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Was war. Was wird.

Ein Eisernes Kreuz! Feuchter Traum nur von kalten und heißen Kriegern! Wer sagt, dass IT-Nerds davon ausgeschlossen sein sollen? So verändern sich die Zeiten, befürchtet Hal Faber.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Vor zwar Jahren flog sie über Japan und sammelte Daten nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima, nun soll sie in Japan landen dürfen. Die Rede ist von der Flugdrohne GlobalHawk, die von Japan aus erkunden soll, was mit Einberufung einer Operationssitzung, endgültige Überprüfung und Unterschreibung gemeint ist. Will Nordkorea neue Konzessionen und humanitäre Angebote vom Ausland oder will Kim Jong-Un seine Macht als röhrender Papiertiger im Inland festigen? Irgendeine Art von Erfolg muss her, doch keiner weiß, wie der aussehen könnte. Vielleicht findet die GlobalHawk einen Hinweis, und sei es den, dass ihre Anwesenheit ein weiterer Affront ist in diesem seltsamen asymmetrischen Krieg der Fehlkalkulationen auf beiden Seiten. Besser jedenfalls als der Durchblick der taz, die einen Text über einen fiktiven Film der nordkoreanischen Propaganda schreibt und auf Kritik mit Zitaten des Querschlägers Henryk M. Broder antwortet, kann es allemal werden.

*** Drohnen sind die Kampfmittel einer postheroischen Gesellschaft, meint Herfried Münkler im Freitag. Sie stellten die Symmetrie wieder her, die durch die asymmetrischen Bedrohungen des Terrorismus geschaffen wurden. So, wie wir prinzipiell hilflos auf Selbstmordattentäter reagieren müssen, müssten Terroristen und Zivilbevölkerung auf die Schläge von oben reagieren. Dass es dafür nun auch noch Orden und Auszeichnungen gibt, hat seine eigene Logik. "Das Heldentum ist nicht mehr an die Gleichverteilung der Tötungschancen (wie bei den Jagdfliegern) gebunden. Das können sich die westlichen Gesellschaften aufgrund ihrer niedrigen Geburtenrate gar nicht mehr leisten. Deshalb zeichnet man Soldaten für Leistung aus, nicht für den Einsatz des eigenen Lebens." Neben dem Drohnenlenker hat auch der Programmierer alle Chancen, sein Eisernes Kreuz zu bekommen, erst recht die rastlosen Techniker und Admins, die die Daten/Kommunikation zur Drohne aufrecht erhalten. Ansonsten heißt es weiterhin Geschäft ist Geschäft, alle Daumen nach oben, die Zeichen stehen auf "Rise". Was übrigens ein hübsches Akronym für Risky Intervention and Surveillance/Maintenance of the Environment ist.

*** Bei Drohnen stellt sich ja nicht nur die Frage, wie man Engel zerstört. Auch unten am Boden, da, wo sich das Internet schlängelt, rumort es gewaltig. Evgeniy Morozov hat wieder einmal zusgeschlagen, mit einem Buch, wie das so seine Art ist. Während die freizügigen Piratinnen Klick mich rufen und amazonisch viele Negativpunkte bekommen, heißt es bei Morozov Click Here (to save everything), und amazonische Begeisterung macht sich breit: "Finally, I thought, our age has its thinker." Prompt wird Morozov von den einen als Hitman der Feuilletons niedergemacht, von den anderen als Augenöffner gelobt, dank dem ein paar Puzzlesteine in die richtigen Löcher fielen. Dabei spielt nicht so sehr das Buch eine Rolle, sondern eine Auskoppelung der Morozov-Studien über den Verleger Tim O'Reilly, den Meme-Hustler. Dieser Text enthält dermaßen viele Fehler, von der Herkunft des Wortes "Open Source" bis zur Verkennung der Wirkung von Dennis Ritchies Buch "The C Programming Language", dass die behauptete Dekonstruierung des Verlegers einfach nicht gelingen will. Dabei ist das Buch schon besser, stellt es doch die Frage, ob das Internet insgesamt nicht eine konservative bis reaktionäre Erfindung ist, die das bestehende System mit all seinen Ungerechtigkeiten festzimmert. Wie immer aber sind die Schnellschnüsse eben das: Schnellschüsse, die den eigentlichen Kern der Debatte nicht treffen. Die intellektuellen Drohnen sind genau so fehlgeleitet wie die physisch bewaffneten. Aber wem erzähle ich das ....

