Nachgefragt: Scharfe Nachtaufnahmen von der ISS

Riesige Städte, die wie winzige Ameisenkolonien wirken. Die Fotos der ISS-Astronauten zeigen unsere Erde aus einer völlig ungewohnten Perspektive. Heise Foto hat nachgefragt, wie sie es schaffen, stets scharfe Nachtaufnahmen zur Erde zu senden.

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Der NightPod mit einer Nikon D3s

(Bild: Astro- und Feinwerktechnik Adlershof Gmbh)

Die Internationale Raumstation ISS ist in etwa so lang und breit wie ein Fußballfeld, sie umkreist die Erde in einer Höhe zwischen 300 und 400 km und erreicht eine Bahngeschwindigkeit von 28.000 Kilometer pro Stunde. Wie gelingt es den Astronauten der ISS unter diesen Bedingungen, regelmäßig scharfe Fotos von erleuchteten Städten bei Nacht zu schießen?

Die Antwort heißt: NightPod. Dahinter steckt nicht etwa Apple – erfunden und entwickelt haben es die Europäische Weltraumorganisation ESA, das niederländische Unternehmen Cosine und die deutsche Firma Astro- und Feinwerktechnik Adlershof. Der NightPod ist im Prinzip ein motorisiertes Stativ (Tripod), das in der Cupola, dem Aussichtsturm der ISS, untergebracht ist.

So funktioniert’s: Der Astronaut füttert die NightPod-Konstruktion mit den Koordinaten des Motivs, das er mit der Kamera einfangen will. Außerdem stellt er ein, in welcher Höhe die ISS diesen Punkt überfliegen wird. Der NightPod kann automatisch die Flugbahn der ISS ausgleichen und Kamera und Objektiv so ausrichten, dass das anvisierte Motiv stets im Zentrum verharrt.

Derzeit sitzt eine Nikon D3s auf dem Pod. Die Vollformat-Kamera wurde für ihren Einsatz in der ISS nicht modifiziert, erklärt Massimo Sabbatini von der ESA. Im Prinzip könnte jede Kamera dafür herhalten.

Der niederländische Astronaut André Kuipers hat den NightPod Ende 2011 zur ISS gebracht. Fotografieren ist für die Besatzung der ISS mittlerweile zum wichtigen Freizeitausgleich geworden.

(Bild: NASA/ESA)

Das System einzurichten, ist nicht einfach. Etwa 15 bis 20 Minuten bräuchten die Astronauten dafür, sagt Sabbatini. Das größte Problem ist dabei nicht die Technik, sondern Streulicht. Mit schwarzen Tüchern sorgen die Astro-Fotografen dafür, dass kein Licht aus dem Inneren der Raumstation in die Cupola gelangen kann. Da sie durch ein Fenster fotografieren, müssen sie Reflektionen vermeiden, denn die ruinieren jedes Foto.

An der D3s benutzen die Astronauten vornehmlich zwei Festbrennweiten: ein 85-mm-Objektiv mit einer Anfangsblende von f/1.4 und eine 180-mm-Linse mit einer maximalen Blendenöffnung von f/2.8. Bewährt habe sich, die Kamera auf eine Belichtungszeit von 1/4 Sekunde und ISO 3200 einzustellen. Außerdem wählen die Fotografen stets die größtmögliche Blende.

Von Oben: Städte bei Nacht (6 Bilder)

San Francisco

Nikon 3DS, 85 mm, f/1.6, ISO 3200, 1/5s (Bild: ESA/NASA)

Am besten eigne sich das lichtstarke 85-mm-Objektiv. Das hat allerdings den Nachteil, dass diese Brennweite etwa 160 Kilometer auf der Erde abdecke. Eine Stadt so groß wie London fülle da nicht einmal ein Viertel des Fotos, so Sabbatini. Hier können sich die Astronauten nur helfen, indem sie digital ins Bild hineinzoomen – und das geht bekanntlich zu Lasten der Bildqualität.

Zukunft: Der NightPod ist eine wichtige Institution für die Besatzung der ISS. Mit seiner Hilfe können die Wissenschaftler nicht nur Luftverschmutzung oder Polarlichter erforschen. Er bedeutet für die Astronauten auch Freizeitbeschäftung, sagt Sabbatini. Die ESA plant bereits einen NightPod 2. Er soll drei automatische Achsen haben und einfacher einstellbar sein. Eine konkrete Roadmap dafür gibt es aber noch nicht.

Wie Sie die ISS selbst scharf auf ein Foto bannen, erfahren Sie hier. (ssi)