Apple vs. Samsung: Teile des Milliardenurteils aufgehoben

Patentunklarheiten, falsche Stichtage und anfechtbare Geschworenenberechnungen säen Zweifel an der Richtigkeit der Höhe des von Samsung an Apple zu zahlenden Schadensersatzes. Richterin Lucy Koh hat nachgerechnet.

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Im ersten großen US-Patentstreit zwischen Apple und Samsung (11-cv-01846 ) hat Richterin Lucy Koh am gestrigen Freitag eine ganze Reihe von Entscheidungen gefällt. Von den knapp 1,05 Milliarden US-Dollar, die Geschworene Apple zugesprochen hatten, wurden rund 451 Millionen aufgehoben. Medienberichte über eine deutliche Senkung der Schadenersatzsumme sind aber unzutreffend. Denn die aufgehobenen Teile sollen vor neuen Geschworenen neu verhandelt werden, was sogar zu einem höheren Schadenersatz führen könnte. Und in anderen Bereichen hat sich Apple durchgesetzt, sodass zur endgültigen Rechnung zusätzliche Beträge addiert werden.

In Ihrer 27 Seiten langen Entscheidung geht Koh zunächst auf Apples Forderung nach Erhöhung des Schadenersatzes ein. Bei fünf Samsung-Geräten haben die Geschworenen einen geringeren Betrag veranschlagt, als ein von Samsung nominierter Zeuge berechnet hatte. In diesem Bereich wollte Apple mehr Geld haben. Dieser Antrag wurde abgelehnt, weil die Geschworenen nicht an die Aussage eines Zeugen gebunden werden können.

Apple wollte zudem zusätzliche Zahlungen für ab 1. Juli 2012 verkaufte Geräte erwirken, weil die im Prozess vorgelegten Daten nur Verkäufe bis 30. Juni 2012 berücksichtigt haben. Die Geschworenen fällten ihre Entscheidung am 24. August. Die Richterin bejahte grundsätzlich den Anspruch auf zusätzlichen Schadenersatz, aber erst für Verkäufe ab dem Tag nach dem Urteil. Denn den dazwischen liegenden Zeitraum hätten die Geschworenen in ihrer Berechnung vielleicht schon berücksichtigt.

Da die Geschworenen aber keine Lizenzgebühren festgelegt haben, ist unklar, wie viel Samsung für nach dem 24. August verkaufte Geräte, die Apples Ansprüche verletzen, bezahlen soll. Die Berechnung wäre auf Basis der zuerkannten Schadenersatzsummen möglich, wenn die Parteien Beweise über Samsungs Absatzzahlen vorlegen. Da aber gegen bestimmte Entscheidungen des Verfahrens bereits Rechtsmittel ergriffen wurden, möchte die Richterin erst die Rechtsmeinung des übergeordneten Gerichts abwarten, bevor sie diese Summen berechnet.

Koh hat auch beschieden, dass Apple auf den Schadenersatz Zins und Zinseszins aufschlagen darf, und zwar schon von Beginn der Patentverletzung an. Allerdings setzt sie dafür einen niedrigeren als den von Apple begehrten Kreditzinssatz an: Apple sitze auf einem Geldberg und habe daher gar keine Kredite aufnehmen müssen, um die fehlenden Zahlungen Samsungs auszugleichen.

Anschließend widmet sich die Richterin den Anträgen Samsungs auf Aufhebung der Geschworenenentscheidung. Sie folgte diesem Wunsch nur in Teilen. Die Richterin hat erkannt, dass die Geschworenen bei ihrer Berechnung immer jene Summe als Basis herangezogen haben, die ein von Apple nominierter Zeuge genannt hatte. Davon haben sie dann entweder 40 Prozent von Samsungs Gewinnspanne oder 50 Prozent von Lizenzgebühren oder aber die gesamten verlorenen Gewinne Apples zuzüglich 40 Prozent der Gewinnspanne Samsungs zuerkannt.

