Blendschutz für Solaranlagen

Eine neuartige Software ermittelt, welche Blendwirkung große Photovoltaikanlagen entwickeln können. Das dient unter anderem der Flugsicherheit.

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Eine neuartige Software ermittelt, welche Blendwirkung große Photovoltaikanlagen entwickeln können. Das dient unter anderem der Flugsicherheit.

Trotz Einschränkung der Solarförderung boomt der Bau von Sonnenstromanlagen in Deutschland weiter. Werden Photovoltaikanlagen in der Nähe von Flughäfen aufgestellt, ergibt sich bei schönem Wetter ein besonderes Problem: Die Solarzellen können Piloten beim Landeanflug so stark blenden, dass sie schlimmstenfalls die Kontrolle über ihre Maschine verlieren. Ähnliches gilt für viel befahrene Straßen: Auch hier können große Ökostromanlagen den Verkehr gefährden, wenn die Sonne ungünstig auf die Großmodule fällt. Massenkarambolagen wären potenziell die Folge.

Frankfurter Flughafen: Auf Deutschlands größtem Airport steht Sicherheit an erster Stelle.

(Bild: Henrik Schucker / Wikipedia / cc-by-sa-3.0)

Bei der Bauplanung großer Anlagen wird dieses Problem zwar bereits einberechnet – allerdings sind die bislang verwendeten Systeme nicht sehr genau und ermitteln die störenden Lichtreflexionen nur an einigen Beispieltagen im Jahr, nicht aber über den gesamten Zeitverlauf, in dem gewöhnlich die Sonne scheint. Aus diesem Grund arbeiten Forscher am Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik in Sankt Augustin (FIT) an einer Software, mit der sich die Blendwirkung von Photovoltaikanlagen schon vor dem kostenintensiven Aufstellen deutlich genauer berechnen lässt. Das ist ein mathematisch nicht triviales Problem, weil zahlreiche Faktoren einkalkuliert werden müssen.

Mit dem Programm, das gemeinsam mit mehreren Solarstromfirmen sowie dem Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie in Mecklenburg-Vorpommern entwickelt wird, lassen sich zum Beispiel per Mausklick verschiedene Jahreszeiten simulieren sowie die Sonnenstände über den Tag hinweg überprüfen. Sonnen- und Blendverlauf lassen sich dabei für jede beliebige Zeiteinheit und in beliebiger Richtung simulieren. Selbst die unterschiedliche Höhe der Bodenflächen sowie Hindernisse wie Bäume und Lärmschutzwände würden mit einberechnet, erläutern die Forscher – die sorgen schließlich dafür, dass Blendwirkungen potenziell vermieden werden.

Großsolaranlage: Zum Test von Blendwirkungen waren bislang komplexe Versuche notwendig.

(Bild: Martina Nolte / Wikipedia / cc-by-sa-3.0)

Das Ergebnis ist eine übersichtliche räumliche Darstellung: "Wir rekonstruieren die ganze Szene in einem 3D-Raum mit Karte, Höhenprofil, Sonne, dreidimensionalen Gebäuden und Photovoltaikanlagen", erklärt Alexander Wollert vom FIT. Signalisiert das Programm ein Problem, lässt sich die Ausrichtung der Module in der Software verändern und zudem überprüfen, ob sie im Jahresmittel noch genügend Sonnenstrom erzeugen würden – schließlich muss die Anlage nicht nur sicher sein, sondern sich auch kommerziell lohnen.

"Die Software bezieht ihr Kartenmaterial dynamisch vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie", sagt Wollert. Von dort werden die benötigten kartografischen Informationen inklusive Höheninformationen automatisch heruntergeladen. "Diese Informationen kombinieren wir zu einer dreidimensionalen Ansicht der jeweiligen Umgebung, die die Basis für alle weiteren Berechnungen bildet."

FIT-Software: Das 3D-Modell erlaubt es, Blendwirkungen über den Tages- und Jahresverlauf nachzuvollziehen.

(Bild: Fraunhofer FIT)

Gibt es keine technisch und örtlich machbare Konstellation ohne problematische Blendwirkung, kann sie Software zudem auch simulieren, welche Auswirkungen mattere Zellen auf die Umgebung hätten. Die reflektieren die Sonne weniger, sind aber auch kostenintensiver. Für die Region um den Frankfurter Flughafen, der die meisten Flugbewegungen Deutschlands aufweist, wurde die FIT-Software bereits getestet. Als nächstes entwickeln die Forscher eine Version, die Pholtovoltaikbetreibern in ganz Deutschland weiterhelfen soll.

Selbst für Privatanlagen können sich die Fraunhofer-Wissenschaftler den Einsatz ihrer Software vorstellen: Es soll hierzulande bereits mehrfach zu Gerichtsverfahren gekommen sein, weil sich Hausbesitzer von der Anlage ihrer Nachbarn geblendet fühlten. "Mit der Software ließe sich dieses Problem künftig umgehen – und der nachbarschaftliche Frieden bliebe erhalten", so die Forscher.


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