EU will mehr Einfluss bei Internetverwaltung

Zwar sollten die Staaten nicht in die operativen Bereiche der Internetverwaltung hineinregieren, doch fordert die EU-Kommission in einem Strategiepapier neben mehr Transparenz auch mehr politischen Einfluss auf eine reformierte ICANN.

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Die EU-Kommission hat sich in einer Mitteilung an EU-Parlament und Ministerrat für mehr Tranparenz und Unabhängigkeit der Internetverwaltung ausgesprochen, aber auch für mehr politische Kontrolle. Angesichts der Bedeutung des globalen Netzes als "kritische Ressource" für das alltägliche Leben und die Wirtschaft in der Europäischen Union habe die Internetverwaltung "zentrale politische Priorität", heißt es in dem am Donnerstag in Brüssel veröffentlichten Papier (PDF-Datei). Von den weltweit rund 1,5 Milliarden Internetnutzern seien rund 300 Millionen in den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Die Kommission will Aufbau und Betrieb der Netzinfrastruktur weiter in den Händen der Privatwirtschaft lassen, fordert aber mehr Transparenz und politische Kontrolle der Internetverwaltung. Die wird bisher von der US-Organisation Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) übernommen, die nur der US-Regierung rechenschaftspflichtig ist. ICANN agiert auf Basis einer Betriebsvereinbarung mit dem US-Handelsministerium, die im September ausläuft. Die EU-Kommission sieht hier eine Chance, die ICANN auf eine neue rechtliche Grundlage zu stellen.

Dabei solle ein künftiges Regelwerk für die Internetverwaltung "die Schlüsselrolle widerspiegeln, die das globale Netz mittlerweile für alle Länder spielt", heißt es aus Brüssel. Da diese Rolle immer gewichtiger werde, käme es für die Staaten "nicht in Betracht", sich "weiterhin im Hintergrund zu halten". Die Länder sollten allerdings nicht in den laufenden Betrieb hineinregieren, sich aber "mit politischen Grundsatzfragen befassen".

Die offene Struktur der Internetarchitektur müsse erhalten bleiben, heißt es in dem Kommissions-Papier. Das sollen multilaterale Prozesse garantieren, in welche die Regierungen aller Länder einbezogen werden. Brüssel bemängelt, dass im ICANN-Beratungsausschuss der Regierungen bisher noch nicht alle Staaten vertreten sind. Die Internetverwaltung selbst solle den Regierungen der Länder künftig Rechenschaft über ihre Tätigkeit ablegen müssen.

Mit dem Papier will die Kommission nun den internationalen Dialog über die künftige zwischenstaatliche Zusammenarbeit bei der Internetverwaltung anregen. Dabei geht vor allem an die Adresse der USA die Forderung, die ICANN in die Unabhängigkeit zu entlassen. "Ich rufe die Vereinigten Staaten auf, mit der Europäischen Union zusammenzuarbeiten, um dieses Ziel zu erreichen", bekräftigte Medienkommissarin Viviane Reding am Donnerstag in Brüssel.

Reding hatte sich ursprünglich für eine weitestgehende Unabhängigkeit der Internetverwaltung ausgesprochen. Die EU-Kommisarin für Informationsgesellschaft und Medien hatte einen Zwölfer-Regierungsrat vorgeschlagen, der sich zu Fragen der Internet-Governance austauschen und der ICANN "Empfehlungen" geben sollte. Das war bei Regierungsvertretern auf wenig Gegenliebe gestoßen. Die fürchteten dabei offenbar nicht nur diplomatische Verstimmungen im Verhältnis zu den USA, sondern auch Einflussverlust. Im April hatte sich Deutschland für mehr Einfluss der Regierungen eingesetzt. (vbr)