Musikkomponisten gegen EU-Auflagen fĂĽr Rechteverwerter
Eine prominent besetzte Abordnung des Verbands der Komponisten hat sich bei EU-Kommissionspräsident Barroso gegen den drohenden Eingriff Brüssels in das System der Rechteverwerter ausgesprochen.
Eine Abordnung des Dachverbandes europäischer Komponisten und Texter (European Composer & Songwriter Alliance, ECSA) hat sich bei einem Treffen mit Vertretern der EU-Kommission am gestrigen Donnerstag in Brüssel gegen drohende Kartellauflagen für die europäischen Rechteverwertungsgesellschaften ausgesprochen. Die Komponisten appellierten an Kommissionspräsident José Manuel Barroso, bei der von Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes geführten Untersuchung "eine Pause zu machen" und nach einer einvernehmlichen Lösung mit den Kulturschaffenden zu suchen. Andernfalls drohe zahlreichen Autoren und kleinen Unternehmen das wirtschaftliche Aus.
(Bild:Â ECSA)
In einer anschließenden Pressekonferenz gaben sich die ECSA-Vertreter – darunter Filmkomponist David Ferguson und Bee Gee Robin Gibb – kämpferisch. "Wenn wir den Krieg erklären müssen, werden wir das machen", stellte Ferguson fest. Die Komponisten fürchten, dass die Kommission nach dem bevorstehenden Abschluss einer wettbewerbsrechtlichen Prüfung der Verwertungsgesellschaften ernste Konsequenzen zieht und den Rechteverwertern Auflagen erteilt. "Wir glauben, dass die Strategie der Kommissionspolitik zu einem dauerhaften Schaden für uns alle in Europa – sowohl kulturell, sozial als auch ökonomisch – führen wird", heißt es in einem von zahlreichen Prominenten unterzeichneten offenen Brief der Komponisten an Barroso.
Die EU-Kommission hatte im Februar 2006 ein Wettbewerbsverfahren gegen den internationalen Dachverband der Verwerter (CISAC) – deren Präsident Gibb ist – sowie die nationalen europäischen Verwertungsgesellschaften – darunter die deutsche GEMA – eingeleitet. Brüssel überprüft, ob bestimmte Klauseln in den Verwertungsverträgen und den bilateralen Abkommen der Gesellschaften gegen EU-Recht verstoßen. Die EU-Kommission zielt dabei auf die restriktiven Regeln des europäischen Verwertungssystems und will für mehr Wettbewerb auf dem Rechtemarkt sorgen sowie die Verfügbarkeit paneuropäischer Lizenzen fördern. Die offizielle Untersuchung könne noch im Juli abgeschlossen werden, sagte ein Sprecher der Wettbewerbskommissarin.
Urheber können derzeit immer nur die jeweils zuständigen nationalen Gesellschaften mit der Verwertung ihrer Rechte beauftragen. Diese Nutzungsrechte können dann nicht mit EU-weiter Gültigkeit erworben werden, sondern müssen für jedes einzelne Territorium bei der zuständigen nationalen Verwertungsgesellschaft eingekauft werden. Diese Regelungen und die bilateralen Abkommen der Verwertungsgesellschaften führen nach Ansicht der Kommission zu einer Monopolstellung der Verwerter, die gegen EU-Wettbewerbsrecht verstoße.
Das wird vor allem von den Online-Musikvertrieben bemängelt, die international agieren und mühsam Einzellizenzen für die von ihnen bedienten Länder erwerben müssen. Die von der EU-Kommission als "CISAC-Fall" geführte Untersuchung gründet sich auf Beschwerden des Anbieters Music Choice aus dem Jahr 2003 und der Fernsehgruppe RTL aus dem Jahr 2000. Auch ein von der CISAC im März 2007 vorgelegter Kompromissvorschlag fiel auf wenig fruchtbaren Boden und konnte die Einleitung des Verfahrens nicht mehr verhindern.
"Das Wettbewerbskommissariat betrachtet Wettbewerb als die einzige Lösung für jedes Problem", erklären die Komponisten und warnen vor einem Kollaps des Systems. Sie fürchten, dass vor allem kleinere Verwerter und kulturelle Nischen vernichtet werden könnten. Die von der EU erwogenen Maßnahmen würden zu Einkommensverlusten bei den Kulturschaffenden führen. Zudem würde der Markt eher noch mehr fragmentiert und der Zugriff der Öffentlichkeit auf Kulturprodukte erschwert. "Der wahre Verlierer wird wahrscheinlich der Verbraucher sein", bemerkte Ferguson. Dem widerspricht Brüssel, das mit einem möglichen Eingriff gerade die breitere Verfügbarkeit der Repertoires und bessere Einkommensmöglichkeiten für Urheber schaffen will.
Im Juni hatte sich GEMA-Chef Harald Heker gegen die Brüsseler Pläne gestellt. Er forderte eine Richtlinie, mit der "die Rechte der Urheber gewahrt werden". Heker warnte, das kartellrechtliche Einschreiten der Kommission wäre "dramatisch für die Urheber in der Musikbranche". Die GEMA hat für die paneuropäische Lizenzierung zusammen mit ihrer britischen Schwester MCPS-PRS den Central European Licensing and Administration Service (CELAS) aufgebaut. Darüber hinaus übernimmt die deutsche Verwertungsgesellschaft die europaweite Lizenzierung des englischsprachigen Repertoires von Sony/ATV Music Publishing. In die Branche ist also etwas Bewegung gekommen, doch sind sich die Verwerter selbst über eine gemeinsame Richtung noch nicht ganz einig.
Allerdings ist der Ansatz der Kommission auch in Brüssel nicht unumstritten. Eine Empfehlung der Kommission zur Rechteverwertung im Online-Zeitalter war im Parlament auf Kritik gestoßen. Unterstützung bekommen die Kulturschaffenden auch aus dem Deutschen Bundestag. Der Kulturausschuss hatte eine an die EU-Kommission gerichtete Entschließung verabschiedet, wonach die Brüsseler Behörde das gegenwärtige System der Rechtewahrnehmung stärker stützen solle. (vbr)