Jammie Thomas will Filesharing-Urteil anfechten

Die in einem Aufsehen erregenden Prozess wegen unerlaubter Verbreitung von 24 Musikstücken zu 220.000 US-Dollar Schadensersatz verurteilte Amerikanerin kündigte an, gegen das Urteil in Berufung gehen zu wollen.

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Jammie Thomas geht in Berufung. Die 30-jährige Amerikanerin, die von einem Geschworenengericht in der vergangenen Woche wegen der unerlaubten Verbreitung von 24 Musikstücken zu insgesamt 222.000 US-Dollar Schadensersatz verurteilt worden war, will sich auf dem Rechtsweg weiter gegen die klagenden Labels wehren. Wie Thomas auf ihrer MySpace-Seite mitteilt, hat ihr Anwalt Brian Toder in einem Interview mit CNN angekündigt, gegen das Urteil in Berufung zu gehen.

Nach der Urteilsverkündung am Donnerstag vergangener Woche war zunächst offen geblieben, ob Thomas das Urteil anfechten wird. Dabei dürften die Verurteilte und ihr Anwalt auch abgewogen haben, ob sich eine Berufung negativ auf eine mögliche Einigung mit der Gegenseite bezüglich der ebenfalls fälligen Prozesskosten auswirken könnte. Unterdessen hat die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern ein Paypal-Spendenkonto auf einer Website eingerichtet. Die Spenden sollen an ein von ihrem Anwalt verwaltetes Konto gehen.

In der Berufung will Toder vor allem auf die umstrittene Unterweisung der Jury abheben. Nach der mündlichen Verhandlung hatte der vorsitzende Richter das Dokument für die Geschworenen in einem möglicherweise entscheidenden Punkt zu Gunsten der klagenden Labels abgeändert. Danach wurden die Geschworenen instruiert, dass die Bereithaltung von Musik – zum Beispiel im Shared-Ordner eines Kazaa-Clients – einer Verbreitung im Sinne des US-Gesetzes gleich komme. In den zahlreichen Fällen, die der US-Verband der Musikindustrie (RIAA) gegen mutmaßlich filesharende Bürger vor Gericht gegangen war (ohne dabei bisher ein Verfahren oder Urteil zu riskieren), wurde in dieser strittigen Frage bisher uneinheitlich entschieden.

Die Reaktionen auf das Urteil fallen unterschiedlich aus. Für den Beauftragten der US-Regierung für die internationale Durchsetzung geistigen Eigentums, Chris Israel, belegt das Urteil die Wirksamkeit des US-Copyrights. "Fälle wie dieser zeigen, dass die strikte Verfolgung ein wesentlicher Teil unserer Anstrengungen gegen die Piraterie ist, und dass wir in den Vereinigten Staaten ein effektives Rechtssystem haben, das Rechteinhabern den Schutz ihres geistigen Eigentums ermöglicht", sagte der Regierungsbeamte gegenüber CNet News.

Auch Kritiker des Urteils räumen ein, dass die Indizien in diesem Fall deutlich auf Thomas hinweisen. Doch deute das Urteil auf die Schwäche des US-Copyrights hin, das für solche Fälle keine angemessene Behandlung vorsehe. Das US-Gesetz bevorteile die Interessen der Inhalteindustrie und schränke die faire Nutzung über Gebühr ein. Die von der Jury festgesetzten Summen stünden in keinem Verhältnis zum entstandenen Schaden. Darüber hinaus dürfte sich der Erfolg der RIAA als Pyrrhussieg entpuppen: Eine gewonnene Schlacht, doch der Krieg sei längst nicht mehr zu gewinnen. Ungeachtet dessen will die RIAA die Klagekampagne, die nach Aussagen einer Sony-Managerin im Prozess gegen Thomas "Millionen" verschlingt, weiter an dieser Politik der Abschreckung festhalten.

Abschreckung ist auch ein Teil der Strategie der deutschen Musikindustrie. Doch dürfen die Labels in Deutschland, so sie denn vor Gericht gehen, nicht mit Summen wie in den USA rechnen. "Schadensersatzzahlungen in den USA sind mit deutschen Verhältnissen grundsätzlich nicht vergleichbar", erklärt der Geschäftsführer des frisch getauften Bundesverbands Musikindustrie, Stefan Michalk. "Trotzdem hat das Urteil Signalwirkung über die USA hinaus: Erstens ist Musikdiebstahl kein Kavaliersdelikt und zweitens ist es besser, sich außergerichtlich zu einigen, wenn man erwischt wurde. In Deutschland halten wir an der Strategie fest, dass die Strafen zwar spürbar sein sollen, die Betroffenen aber nicht an den Rand des Ruins treiben." (vbr)