Der liebe Amazon-Rivale

Japans größte Online-Shoppingmall Rakuten will die Einzelhandelswelt mit einem Gegenentwurf zu Amazon erobern. Kleine Geschäfte sollen nicht platt gemacht, sondern gefördert werden.

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Von
  • Martin Kölling

Japans größte Online-Shoppingmall Rakuten will die Einzelhandelswelt mit einem Gegenentwurf zu Amazon erobern. Kleine Geschäfte sollen nicht platt gemacht, sondern gefördert werden.

Hiroshi Mikitani ist ein Querkopf in der Japan AG. Erst hat der Ex-Banker eine Online-Shoppingmall, Rakuten Ichiba, aufgebaut, mit der er nun weltweit Amazon Paroli bieten will. Dann hat er Englisch zur Konzernsprache gemacht. Kürzlich ist der Shootingstar unter Nippons Unternehmern sogar aus dem Unternehmensverband Keidanren ausgetreten, weil der ihm zu blindlings die Interessen der Atomlobby vertrat. Nun hat er als Gegenentwurf Japans Vereinigung der New Economy gegründet, die Mitte des Monats eine "New Economy Summit" veranstalten will, um Japans Wirtschaft zu revolutionieren. Und Internet-Größen aus aller Welt strömen herbei, um ihm dabei zu helfen, darunter Googles Vizepräsident Andy Rubin, der Vater des Handy-Betriebssystems Android, ebenso wie Twitter-Gründer Jack Dorsey und Skype-Mann Niklas Zennström.

Man merkt: Dieser Mann hat Sendungsbewusstsein. Und er hat es in die Gene seiner Firma eingebaut. NatĂĽrlich sei eines der Ziele von Rakuten, Gewinne zu machen, sagt er. "Aber es geht auch um einen gesellschaftlichen Beitrag." Und der besteht in seinem Fall darin, kleinen Firmen mit seiner Mall in der Online-Gesellschaft das Ăśberleben gegen Internet-Kraken wie Amazon zu sichern.

Während Amazon den Verkauf und Vertrieb aller Produkte zu monopolisieren versucht, will Mikitani einen Online-Basar für kleine Unternehmen schaffen. "Modelle wie die von Amazon sind vielleicht effizient, aber kalt", sagt Mikitani, "aber ich denke, Einkaufen sollte eine Erfahrung sein". Er versucht daher, Unternehmen und Käufer in seiner virtuellen Markthalle die Möglichkeit zu geben, Gemeinschaften zu formen. Und rechnen tue sich das für die Kunden auch. Bei Rakuten ließe sich oft billiger einkaufen als bei Amazon, weil kleine, spezialisierte Online-Geschäfte den Riesen oft preislich schlagen könnten. Sagt Mikitani.

Die große Frage ist, welches Modell sich letztlich in diesem jüngsten Einzelhandelskrieg durchsetzen wird. Wird es ein Weltmonopol geben, wie Amazon es sich vielleicht erträumt? Mikitani wenigstens meint: nein. Im Einzelhandel werde es keine 100-prozentige Marktbeherrschung geben, sondern viele Modelle. Große etablierte Ketten mit richtigen Geschäften würden mit ihren Internet-Auftritten stark wachsen, beobachtet er in den USA. Rakuten verbreitet seine Idee des Internet-Basars weltweit und greift mit dem Kauf von Kobo Amazon sogar im E-Buchhandel an. Amazon wird daher nur ein Player sein.

Die Idee ist auch aus einem anderen Grund tröstlich, meint wenigstens Mikitani: Wenn Amazons Eroberungsfeldzug erst einmal an seine Grenzen stößt, setzt sich vielleicht die Erkenntnis durch, dass es beim Geschäftemachen im Internet nicht um Vernichtung der Rivalen gehen sollte, sondern um normalen Wettbewerb. Ich hoffe, dass die Zähmung des Netzes kein frommer Wunsch bleibt, sondern dass sich besser früher als später eine neue Pluralität verfestigt. Doch ich befürchte, dass es länger braucht, bis die derzeitige Phase der Super-Konzentration und -verbilligung enden wird. (bsc)