Wikimedia hat gewählt

In seiner Kandidatur hatte sich Ting Chen, das neue Vorstandsmitglied der Stiftung hinter der freien Online-Enzyklopädie, für eine bessere internationale Kommunikation und eine bessere Vertretung der kleineren Projekte der Wikimedia ausgesprochen.

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Von
  • Torsten Kleinz

Die Wikimedia Foundation bekommt ein neues Vorstandsmitglied: Bei den Wahlen setzte sich der 40-jährige Programmierer Ting Chen gegen 14 andere Kandidaten durch und wird in Zukunft über die Ausrichtung und Grundsätze der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia mit entscheiden.

Ting Chen wurde in Shanghai geboren und lebt seit 20 Jahren in Deutschland. Er studierte an der Technischen Universität Braunschweig Elektrotechnik und arbeitet derzeit bei der IBM-Niederlassung in Mainz. Er engagiert sich in der chinesischen, der englischen und der deutschen Wikipedia.

An der Wahl nahmen 3019 Community-Mitglieder der verschiedenen Wikimedia-Projekte teil. Nur aktive Nutzer mit mehr als 600 Beiträgen konnten an der Wahl teilnehmen. Trotzdem liegt die Wahlbeteiligung nur bei 10 bis 15 Prozent. Damit war nur der harte Kern der Nutzer wahlberechtigt – allein die englischsprachige Wikipedia verzeichnet über sieben Millionen registrierte Accounts.

In seiner Kandidatur spricht sich Ting Chen für eine bessere internationale Kommunikation und eine bessere Vertretung der kleineren Projekte der Wikimedia aus. In der Wiki-Kandidaten-Debatte bezeichnet der Programmierer die jüngste Umstrukturierung des Wikimedia-Vorstands als Fehler. Zwar sei er dafür, einige Vorstandssitze für die nationalen Wikimedia-Organisationen zu schaffen. Dass aber gleichzeitig Sitze für Experten von außerhalb der Community geschaffen wurden, sei falsch. Wenn es dem Vorstand der Stiftung an Sachkenntnis fehle, könne er ein Komitee für die nötigen Fachleute schaffen. "Diese Experten müssen nicht Mitglied im Vorstand der Wikimedia sein", schreibt Ting Chen.

Der Programmierer unterstützt den Kurs der Foundation gegen Selbstzensur. Zwar sei die Sperrung der freien Online-Enzyklopädie in seinem Vaterland ein Schock gewesen. Der Widerstand gegen Selbstzensur sei aber eines der Kernprinzipien aller Wikimedia-Projekte. Auch gegenüber den kürzlich eingeführten "gesichteten Versionen" zeigt er sich skeptisch. So habe die deutsche Wikipedia einen Probelauf gestartet, ohne festzulegen, nach welchen Kriterien ein Erfolg bewertet werden soll.

Die Arbeit des Wikimedia-Büros in San Francisco sieht der seit fünf Jahren engagierte Wikipedianer kritisch. Die Erfahrungen, die er bei der Organisation der Wikimania-Konferenz in Taipeh gemacht habe, seien "nicht optimal" gewesen. Ting Chen plädiert dafür, das Wachstum der Organisation zu begrenzen: "Bis jetzt haben wir unsere Pläne danach ausgerichtet, wie viel Geld wir nächstes Jahr brauchen." Er plädiert für einen Paradigmenwechsel: Die Wikimedia Foundation solle sich nicht darauf verlassen, die Einnahmen immer weiter steigern zu können.

Unterdessen hat das Wikimedia-Büro in San Francisco Verstärkung bekommen. Wie heute bekannt gegeben wurde, hat Wikimedia-Geschäftsführerin Sue Gardner mit Rebecca Handler und Rand Montoya zwei erfahren Spendenbeauftragte engagiert, die künftig Spenden von Freiwilligen und Großspendern organisieren sollen. (Torsten Kleinz) / (jk)