Bill Gates, der Programmierer

Sein Rückzug aus dem Tagesgeschäft von Microsoft ist Anlass für zahlreiche Würdigungen seiner Arbeit. Der Programmierer Bill Gates, der Micro-Soft (in dieser Schreibweise) gründete, wird dabei eher ausgeblendet. Eine Spurensuche im Netz.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 287 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Sein Rückzug aus dem Tagesgeschäft von Microsoft ist Anlass für zahlreiche Würdigungen seiner Arbeit: Bill Gates, der knallharte Manager, oder Bill Gates, der Philanthrop, werden dabei meistens in den Vordergrund gerückt. Der Programmierer Bill Gates, der Micro-Soft (in dieser Schreibweise) gründete, wird so eher ausgeblendet. Eine Spurensuche im Netz.

Die Frage nach den Programmierkünsten von Bill Gates ist nicht einfach zu beantworten. Wer Dokumente aus der Frühzeit sucht, findet derzeit vor allem Erinnerungen von ehemaligen Geschäftspartnern, die nicht unbedingt schmeichelhaft für Gates sind. Abseits dieser Oral History gibt es wenig Material darüber, wie Gates mit seiner BASIC-Produktion die Firma aufbaute. Den größten Nachhall erzeugte wohl der Open Letter to Hobbyists, mit dem sich Gates über den Diebstahl seiner Software beschwerte. Dieser Brief machte ihn bekannter als die verschiedenen BASIC-Versionen, die Micro-Soft zunächst vertrieb.

Im Jahre 1984 begann die bei Microsoft angestellte Anglistin Susan Lammers mit einem Interview-Projekt, das Wesen des Programmierens zu erkunden. Vorbild ihrer Arbeit war die berühmte Interview-Serie "Writers at Work" der Paris Review. Schriftsteller sprachen offen über ihre Arbeit, begleitet von abgedruckten, unredigierten Arbeitsproben. Im gleichen Stil interviewte Lammers 19 Programmierer, unter ihnen Bill Gates. Lammers bewies dabei großes Gespür für die großen Programmiertalente und sprach mit Personen, die mitunter heute noch die Software-Entwicklung beeinflussen. So ist Ray Ozzie mittlerweile Chief Software Architect bei Microsoft, während Butler Lampson als Microsoft Fellow forschen kann.

Weil die Print-Ausgabe von "Programmers at Work" längst vergriffen ist, hat Susan Lammers damit begonnen, einzelne Interviews in einem Buch-Blog zu veröffentlichen. Das Interview mit Bill Gates ist derzeit der letzte Beitrag dieses Blogs. In ihm beschreibt Gates, wie er von der Arbeit an BASIC geprägt wurde, wobei er das BASIC für den 8080er-Prozessor als sein einflussreichstes Werk bezeichnet. Deutlich wird auch, dass es damals hauptsächlich darum ging, möglichst wenig Speicher zu verbrauchen. Aus heutiger Sicht ist vielleicht noch bemerkenswert, dass Gates seiner Erinnerung nach den gesamten Code auswendig kannte.

Das aufschlussreiche Interview mit Bill Gates wurde geführt, bevor Bill Gates PR-mäßig als "Geek" und "Über-Czar" von Microsoft aufgebaut wurde. Den Umschlag der ersten Ausgabe von 1986 zieren Portraits aller 19 Programmierer, in der zweiten Ausgabe von 1989 dominiert bereits Bill Gates das Bild, mit kleineren Portraits von Wayne Ratliff (dBase), Gary Kildall (CP/M) und Jonathan Sachs (1-2-3).

In seiner Geschichte der Software-Industrie bewertet der Historiker Martin Campbell-Kelly die Leistungen von Gates nüchtern: "Einen Basic-Übersetzer zu schreiben, war eine Aufgabe, die durchaus von einem guten Studenten an jeder guten Schule erwartet werden konnte, die Computer Science unterrichtete." Nach Campbell-Kelly bestand Gates' Leistung darin, das Geschäftsmodell der Videospiel-Industrie zu kopieren und Lizenzen von Firmen wie MITS zu verlangen. Mitbewerber wie später Paterson Technology verkauften dagegen ihre Programme zu Festpreisen an Hardware-Hersteller. In seinem Aufsatz Not Only Microsoft wendet sich Campbell-Kelly dementsprechend gegen die Behauptung, dass Microsoft vom Start weg den Markt dominierte. Anders als die Mitbewerber schwächelte Microsoft nicht, als man neue Märkte wie den der Anwendungssoftware in Angriff nahm – weil Bill Gates nicht mehr programmierte, sondern sich anderen Aufgaben widmete.

Siehe zu Bill Gates und seinem Abschied vom Tagesgeschäft bei Microsoft auch:

(Detlef Borchers) / (jk)