Stromspeicher der Zukunft: Akkus in XXL

Große stationäre Batterien zur Stabilisierung des Stromnetzes müssen ganz anderen Anforderungen gerecht werden als die Akkus für Elektroautos oder Laptops. Forscher arbeiten deshalb an völlig anderen Techniken.

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Neue Herstellungsmethoden könnten Lithium-Ionen-Akkus um bis zu 60 Prozent günstiger machen. Damit kommen sie auch zur Stabilisierung des Stromnetzes in Frage, wie das Magazin Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 4/2013 berichtet (am Kiosk oder direkt im Heise Shop zu bestellen).

Mit der schwankenden Einspeisung Erneuerbarer Energien in das Stromnetz wächst auch der Bedarf an Speichern. Doch Großbatterien, die in der Lage sind, die Lastspitzen im Netz auszugleichen, müssen ganz anderen Anforderungen genügen als Akkus für Handys, Laptops oder Elektroautos: „Sie müssen Strom in Leistungen von einigen Kilowatt bis Dutzenden Megawatt speichern, zwanzig, dreißig Jahre halten, und die Materialien dafür müssen billig sein, damit die Speicher bezahlbar sind“, sagt Martin Winter vom Batterieforschungszentrum der Universität Münster.

Wunsch und Wirklichkeit klaffen vorläufig noch weit auseinander. Kein einziges Batteriesystem wurde gezielt für das Speichern von Strom aus Wind oder Sonne entwickelt. Bleiakkus und Lithium-Ionen-Batterien werden zwar auf ihre Tauglichkeit getestet. Aber Erstere überdauern allenfalls fünf Jahre – rund 800 Ladezyklen. Lithium-Ionen-Akkus halten gut doppelt so lange. Sie sind aber sehr teuer.

Um das zu ändern, hat Andreas Gutsch vom Karlsruher Institut für Technologie KIT hat gemeinsam mit seinen Mitarbeitern eine Forschungsfabrik für Batterien errichtet. Im Rahmen des Projekts E-Competence arbeiten sie beispielsweise daran, die Elektroden schneller herzustellen. Diese werden in langen Stäben gefertigt – 15 bis 30 Meter sind derzeit pro Minute üblich. „Im Labor erreichen wir schon 100 Meter pro Minute“, so Gutsch. Dazu hat sein Team das Backen und Trocknen der Elektroden beschleunigt. Die noch rohen Elektrodenstäbe werden dann geschnitten, zu Platten gewalzt und in einer Zelle gestapelt. „Für jeden Schritt gibt es in der landläufigen Produktion eine eigene Maschine“, schildert Gutsch. „Wir bündeln diese Prozesse in einer einzigen neuen Maschine.“ Mit solchen Verbesserungen will er die Investitionskosten halbieren und die Herstellungskosten um 60 Prozent senken.

Weitere aussichstreiche Kandidaten für den Stromspeicher der Zukunft sind Metall-Luft-Batterien sowie Redox-Flow-Akkus. Erstere sind besonders kompakt und leistungsstark, aber technisch schwer zu beherrschen. Redox-Flow-Batterien hingegen verlassen bereits das experimentelle Stadium.

Das japanische Unternehmen Sumitomo Electric hat im vergangenen Jahr einen haushohen Speicher an einen Solarpark auf dem firmeneigenen Gelände in Yokohama angeschlossen. Eigenen Angaben zufolge handelt es sich um die weltgrößte Redox-Flow-Batterie. In fünf Stunden nimmt sie ein Megawatt Strom auf. Die österreichische Firma Cellstrom vermarktet als einziges europäisches Unternehmen ebenfalls entsprechende Batterien. Sie gleichen Wohncontainern mit vier mal zwei Metern Länge. Jeder dieser Blöcke bunkert bis zu 100 Kilowattstunden Sonnen- oder Windstrom. Das Unternehmen hat rund 25 Systeme weltweit verkauft, etliche davon nach Deutschland. Die Zellen haben zudem eine Lebensdauer von über 10.000 Ladezyklen und sind damit viel langlebiger als Lithium- und Bleisysteme. Allerdings haben Redox-Flow-Zellen eine relativ geringe Energiedichte und sind noch zu teuer für den Massenmarkt.

Seit September 2012 arbeitet der Chemiker Simon Ressel von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg mit anderen Forschern daran, einige der bisherigen Mängel zu beheben. Das Vanadiumsalz des Pluspols ersetzt Ressels Team durch ein Gemisch aus Luft und Wasser, das aus der Umgebung angesaugt wird. Dadurch verdoppelt sich die Energiedichte. Chemiker um Julien Bachmann von der Universität Nürnberg-Erlangen stellen zudem röhrenförmige Grafitelektroden mit Poren von wenigen 100 Nanometern Durchmesser her. Bisher sind die Elektroden in der Redox-Flow-Batterie stets plattenförmig. Durch die röhrenförmige Bauweise vergrößert sich die Oberfläche. Die Leistungsdichte sollte so um den Faktor zehn steigen, haben die Wissenschaftler ermittelt. Ressel rechnet fest damit, dass bald jedes Haus mit Photovoltaikanlage über eine Redox-Flow-Batterie im Keller verfügt.

Gutsch relativiert jedoch: „Die großen Einstiegsmärkte liegen in Russland und Indien.“ Dort fällt ständig der Strom aus, und Elektrizität aus Dieselgeneratoren ist teuer. Deshalb lohnen sich Batteriespeicher in diesen Ländern schon heute, um die Ausfälle zu überbrücken. Gutsch ist sich sicher: „Die Technik wird in Deutschland mit entwickelt, aber zunächst für das Ausland.“

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(grh)