Kernel-Log: Neue Grafiktreiber, Treiber-Enwicklungsmodell erklärt, Nebeneffekte durch Stromsparen

X.org 7.4 nähert sich der Fertigstellung; neue Versionen der Grafiktreiber ati/radeon, nv und vesa; Hintergründe zu Treiber-Entwicklungsmodell von Linux; Funktionsumfang beim effizienten Stromsparen teilweise eingeschränkt; 2.6.25.10 in Kürze erwartet

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Von
  • Thorsten Leemhuis
Kernel-Log-Logo
Die Entwickler des X.org-Grafiktreiberpakets ati haben nach mehren Vorabversionen nun dessen Version 6.9.0 freigegeben. Sie enthält nur mehr den Grafiktreiber radeon, dessen neueste Version eine ganze Reihe von Verbesserungen mitbringt; etwa Optimierung für EXA bei R1xx- und R2xx-GPUs (Radeon bis 9500), Unterstützung für EXA bei R3xx-, R4xx- und r5xx-GPUs (Radeon 9500 bis x1950) sowie Unterstützung für Textured Video bei den R1xx- bis R5xx-GPUs. Mit Vorabversionen des Linux-Kernels und Mesa beherrscht der Treiber zudem erstmals 3D-Unterstützung bei den Karten der X1000-Serie. Rudimentär unterstützen soll der neue Treiber zudem bereits die jüngste, vor einer Woche eingeführte Radeon-Grafikkartengeneration mit R7xx-GPUs.
Im X.org-Wiki ist derweil eine Tabelle entstanden, die übersichtlich die von den Treibern radeon und dessen Alternative radeonhd unterstützten Funktionen auflistet; dort lässt sich einfach überblicken, wo der eine oder andere Treiber Vorteile bietet. So soll der radeon bereits viele Funktionen zur 3D-Unterstützung auf den bei der Radeon-X1000-Serie eingesetzten R500-GPUs beherrschen, während diese bei radeonhd noch als "in Arbeit" (Work in Progress/WIP) gilt.
Adam Jackson arbeitet derweil mit Hochdruck an der Zusammenstellung des ursprünglich für März/April geplanten X.org-Version 7.4. So gab er in den vergangenen Tagen neue Vorabversion des X-Servers 1.5 frei (1, 2). Er und einige andere Entwickler widmeten sich auch zahlreichen im Rahmen von X.org verwalteten Treibern, was unter anderem zu neuen Versionen der Grafiktreiber nv und vesa führte.
Nach dem von vielen wichtigen Kernel-Entwicklern unterzeichneten Statement gegen proprietäre Linux-Kernel-Treiber sorgt das Thema weiter für Aufsehen. Der langjährige SCSI-Subsystem-Verwalter James Bottomley etwa veröffentlichte auf der Homepage der Linux Foundation ein Essay, in dem er anhand der Grafikkartentreiber von AMD, Intel und Nvidia die Stärken und Schwächen des Open-Source-Entwicklungsmodells mit denen proprietäre Treiber vergleicht.
Noch detaillierter auf das Treiber-Entwicklungsmodell von Linux geht Dan Kohn in dem kürzlich auf der Webseite der Linux Foundation veröffentlichten Artikel "The Linux Driver Model: A Better Way to Support Devices" ein. Dabei versucht er die Überlegenheit des Linux-Entwicklungsmodells aufzuzeigen und erklärt dabei dessen Hintergründe und Vorteile, die Linux-Neulingen manchmal als ungeschickt oder als Nachteil einstufen.
Indirekt führte das Statement der Linux-Entwickler auch zu Diskussionen auf der OpenBSD-Mailingliste, wo Theo de Raadt in der von ihm gewohnten Direktheit seine Meinung verkündet.
In einem längeren Blogeintrag ging der im Bereich des Powermanagements von Linux sehr aktive Kernel-Hacker Matthew Garrett kürzlich detailliert darauf ein, wie bei der Systemkonfiguration Stromsparaspekte gegen eingeschränkte Funktionalität und reduzierte Geschwindigkeit abzuwägen sind; dabei gäbe es auch keine vernünftigen Standardeinstellungen, weil die beste Konfiguration erheblich vom Typ und Einsatzart des jeweiligen Systems abhängt. Als Beispiel führte er unter anderem die SATA-Stromspartechnik ALPM (Aggressive Link Power Management) an – das Deaktivieren der Hot-Swap-Erkennung etwa wäre für viele Desktop-Anwender kein Problem, aber problematisch bei Servern, wenn es eine Festplatte in einem RAID auszuwechseln gäbe. Auch die erstmals von Linux 2.6.26 unterstützte PCI-Express-Stromspartechnik Active State Power Management (ASPM) führt Garrett an, da sie die Latenzen negativ beeinflusst.
