Urheberrecht: Grüne gegen Auskunftsanspruch und für Bagatellklausel

Die Grünen haben ihren Plan für die Großbaustelle Urheberrecht vorgestellt. Kurzfristig wollen sie damit gegen den Abmahnmissbrauch vorgehen und das Vertragsrecht reformieren. Für die Kulturflatrate sehen sie derzeit keine Chance.

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Die Projektgruppe Urheberrecht der Bundestagsfraktion der Grünen hat am Montag in Berlin ihre Ergebnisse vorgestellt. Sie wollen den Streitwert bei Urheberrechtsverletzungen im privaten Bereich auf 700 Euro begrenzen, den 2008 eingeführten zivilrechtlichen Auskunftsanspruch gegen Provider kippen sowie eine Bagatellklausel ins Urheberrechtsgesetz einfügen. Für die lange hochgehaltene Kulturflatrate sehen die Grünen dagegen derzeit keine Chance.

Jerzy Montag, Jürgen Trittin und Renate Künast

(Bild: Stefan Krempl)

"Wir haben über ein Jahr gearbeitet", erklärte der rechtspolitische Fraktionssprecher, Jerzy Montag. Abgeordnete aus den Bereichen Kultur, Wissenschaft, Medien und Netzpolitik seien genauso eingebunden gewesen wie externe Sachverständige, Praktiker, Interessenvertreter und Techniker. Eine der Hauptaufgaben der Gruppe sei es gewesen, auf der "Riesenbaustelle Urheberrecht "die wichtigsten und tagesaktuell drängenden Aufgaben zu identifizieren". Trotzdem wolle die Fraktion die langfristigen Reformfragen, die etwa internationale Verträge beträfen, nicht aus dem Auge lassen.

Gegen den Abmahnmissbrauch vorzugehen erscheint den Grünen am dringlichsten, da dieser für "entsetzte Bürger" sorge, erläuterte Montag. Die Abmahnung als solche sei zwar ein "kostengünstiges, justizressourcensparendes Instrument, das seine Berechtigung hat". Es habe sich aber eine "parasitäre Geschäftsidee" daraus entwickelt. Auch wenn die Zahl der Abmahnungen 2012 etwas zurückgegangen sei, werde damit "Profit generiert in millionenfacher Höhe".

Die Grünen wollen daher die Auswüchse des Systems zurückschneiden. Der Streitwert soll gedeckelt werden in einer Urheberrechtsstreitsache gegen eine natürliche Person, wenn diese geschützte Leistungen "nicht für ihre gewerblichen oder selbstständigen Tätigkeiten verwendet" und in den vergangenen zwei Jahren nicht bereits zur Unterlassung verpflichtet war. Die Grenze von 700 Euro hält Montag für angemessen, da damit rund 120 Euro Anwaltskosten für den Betroffenen übrig blieben. Das im Entwurf aus dem Bundesjustizministerium angesetzte Limit von 1000 Euro scheint ihm zu hoch, die zunächst ins Spiel gebrachten 500 Euro zu niedrig, da dem Betroffenen damit die Berufungsmöglichkeit genommen werde. Wie im Papier aus dem Justizressort soll ein zu Unrecht Abgemahnter den Ersatz seiner Aufwendungen für die Rechtsverteidigung verlangen dürfen.

Die Grünen wollen den im "Durchsetzungsgesetz" verankerten Auskunftsanspruch, mit dem Rechteinhaber Namen und Anschrift hinter einer IP-Adresse steckenden Person von Zugangsanbietern erfragen können, deutlich zurückfahren. Er soll nur noch gelten bei Nutzern, die "im geschäftlichen Verkehr das Urheberrecht" verletzen. Diese Formulierung war im ursprünglichen Regierungsentwurf ebenfalls vorgesehen, der Rechtsausschuss des Bundestags hatte ihn aber durch die Formulierung "im gewerblichen Ausmaß" ersetzt, der vom Bundesgerichtshof sehr breit ausgelegt wird.

Parallel soll die von Ex-Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) 2005 ins Feld geführte "Petitessenregelung" wiederbelebt werden. "Nicht bestraft wird, wer Werke oder die Bearbeitung oder Umgestaltung von Werken nur in geringer Zahl und ausschließlich zum eigenen privaten Gebrauch oder zum privaten Gebraucht von mit dem Täter persönlich verbundenen Personen vervielfältigt" oder an solchen Handlungen teilnimmt, heißt es in dem Entwurf. "Wir wollen die Staatsanwaltschaft nicht auf die Schulhöfe schicken", begründete Montag den Vorstoß. Auch beim Kopieren im Freundeskreis solle die Polizei außen vor bleiben.

Nach einer Initiative der Linken haben die Grünen einen Antrag zur Reform des Urhebervertragsrechts präsentiert, der für "faire und gleichberechtigte Verhandlungen" zwischen Urhebern und Verwertern und zugleich zu angemessenen Vergütungen für die Kreativen führen soll. Online-Mediatheken stellten Filme "fast unendlich zur Verfügung", sagte Fraktionschefin Renate Künast. Dadurch würden mehr Nutzer generiert, was eigentlich auch bei den Autoren zu einer Nachhonorierung führen müsste. Diese stünden aber "allein einem großen Sender gegenüber" und könnten sich mit ihren Forderungen nicht durchsetzen. Daher sollten künftig Schlichtungsverfahren zu "bindenden Ergebnissen" führen. Den Urhebern werde zudem ein Auskunftsrecht über den Umfang der Werknutzung zuerkannt. Darüber hinaus sollen die bestehenden Vereinigungen von Urhebern Ansprüche gerichtlich einklagen können.

Ihren Plan, die Tauschbörsennutzung über eine neue Pauschalvergütung komplett zu legalisieren, legen die Grünen vorläufig auf Eis. Ein von ihnen beim Göttinger Medienrechtlers Gerald Spindler in Auftrag gegebenes Gutachten habe ergeben, dass dem Modell Kulturflatrate derzeit das EU-Recht entgegenstehe, erläuterte Fraktionschef Jürgen Trittin. Kernpunkt sei dabei, die auch Uploads in P2P-Netzen gesetzlich zu genehmigen. Prinzipiell sei der Ansatz verfassungsrechtlich möglich und werde von den Grünen weiter als attraktiv angesehen. Dabei müsse man sich aber auch im Klaren sein, dass sich die fällige Monatspauschale auf einen Breitbandanschluss zumindest "in der Nähe einer zweiten GEZ-Gebühr" bewegen müsste. Die Berechnungen variierten zwischen 6 und 90 Euro. Es solle aber weiter über eine Pauschalvergütung debattiert werden.

Als "Sofortmaßnahmen" nötig erachten die Grünen weiter den Stopp des neuen Leistungsschutzrechtes über den Bundesrat, das Trittin als "Lex Gaga" bezeichnete, und das Vorantreiben eines 3. Korbs zur Urheberrechtsreform für den Wissenschafts- und Bildungsbereich. Damit soll etwa ein "formatgleiches" Zweitveröffentlichungsrecht nach sechs Monaten bei Periodika und einem Jahr bei Sammelbänden nach dem Prinzip "Open Access" geschaffen werden. Mittelfristig schwebt der Fraktion ein "Recht auf Remix" und eine Novelle der Nutzerrechte in der EU-Copyright-Richtlinie vor. (anw)