*** Hoffnung aber will nicht sterben: Die Debatte hat möglicherweise eben erst angefangen, nicht nur in Deutschland. Die Nachdenklichen brauchen auch keinen an Daten und Fakten verzweifelnden Morozov bei der einfachen Frage, warum arme Kinder, Ghettokinder eigentlich keine Start-Ups gründen, um aus der Armut herauszukommen. Die Antwort kann nicht Facebook Home sein, die Abgabe aller Lebensdaten unter dem gütigen Schutz von Mark Zuck-Un.

*** Damit ist eigentlich alles zu Facebook Home gesagt. Oder möchte noch jemand etwas zu etwas loswerden, was als die erste offen totalitäre Software in die Geschichte eingehen wird? Apropos Geschichte: Mit dem Projekt Offshore-Leaks hat der viel gepriesene Datenjournalismus der Zukunft ein erstes Zeichen gesetzt, etwa mit einer interaktive Karte, wo deutsche Oasenbauer wohnen. Das Nachsehen hat Wikileaks als Organisation, die immer noch über keine sichere Plattform zur Einreichung verfügt und daher mit den Beständen rechnen muss. Mit einem Teaser zu einem Projekt K will man die verlorene Aufmerksamkeit zurückholen. Außerdem droht man Offshore-Leaks via Twitter. Ob das gut geht? Bis dahin wird man sehen, wie sich Offshore-Leaks gegen die Begehrlichkeiten der Finanzminister in vielen Staaten zur Wehr setzen kann. Lob muss an die ungenannten deutschen Programmierer gehen, auch an die australische Firma Nuix, die kostenlose Lizenzen ihrer Software bereitstellte, für die offenbar kein Geld da war bei all den beteiligten Publikationen. Die Beschreibung der professionellen Qualitäten der 86 zugelassenen Investigativ-Journalisten stimmt allerdings nachdenklich:

"The project team’s attempts to use encrypted e-mail systems such as PGP were abandoned because of complexity and unreliability that slowed down information sharing. Studies have shown that police and government agents – and even terrorists – also struggle to use secure e-mail systems effectively. Other complex cryptographic systems popular with computer hackers were not considered for the same reasons. While many team members had sophisticated computer knowledge and could use such tools well, many more did not."

Verschlüsselung ist so schwierig, dass selbst Polizei, Nachrichtendienste und sogar Terroristen daran scheitern, von armen Journalismus-Hascherln ganz zu schweigen? Das ist eine Aussage, die nachdenklich stimmt. Vielleicht sollte die Telekom mit De-Mail als Sponsor bei Offshore-Leaks auftreten, weil alles per Default sicher ist und das Web-Interface so einfach. Ein Sponsoring in Opposition zur großen Zumwinkelei der Post hätte eine würzige Note, auch als Zeichen gegen wütende Kommentare von Oasen-Experten, die nun den schrecklichen Überwachungsstaat für Superreiche kommen sehen.

Was wird.

Heute vor 86 Jahren wurde in den USA erstmals eine Fernsehübertragung von Washington D.C. nach New York realisiert. Das für sich genommen denkwürdige Ereignis von AT&T landete nur deshalb nicht in den an Ereignissen reichen Annalen des Fernsehens, weil Herbert Hoover seine Eröffnungsansprache vornübergebeugt vom Blatte las und die fest montierte Kamera nur seine wackelnde Stirnglatze übertrug. Immerhin hatte AT&T das festliche Ereignis dokumentiert, anders als Motorola beim ersten Handy-Telefonat vor 40 Jahren. Ähnlich sieht es beim ersten Livestream ins Internet aus. Ob es wirklich TV-Aufzeichnungen davon gibt, als am 22. April 1993 die Version 1.0 des Mosaic-Browsers herauskam? Das Ereignis, das die Welt erschütterte, war ein schlichtes Release in einer Welt, die lieber über den Cyber-Sex räsonnierte, wenn man die IT-Geschichte des Westdeutschen Rundfunks zum Maßstab nimmt.

Was bleibt, ist der Hinweis auf einen anstehenden Livestream am Ende dieser Woche: Im schönen Bielefeld werden wieder einmal die Big Brother Awards verliehen, diesmal mit einer späten Sperrfrist von 20:00. Wer en detail verfolgen will, wie die glücklichen Gewinner der einzelnen Kategorien heißen, ist auf den Livestream der fernsehreifen Gala angewiesen. So soll die Spannung hoch gehalten werden, bis zum letzten Ball. Vielleicht passiert auch hier das Unfassbare, dass Preisträger ihre unredlich verdienten Statuetten für ihre Datenspeicher abholen, ganz ohne irritierende "Lichtreflexe". Wenn den Zuschauern vor Ort oder im Internet das eine oder andere Licht über das allgemeine Datenschnüffeln aufgeht, sollte es reichen. (jk)