Prototyp der Europäischen Digitalen Bibliothek soll im Herbst stehen

Nationale Büchereien arbeiten mit Archiven, Museen und Rechteinhabern unter Hochdruck daran, im November rund zwei Millionen Kulturwerke Europas online präsentieren zu können. Eine Demoseite der "Europeana" ist bereits zu bewundern.

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Nationale Büchereien arbeiten mit Archiven, Museen und Rechteinhabern derzeit unter Hochdruck daran, im November rund zwei Millionen Kulturwerke Europas online präsentieren zu können. Zu diesem Zeitpunkt soll der Prototyp der geplanten Europäischen Digitalen Bibliothek fertig sein, erklärte Elisabeth Niggemann, Generaldirektorin der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am heutigen Freitag auf der Konferenz "Free Access and Digital Divide" im Auswärtigen Amt in Berlin. Nach dem Plan der EU-Kommission solle das Portal weit über einen Bibliothekskatalog hinausgehen und einen mehrsprachigen "Zugriffspunkt für das gesamte Kulturerbe" bieten. Um Verwechslungen mit dem bereits bestehenden Verbund The European Library (TEL) auszuschließen und die Fixierung auf Bücher aufzuheben, haben sich die Träger auf eine Umbenennung des ambitionierten Projekts in "Europeana" geeinigt, berichtete Niggemann. Eine Demoseite sei dafür vor kurzem online gegangen, über die sich die Macher Anregungen für die erste stabile Version erwarten.

Vor dem Verbund europäischer Nationalbibliotheken (CENL) als einem der Projektverantwortlichen steht bis zum Herbst noch ein Berg von Arbeit. "Die Kommission will auch den Zugriff auf das 'schwarze Loch' des 20. und 21. Jahrhunderts" in Form vergriffener, kommerziell nicht mehr verfügbarer Werke, erläuterte Niggemeier. Hierfür sei ein EU-weites Lizenzmodell anzustreben. Zugleich müssten viele Urheberrechtsfragen geklärt werden. Vielfach werde wohl nichts anderes übrig bleiben, als auf Vereinbarungen auf Vertragsbasis auszuweichen. Bis 2010 sollen gemäß den Vorstellungen der Kommission mindestens sechs Millionen digitale Werke, die neben Büchern auch Ton, Bild, Film sowie wissenschaftliche Information umfassen sollen, in die Netzsammlung wandern. "Ein freier Zugang ist unser Grundprinzip", betonte Niggemann. "Es soll alles möglichst kostenfrei angeboten werden." Falls Rechteinhaber dagegen seien, könne die Europeana nur Links auf deren möglicherweise online verfügbaren kommerziellen Angebote setzen.

Konkret erarbeiten 84 Partner aus den Bereichen Bibliotheken, audiovisuellen und wissenschaftlichen Archiven und Museen im Projekt EDLnet laut Niggemann gerade eine Zwischenstufe für die geplante digitale Kultursammlung. Dafür sei die EDL-Stiftung in Den Haag gegründet worden, welche die Rechte an dem Vorhaben halte. Darüber hinaus würden fünf Projektanträge im EU-Programm eContentplus laufen, darunter das Programm Accessible Registries of Rights Informaion and Orphan Works (ARROW) zum Aufbau eines Systems zur Rechteklärung. Zu den zu bewältigenden Herausforderungen zähle die Multilingualität, da rund 70 Sprachen eingebunden werden müssten, die digitale Langzeiterhaltung sowie die Herstellung technischer und semantischer Interoperabilität über Metadaten. Weiter werde über Anknüpfungspunkte für nicht-europäische Initiativen nachgedacht.

Weltweit ist der Aufbau virtueller Bibliotheken für diverse Kulturgüter sowie die Umwandlung klassischer Büchereien in moderne Informationszentren in vollem Gange, wie auf der Tagung vor allem auch Abgesandte aus dem asiatischen Raum deutlich machten. Ta Ba Hung, Direktor des National Centre for Scientific and Technological Information (NACESTI) in Vietnam, zählte für sein Land unter anderem Vista (Vietnam Information for Science & Technology Advance) oder das Vietnam Reseach & Education Network. Darüber würden zehn Journale im Netz und als Druckwerke herausgegeben. Zudem habe sich ein Verbund öffentlicher Bibliotheken mit derzeit 40 Mitgliedern und einer nationalen Lizenz für über 15.000 E-Journale zusammengeschlossen.

Als eines der wichtigsten der vom NACESTI betreuten Vorhaben bezeichnete Hung den Aufbau kommunaler Informationszentren, um die Armut in den ländlichen Regionen und den Bergen durch Zugang zum Wissen zu mildern. Im Einklang mit der Budapester Erklärung zur Förderung von "Open Access"-Publikationen, die über das Internet kostenfrei zur Verfügung stehen, hat das NACESTI laut Hung ferner im September 2007 nach längeren Tests das Projekt Vietnam Journals Online (VJOL) gestartet. Es nutze das Open Journal System aus Kanada und werde momentan auch noch dort gehostet. Seit den ersten Gehversuchen im August 2006 seien knapp 300.000 komplette Texte heruntergeladen worden. Die Besucherzahlen halten sich mit rund 1000 Surfern im Monat aber noch im überschaubaren Rahmen, was Hung auch mit der noch unzureichenden Internetversorgung in Vietnam erklärte. (Stefan Krempl) / (vbr)