GDC: Nächste Entwicklungsstufe für Storys und KI in Spielen eingefordert

Grafisch brechen Videospiele immer neue Rekorde, doch in puncto künstliche Intelligenz und interaktive Geschichten hinken sie hinterher. In San Francisco suchen Entwickler Auswege aus der emotionalen Eindimensionalität.

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Die Zeit der großen Keynotes ist vorbei: Kaum eine halbe Stunde blieb Warren Spector für seinen Vortrag, danach plauderte er munter auf dem Flur weiter.

Spielentwickler Warren Spector ist besorgt über die Entwicklung seiner Branche. „Die Mainstream-Presse sieht, dass wir all unsere Energie in aufwendig konstruierte virtuelle Landschaften stecken, doch die Charaktere in diesen Welten bleiben primitiv und flach“, erklärte er auf der Game Developers Conference in San Francisco. Um dies zu ändern, müssten sich Videospiele ihrer eigenen erzählerischen Stärken bewusst werden.

So wie Regisseure erkannt haben, dass Filme nicht in der Ego-Perspektive funktionieren und Handlungsstränge mit Schnitten zusammensetzen, müssen auch interaktive Geschichten die Stärken und Schwächen des Mediums beachten: „Das Prinzip von Schnitt und Gegenschnitt funktioniert im Film, aber nicht im Spiel, weil es den Spieler aus der Immersion reißt“, stellte Spector klar. Ebenso müsse man beim Tempo und Rhythmus eigene Wege gehen: „Im Film kann man Charaktere langsam einführen. In einem Spiel hat man dazu keine Zeit, hier muss der Spieler in 30 Sekunden Spaß haben, sonst langweilt er sich.“

Bei der von Spector favorisierten hybriden Erzählstruktur kommt die Handlung immer wieder auf den Hauptstrang zurück, lässt dem Spieler aber zwischendurch Entscheidungsfreiheiten.

Zwischen einer strikt linearen Erzählweise, in der der Spieler der Handlung wie in einer Achterbahn folgt, und einer Sandkasten-Umgebung wie in Minecraft oder GTA, die dem Spieler große Bewegungsfreiheiten lässt, bevorzugt Spector eine hybride Erzählform, die die Handlung in mehrere Kapitel aufteilt, innerhalb derer der Spieler verschiedene Optionen hat. Solche „Szenen“ böten den Vorteil relativer Handlungsfreiheit und würden trotzdem einer erzählerischen Dramaturgie folgen. Sie seien aber nicht der Weisheit letzter Schluss. „Wir brauchen neue Strukturen“, forderte Spector vor den versammelten Entwicklern, denn die Interaktionen mit computergesteuerten Charakteren hätten sich seit den 90ern nicht geändert.

Doch um den Charakteren mehr Tiefe zu verleihen, seien die KI-Entwickler gefragt. Sie sollten endlich anfangen, nicht nur Strategien zu perfektionieren, wie man sich gegenseitig abschießt, sondern eine Unterhaltung führt.

Viele der neuen Animations-Techniken, die in Assassin's Creed 3 zum Einsatz kamen, fielen der schwachen Rechenleistung der Konsolen zum Opfer. Die nächste Generation erlaube laut Ubisoft deutlich dynamischere Level, bei denen sich die kletternde Figur seiner Umgebung anpasst.

Doch die KI-Entwickler im Seminar-Raum nebenan beschäftigten sich vornehmlich mit der Optimierung von Wegfindung, Kriegstaktiken und der Verknüpfung von prozeduralen Animationen. Es war durchaus interessant, wie Alex Cheng von Firaxis die Faktoren aufzählte, nach denen die Aliens im Strategiespiel „XCOM: Enemy Unknown“ die beste Deckung aussuchen. Auch die Methode, nach der im neu gestarteten Online-Shooter Warframe die Computergegner passend um den Spieler herum neu generiert werden, ist durchaus clever. Auch Ubisoft steckte einen gehörigen Aufwand in die Animationen der Figuren in Assassin's Creed 3, deren prozedural generierten Bewegungen sich an das jeweilige Gelände anpassen, selbst wenn dieses sich dynamisch verändert. Doch ein neuartiges Dialog- oder Erzählsystem wie Spector es forderte, hatte niemand auf Lager.

Weil die Monster zu klein und zu schnell waren, wurden aus den Killer Freaks die langsamen Zombies in Zombi U.

Immerhin erklärten Antony Johnston und Gabrielle Shrager von Ubisoft, wie sie ihr Survival-Horror-Spiel „Zombi U“ umgestalten mussten, damit es als Exklusivtitel für die Wii U dessen Tablet-Bildschirm besser ausnutzen konnte. Das Spiel sollte zunächst "Killer Freaks from Outer Space" heißen und kleine, schnelle gefräßige Monster auf den Spieler hetzen. Doch weil das ständige Hin- und Herblicken zwischen TV- und Tablet-Bildschirm ein langsameres Konzept benötigte, wechselten sie zu langsam schlurfenden Zombies. Doch der eigentliche Kniff in Zombi U war der unausweichliche, permanente Tod der eigenen Spielfigur. „Es gibt keinen Helden-Charakter, der die Geschichte von Anfang bis Ende trägt.“ Deshalb führten sie ein Notizbuch ein, das der Spieler mit seinem neuen Charakter von seinem Vorgänger übernimmt, sowie einen Helfer, der dem Spieler über ein Headset Anweisungen gibt. „Der permanente Tod der eigenen Spielfigur hat den Spielern am meisten zu schaffen gemacht. Aber gerade dies hat ihnen auch am meisten gefallen“, erklärte Shrager. (hag)