Ein Internet, frei nach "Mission Impossible"

Alles, was man irgendwo gepostet, getweetet oder kommentiert hat, kann eines Tages auf Wiedervorlage kommen. Mehrere Start-ups haben Apps entwickelt, die sich selbstlöschende Mitteilungen verschicken und den Umgang mit Daten verändern könnten.

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Von
  • Ben Schwan

Es ist eine der Binsenweisheiten des Internetzeitalters: Alles, was man irgendwo gepostet, getweetet oder kommentiert hat, kann eines Tages auf Wiedervorlage kommen – manchmal mit Heulen und Zähneklappern, weil irgendeine Dummheit getippt oder geknipst wurde, bevor der Verstand ein Wörtchen mitreden durfte. Doch das muss so nicht bleiben: Einige Start-ups, allen voran Snapchat, haben Apps entwickelt, deren Mitteilungen sich nach einiger Zeit selbst löschen, berichtet Technology Review in seiner Online-Ausgabe.

"Ein Grund für die Popularität dieser Dienste ist, dass sie zu einer Zeit zurückführen, in der der Kontext eine entscheidende Rolle spielte", sagt Lee Rainie, Direktor des Internet & American Life Project am Pew Research Center. "Man tauscht mit anderen eine Kleinigkeit aus, und dann ist sie schon wieder weg."

Genau das hatten die Stanford-Studenten Evan Spiegel und Bobby Murphy im Sinn, als sie 2011 die kostenlose Snapchat-App schufen. Mit ihr lassen sich Schnappschüsse machen, die ein Empfänger ganze zehn Sekunden anschauen kann. Etwa so viel Zeit, wie dem Agenten in "Mission Impossible" bleibt, bevor sich die Nachricht an ihn selbst zerstört. Mit etwas Geschick kann der Empfänger zwar einen Screenshot machen, doch der Absender wird darüber benachrichtigt.

Der Beliebtheit von Snapchat hat diese Trickserei keinen Abbruch getan. Im Dezember 2012 wurden bereits 50 Millionen Schnappschüsse verschickt, inzwischen sind es schätzungsweise 100 Millionen im Monat. Snapchat wollte auf Anfrage von Technology Review keine Nutzerzahlen nennen. Auf der Beliebtheitsskala der kostenlosen iPhone-Apps liegt das Programm auf Platz 7, bei den kostenlosen Android-Apps auf Platz 20.

Jeremy Liew vom Snapchat-Investor Lightspeed Venture Partners schreibt den Aufstieg der App dem zunehmenden Unbehagen an Diensten wie Facebook, Instagram und Twitter zu. Einige Kritiker monieren indes, Snapchat fördere vor allem die Verbreitung persönlicher Nacktfotos. Liew winkt ab: Die meisten Schnappschüsse würden tagsüber verschickt, da seien derart anstößige Inhalte eher unwahrscheinlich. "Viele Menschen wollen weniger einen Rundfunk-Kanal, der an alle sendet, als vielmehr einen Kanal, auf dem sie persönlicher, rauher und authentischer sein können", sagt Liew.

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(bsc)