Neue Hinweise auf NSA-Lauschprogramm schon vor dem 11.9.

Der ehemalige Qwest-CEO behauptet, die NSA habe Aufträge zurückgezogen, weil er sich weigerte, Kundendaten für das heimliche und ohne richterliche Genehmigung ausgeführte Lauschprogramm zu liefern.

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Von
  • Florian Rötzer

Das Weiße Haus übt großen Druck auf den Kongress aus, den bislang nur ein halbes Jahr gültigen [:http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25915/1.html Protect America Act] ohne Auflagen und mit einer Straffreiheit für Unternehmen, die dem Geheimdienst NSA die Verbindungsdaten ihrer Kunden übergeben haben, zu verlängern. So hat beispielsweise die Electronic Frontier Foundation (EFF) eine Klage gegen die Telefongesellschaft AT&T wegen angeblicher Verletzung von Datenschutzgesetzen eingereicht.

Angeblich wurde das NSA-Programm, mit dem ohne richterliche Genehmigung Telefongespräche und die Internetkommunikation von den USA ins Ausland abgehört wurden, erst 2002, nach den Anschlägen vom 11.9., begonnen. US-Präsident Bush hatte dazu eine Anordnung erlassen, wie das Weiße Haus nach der Aufdeckung des Programms Ende 2005 erklärte, und das Lauschprogramm mit den Terroranschlägen begründet. Das allerdings könnte eine Täuschung der Öffentlichkeit sein, denn womöglich hat die Bush-Regierung die Lauschaktivitäten der NSA, auch zuständig für das Echelon-Programm, schon kurz nach der Wahl und lange vor den Terroranschlägen unter Umgehung des Kongresses und der Gerichte erweitert, wie u.a. die Washington Post berichtet.

Die für das Weiße Haus höchst unangenehme Information kam im Laufe eines Prozesses gegen den ehemaligen Chef des Telekommunikationsunternehmens Qwest Communications International auf. Joseph Nacchio wurde zu sechs Jahren Gefängnisstrafe wegen Insider-Handels mit den Aktien von Qwest verurteilt. Er hatte sich, wie jetzt bekannt wurde, vergeblich mit der Behauptung verteidigt, er sei von besseren Geschäften im Jahr 2001 ausgegangen, wenn die NSA nicht Aufträge im Rahmen des groß angelegten Groundbreaker-Projekts unerwartet zurückgezogen hätte. Das Weiße Haus und andere Behörden weigern sich, dazu Aussagen zu machen, weil die NSA-Aktivitäten geheim seien oder man nicht in ein laufendes Verfahren eingreifen will. Nacchio hat Berufung gegen seine Verurteilung eingereicht.

Im Februar 2001 hatte sich Nacchio angeblich mit NSA-Mitarbeitern in der Zentrale des Geheimdienstes getroffen, um über das Groundbreaker-Outsourcing-Projekt, mit dem große Teile der Arbeit des Geheimdienstes an Privatunternehmen vergeben wurden, zu sprechen, das geht aus massiv geschwärzten Dokumenten hervor. Dabei habe man noch über ein anderes Thema gesprochen, der Inhalt wurde im Dokument allerdings geschwärzt. Die Verteidigung kritisiert, dass das Gericht diese Aussage nicht zulässt. Naccio behauptet, so heißt es dort, dass seiner Ansicht nach die NSA ihn mit Entzug der Aufträge bestrafte, weil er sich geweigert habe, an etwas mitzuwirken.

Auch wenn dies in den Dokumenten geschwärzt ist, so hatte schon USA Today in einem Artikel 2006 berichtet, dass sich Qwest als einziges Telekommunikationsunternehmen geweigert hatte, der NSA die Kommunikationsdaten seiner Kunden ohne gerichtliche Anordnung zu überlassen. Nacchios Verteidiger hatte daraufhin mitgeteilt, dass dieser nachgefragt habe, ob es für den Transfer eine richterliche Genehmigung gibt. Als sich herausstellte, dass auch das hinter verschlossenen Türen entscheidende FISA-Gericht keine Genehmigung erteilt hatte, habe er sich dem Ersuchen der NSA verweigert, da dies die Datenschutzbestimmungen des Telekommunikationsgesetzes verletze. Wired weist auf weitere mögliche Indizien dafür hin, dass das NSA-Lauschprogramm schon vor dem 11.9. begonnen wurde. So hatte auch ein AT&T-Mitarbeiter berichtet, dass die NSA Anfang 2001 an das Unternehmen herangetreten sei und um Hilfe bei der Überwachung von Telefonverbindungen ersucht habe. (fr)