Nur wenige Tage später beschreibt der unter anderem durch Gnome-Power-Manager und PackageKit bekannte Entwickler Richard Hughes in seinem Blog erste Ansätze für ein latency-policy genanntes Framework, über das sich zumindest einige der von Garrett angeführten Probleme besser lösen lassen sollen. Der Systemadministrator soll dabei einfach festlegen, welche Latenzen für das jeweilige System akzeptabel sind.
Das Team der Linux Stable Series hat, wie bereits im vorangegangenen Kernel-Log angedeutet, die Linux-Version 2.6.25.9 veröffentlicht, die zehn verschiedene Korrekturen für den Kernel und den mitgelieferten Treibern enthält. Derzeit wird Linux 2.6.25.10 vorbereitet. Die Frist zum Einreichen von Kommentaren läuft am Nachmittag des 3. Juli aus; wenig später dürfte die nächste Version der 2.6.25-Serie dann veröffentlicht werden.
Bei den letzten Arbeiten an 2.6.26 ging es in der vergangenen Woche etwas ruhiger zu, da Linus Torvalds einige Tage unterwegs war. Eine Reihe von Korrekturen hat Torvalds seit der Veröffentlichung von 2.6.26-rc8 noch in den Hauptentwicklungszweig aufgenommen. Die Subsystem-Verwalter haben zudem noch weitere eingesandt, sodass eine neunte Vorabversion durchaus im Bereich des Möglichen scheint; auf die dürfte die Freigabe von 2.6.26 dann aber vermutlich zügig folgen.
Die Liste der seit der Freigabe von 2.6.25 eingeschleppten Fehler enthält derweil zirka 30 bekannte, noch nicht behobene Bugs – das dürfte die Freigabe von 2.6.26 aber vermutlich nicht sonderlich verzögern.
Kernel-Log-Staccato:
  • Ext-Dateisystem-Entwickler Theodore Ts'o nutzt nun Ext4 als primäres Dateisystem auf seinem Notebook und hat dabei auch gleich einen Fehler gefunden und korrigiert; er hofft in den kommenden Wochen weitere aufzuspüren, um dann auch anderen Anwendern das bislang experimentelle Dateisystem für den Produktiveinsatz empfehlen zu können.
  • Greg Kroah-Hartman hat mit der Veröffentlichung von Linux-Staging für 2.6.26-rc8 verschiedene VMware-Treiber sowie Unterstützung für Wireless USB aufgenommen.
  • H. Peter Anvin hat die Version 3.70 des Bootloader-Pakets Syslinux freigegeben; der dort enthaltene Netzwerk-Bootloader PXELinux bietet nun experimentelle Unterstützung für gPXE.
  • Lennart Poettering hat in seinem Blog neue Bibliotheken und Programme zum Zugriff auf einige der via SMART (Self-Monitoring, Analysis, and Reporting Technology) bereitgestellten Informationen über den Gesundheitszustand moderner Festplatten vorgestellt; die teilweise auf den GNOME-Desktop abgestimmten Programme sollen in Zukunft über ein Pop-up warnen, wenn eine Festplatte Anzeichen ihres Ablebens zeigt.
  • James Bottomley hat auf der LKML eine Liste mit möglicher Diskussions- und Arbeitsthemen für den diesjährigen Kernel-Summit veröffentlicht.
  • Nachdem AMD kürzlich einen neue Version der Linux-Treiber für Desktop-Grafikkarten veröffentlichte, folgte wenig später auch einen neue für die professionellen Bereich angesiedelten FireGL-Karten; sie soll laut AMD-Angaben um einiges flotter arbeiten als ältere Versionen des Treibers.
Weitere Hintergründe und Informationen rund um Entwicklungen im Linux-Kernel und dessen Umfeld finden sich auch in den vorangegangen Ausgaben des Kernel-Logs auf heise open:
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