Bundesverfassungsgericht schränkt Recht auf Gegendarstellungen ein

Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass ein Anspruch auf Gegendarstellung durch die Presse nur bei eindeutigen Aussagen besteht, nicht aber, wenn eine Aussage mehrere Deutungen zulässt.

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Von
  • Carsten Kiefer

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass bei Tatsachenbehauptungen in Presseberichten das Recht auf Gegendarstellung nur unter sehr eng gefassten Voraussetzungen besteht. Mehrdeutige Tatsachenbehauptungen berechtigen den Betroffenen hingegen grundsätzlich nicht dazu, eine Gegendarstellung durchzusetzen. Das ist dem Beschluss (1 BvR 967/05 vom 19. Dezember 2007) zufolge nur dann möglich, wenn sich durch die Berichterstattung eine Aussage "als unabweisbare Schlussfolgerung aufdrängen muss".

Verhandelt wurde ein Fall aus dem Jahre 2004. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" veröffentlichte einen Artikel über die zivilgerichtliche Verurteilung einer Privatperson zur Rückzahlung von Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe, die für angeblich im Zweiten Weltkrieg verloren gegangenes Aktienvermögen geleistet worden waren. Im Artikel hieß es, dass immer, wenn im Hause der Betroffenen das Geld knapp wurde, sich auf wundersame Weise neue Belege für stattliche Wertpapierdepots gefunden hätten.

Gegen diese Aussage erwirkte die Betroffene vor den Zivilgerichten eine Verurteilung der Verlegerin zum Abdruck einer Gegendarstellung. Das Oberlandesgericht Hamburg vertrat hierbei die Auffassung, dass sich die Presse bei Veröffentlichungen "grundsätzlich jede vertretbare, jedenfalls nicht fernliegende Interpretationsmöglichkeit" entgegenhalten lassen müsse. Der Verlag legte daraufhin Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidungen der Vorinstanzen ein. Das Bundesverfassungsgericht hob die angegriffenen Entscheidungen wegen Verletzung der Pressefreiheit auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück.

Das Bundesverfassungsgericht führte aus, dass "Einschüchterungseffekte" für die Presse "nach Möglichkeit zu vermeiden" seien. Auch sei zu berücksichtigen, dass bei dem Presseunternehmen durch eine Gegendarstellung ein Imageschaden entstehen könne, der möglicherweise das Misstrauen der Leserschaft auch gegenüber einer wahrheitsgemäßen und rechtmäßigen Berichterstattung wecke.

In der Sache stellte das Bundesverfassungsgericht klar, dass es für einen Pressebericht nicht erforderlich sei, diesen derart vollständig und lückenlos darzustellen, dass ausgeschlossen sei, dass die Leser unterschiedliche Eindrücke gewinnen könnten. Vielmehr dürften auch noch nicht abgeschlossene Rechercheergebnisse mitgeteilt werden, sodass auch Raum für Mutmaßungen bleibe.

Eine Verurteilung zu einer Gegendarstellung dürfe daher nicht bereits dann erfolgen, wenn eine "nicht fernliegende Deutung" einen gegendarstellungsfähigen Inhalt ergebe. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass die Presse mit Gegendarstellungsansprüchen überhäuft werde, was wiederum dazu führen könne, dass sich die Berichterstatter stärker zurückhielten. Dies widerspräche aber dem Ziel, eine möglichst umfassende Information der Öffentlichkeit durch die Presse zu gewährleisten. Für die Medien liefert diese Entscheidung einen Grund zum Aufatmen. Allerdings darf sie keinesfalls als Freibrief für eine oberflächliche Recherche verstanden werden. (Carsten Kiefer) / (hob)