Soweit ein Gerät ausschließlich Gebrauchsmuster verletzt, hätten die Geschworenen aber nicht Samsungs Gewinne als Berechnungsbasis heranziehen dürfen. Das war in den Anweisungen ausdrücklich festgehalten gewesen. Im Fall des Galaxy Prevail haben sie diese Anweisungen missachtet, weshalb die knapp 58 Millionen US-Dollar schwere Entscheidung über dieses Gerät aufgehoben wurde. Die Richterin ordnete ein neues Verfahren an, bei dem neue Geschworene einen neuen Betrag festsetzen sollen.

Der Rest der Entscheidung widmet sich vor allem der Frage, ob die Geschworenen die korrekten Stichtage für die Berechnung herangezogen haben. Apple hatte Samsung vor der Klage nur auf ein einziges Patent hingewiesen (US 7,469,381). Erst in der Klage selbst wird ein zweites Patent und ein Geschmacksmuster (design patent) ins Treffen geführt. Die übrigen Patente, Geschmacks- und Gebrauchsmuster tauchen erst in späteren Klageerweiterungen auf.

Apple wäre aber grundsätzlich verpflichtet gewesen, auf die behaupteten Rechtsverletzungen hinzuweisen. Dies geschah jedoch nur bei Patent 7.469.381 und zwar im August 2011. Der Apple-Zeuge hatte aber alle Summen von diesem Datum ausgehend berechnet. Damit kam er meist auf zu hohe Summen. Diese waren dann offenbar die Ausgangsbasis für die Berechnungen der Geschworenen.

Bei nicht registrierten Marken besteht aber keine Hinweispflicht, sodass bei fünf Produkten der von den Geschworenen veranschlagte Schadenersatz bestehen bleibt. Bei acht weiteren Geräten haben sie in der Tat ein zu frühes Datum als Grundlage gewählt. Da die Geschworenen aufgrund der Beweislage aber mehr hätten zusprechen können, als sie es taten, kann die Richterin den Betrag nicht einfach reduzieren. Also hat sie die Entscheidung diese acht Geräte betreffend aufgehoben (gut 383 Millionen US-Dollar) und auch hierzu ein neues Verfahren vor neuen Geschworenen beschlossen.

Mehr als 216 Millionen Dollar haben die Geschworenen für drei Geräte zuerkannt, die zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch gar nicht verkauft wurden. Dabei habe der von den Geschworenen beachtete Zeuge gar keinen zu frühen Stichtag anwenden können. Also bleibt diese Entscheidung der Geschworenen aufrecht.

Bei den fünf übrigen Geräten sind die Geschworenen nach Ansicht der Richterin durch das falsche Datum auf einen zu hohen Betrag gekommen. Die vorgelegten Beweise geben Auskunft über die Verkaufszahlen nach Quartal. Die relevanten Stichtage decken sich aber nicht mit den Quartalsultimos, womit die Richterin den korrekten Betrag nicht berechnen kann. Also hat sie weitere gut neun Millionen Dollar aufgehoben. Auch in diesem Bereich sollen neue Geschworene entscheiden.

In Summe wurden also rund 451 Millionen US-Dollar aufgehoben. Diese Abschnitte sollen neu verhandelt werden, woraus sich ein niedrigerer oder höherer Anspruch Apples ergeben kann. Die restlichen 599 Millionen US-Dollar hat die Richterin bestätigt.

Übrigens: Apples Patent 7,469,381 erklärte das US-Patentamt im Oktober 2012 vorläufig für ungültig. Die erhobenen Patentansprüche sind demnach entweder zu offensichtlich oder bereits von früheren Patenten anderer Erfinder abgedeckt. Sollte die Entscheidung des Patentamts rechtskräftig werden wackeln weitere Grundmauern des Geldturms, den die Geschworenen im August zuerkannt haben. Der Rechtsweg zur endgültigen Aufhebung kann jedoch sehr lang sein. (ur)