zu einem Produkt werden könnte. Derzeit verbessern die Forscher die Schaltgeschwindigkeit und versuchen, den abdeckbaren Glasbereich zu vergrößern. Aufgebracht werden könnte die Technik später auch auf Fahrzeugfenstern. Selbst für Windschutzscheiben wäre das Verfahren geeignet, weil sie weiterhin eine Mindestlichtdurchlässigkeit von 70 Prozent hätten. (bsc)