Bundesrat hat "erhebliche Bedenken" bei Kinderporno-Sperren

Die Länderkammer hat eine Stellungnahme verabschiedet, wonach der Gesetzesentwurf des Bundes "zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen" noch zahlreiche Fragen aufwirft.

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Der Bundesrat hat in seiner Plenarsitzung am heutigen Freitag eine Stellungnahme verabschiedet, wonach der heftig umkämpfte Gesetzesentwurf des Bundes "zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen" zahlreiche Fragen aufwirft. "Erhebliche rechtsstaatliche Bedenken" hat die Länderkammer demnach vor allem gegen die geplante Bestimmung, wonach "allein das Bundeskriminalamt ohne die Möglichkeit der Überprüfung" das geheim zu haltende Filterverzeichnis erstellen soll. Dies sei kaum zu rechtfertigen, zumal von den Web-Blockaden auch legale Seiten erfasst sein könnten.

"Die Sperrung von Internetseiten betrifft die Telekommunikationsfreiheit, die Informations- und Meinungsfreiheit sowie die allgemeine Handlungsfreiheit", heißt es im Beschluss der Länder. Vor diesem Hintergrund seien geeignete Sicherungsmechanismen wie die Einbeziehung eines unabhängigen Gremiums erforderlich, um ein "Over-Blocking" zu verhindern. Zudem bedürfe es "eines effektiven rechtsstaatlichen Verfahrens, damit Betroffene die Löschung eines zu Unrecht erfolgten Eintrags aus der Sperrliste erreichen können". Für diese Fälle seien auch Entschädigungsklauseln vorzusehen. Das BKA soll selbst "regelmäßig binnen angemessener Frist" prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Sperreintrag noch gegeben seien. Gravierende Einwände hat der Bundesrat auch gegen eine Erlaubnis für Zugangsanbieter, im Rahmen des Betriebs der vorgesehenen Stopp-Seite anfallende personenbezogene Daten wie IP-Adressen zu erheben und auf Anforderung Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln. Er plädiert für die Streichung dieser Klausel.

Andererseits machen sich die Länder auch für eine Verschärfung des Vorhabens stark. So soll das BKA die Filterliste "täglich" statt "werktäglich" an die Provider übermitteln und diese somit auch an Sonn- und Feiertagen die aktuellen Vorgaben umsetzen. Nicht durchsetzen konnte sich der Wirtschaftsausschuss mit seiner Empfehlung, zunächst auf die effektive Umsetzung der bestehenden Möglichkeiten der Strafverfolger zum Löschen kinderpornographischer Angebote im Netz zu drängen. Auch die von den Wirtschaftspolitikern gewünschte Übersicht von Servern mit Kinderpornographieangeboten in Ländern, in denen deutsche Ermittlungsbehörden auch keine indirekten Zugriffsmöglichkeiten haben, verlangen die Länderchefs nicht.

Eine Gruppe CDU-Politiker aus Nordrhein-Westfalen hat sich unterdessen für deutliche Verschärfungen des Gesetzesentwurfs ausgesprochen. So heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter, des rechtspolitischen Sprechers der CDU-Landtagsfraktion, Harald Giebels, sowie seines medienpolitischen Kollegen Thomas Jarzombek, dass die geplante Sperre auf Ebene "vollqualifizierter Domainnamen" nicht ausreiche und trotz der Befürchtungen vieler Experten über große Kollateralschäden eine Blockade "auf der Ebene der Internetprotokoll-Adressen als Mindestmaßnahme" vorzusehen sei. Die Beschränkung der Pflicht zum Sperren auf private große Zugangsanbieter mit mehr als 10.000 Teilnehmer sei zu streichen.

Andererseits drängen die Christdemokraten darauf, dass Telemedienanbieter, bei denen zu blockierende Seiten gehostet werden, vor der Aufnahme in die Sperrliste oder zumindest zeitgleich benachrichtigt werden. Den Betroffenen sei ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch gegen das Bundeskriminalamt auf Löschung von der Sperrliste einzuräumen, falls die Aufnahme in die Sperrliste unberechtigt erfolgt war oder die beanstandeten Seiten aus ihrem Angebot gelöscht worden sind. Allein der versuchte Zugriff auf eine blockierte Seite dürfe zudem noch nicht den Anfangsverdacht einer Straftat begründen. Andererseits dürften Ermittlungstätigkeiten nicht behindert werden, indem die Weitergabe von Nutzerdaten an Strafverfolger von vornherein ausgeschlossen würde.

Der grüne Justizsenator Hamburgs, Till Steffen, setzte sich dafür ein, den absichtlichen Abruf kinderpornographischer Inhalte im Netz unter Strafe zustellen. Der Begriff des strafbaren "Besitzes" entsprechender Angebote passe auf die elektronische Verbreitung nicht. Wie erste Gerichtsentscheidungen zeigten, entstünden rechtliche Lücken, wenn die Strafvorschrift nicht modernisiert werde. Einige Fragen gebe es aber noch zu klären. So sei umstritten, ob schon die Tatsache für eine Verurteilung reiche, wenn Kinderpornos den Arbeitsspeicher eines Computers durchlaufen haben, oder ob sie auf dem Rechner direkt abgelegt sein müssten.

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) unterstützte den Gesetzesentwurf aus Berlin ausdrücklich. Es sei aber nicht einzusehen, warum der Gesetzesentwurf die Jugendpornographie, also pornographische Darstellung von 14- bis18-Jährigen ohne Begründung außen vor lasse. Ein entsprechendes Anliegen des Innenausschusses des Bundesrats fand aber keine Mehrheit im Plenum der Länderkammer.

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco warnte davor, den Entwurf in der kommenden Woche "durch den Bundestag zu peitschen". Die Vorlage sei mit derart vielen gravierenden Mängeln versehen, das eine Verabschiedung in dieser Form mehr schaden als nutzen würde. Auch der sich derzeit in den Berichterstattergesprächen der Regierungsfraktionen abzeichnende Kompromiss habe nach wie vor "gravierende verfassungsrechtliche Mängel und Webfehler", monierte der stellvertretende eco-Vorstandsvorsitzende Oliver Süme: Der Kampf gegen Kinderpornographie im Internet werde damit nicht vorangebracht. Stattdessen würde die Wirtschaft dazu verpflichtet, "flächendeckend eine Sperrinfrastruktur zu schaffen". Angesichts immer neuer Forderungen, die Maßnahme auf weitere Inhalte wie "Killerspiele" oder Islamismus auszudehnen, wachsen laut Süme "die Zweifel an der Zusage der Bundesregierung, die Maßnahme bleibe auf jeden Fall auf Kinderpornografie beschränkt".

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(Stefan Krempl) / (jk)