Urteil zur Anti-Terror-Datei: Zentrale Frage ungelöst

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und die Deutsche Polizeigewerkschaft haben erleichtert auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts reagiert. Bürgerrechtler sind enttäuscht.

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Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) haben erleichtert auf die lange erwartete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur 2007 eingerichteten Anti-Terror-Datei (ATD) reagiert. "Ich glaube, dass wir insgesamt sehr froh sei können, dass die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes bestätigt worden ist", erklärte der Chef des Innenressorts. Die von Karlsruhe geforderten Nachbesserungen würden nun sorgfältig geprüft und umgesetzt. Er sei sich darüber im Klaren, dass die nötigen Einschränkungen auch auf die im vergangenen Jahr nach ATD-Vorbild aufgebaute Rechtsextremismus-Datei übertragen werden müssten.

Laut dem DPolG-Vorsitzenden Rainer Wendt hat das Gericht klargestellt, "dass der Staat sich nicht künstlich dumm und unwissend machen muss". Er dürfe rechtmäßig erlangte Informationen auch verknüpfen "und im Kampf gegen die Feinde unseres freiheitlichen Staatswesens nutzen". Zum Ausbau der Analysekompetenz müssten den Sicherheitsbehörden jetzt aber auch "die erforderlichen Softwarelösungen zur Verfügung gestellt werden", um die Anlage von "Datenfriedhöfen" zu vermeiden.

Karlsruhe hat das ATD-Gesetz prinzipiell für verfassungskonform erklärt, einige Normen darin aber kassiert. Für Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) haben die Richter so "das informationelle Trennungsprinzip den Ausnahmecharakter des Austausches von Daten zwischen Polizeien und Diensten betont". Auch im Zeichen der Terrorbekämpfung dürfe es keine automatische Vermengung deren Tätigkeiten geben. Allein die Tatsache, dass in der Verbunddatei bereits rund 18.000 Personen erfasst seien, zeige die Notwendigkeit "rechtsstaatlicher Korrekturen" auf. Die Innenexpertin der Liberalen im Bundestag, Gisela Piltz, ergänzte, dass mit der Ansage "die ständigen Wünsche nach weiteren gemeinsamen Dateien verfassungsrechtlich keinen Rückhalt finden können".

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sprach von einem Urteil mit "weitreichenden Folgen". Sie beträfen nicht nur die Anti-Terror-Datei, sondern auch "zahlreiche weitere Sicherheitsgesetze und die zukünftige Arbeit der Sicherheitsbehörden". Einschlägige Überwachungsvorschriften müssten nun "insgesamt genau" geprüft werden, da ein Informationsaustausch "nur ausnahmsweise und mit besonderer Rechtfertigung zulässig" sei. Die Datenschutzbeauftragten seien "mit entsprechenden wirksamen Befugnissen" auszustatten, um der von Karlsruhe geforderten Transparenzverpflichtung bei der ATD nachkommen zu können.

Die Humanistische Union zeigte sich dagegen "trotz der umfangreichen Kritik an den verfassungswidrigen Regelungen" und an der "langen Liste handwerklicher Fehler" in dem Gesetz von dem Beschluss enttäuscht. So seien die Richter der zentralen Frage ausgewichen, wie Informationen von Ermittlern und Spionen angesichts deren unterschiedlichen operativen Aufgaben in einer gemeinsamen Zentraldatei verbunden werden könnten. Für die Bürgerrechtsorganisation führt dies zwangsweise zu "rechtsstaatlich fragwürdigen Datenübermittlungen und Befugniserweiterungen". Karlsruhe habe es versäumt, das Trennungsgebot "auf der informationellen Ebene" konkret umzusetzen.

Aus entgegengesetztem Blickwinkel kritisiert der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) den Richterspruch. Für ihn wird damit "die Diskrepanz zwischen sicherheitspolitisch gebotenen Maßnahmen und dem rechtlich Haltbaren für die Sicherheitsbehörden zunehmend unkalkulierbar". Beim Informationstransfer werde deutlich, wie wenig von dem, was die Politik vordergründig etwa im NSU-Fall wolle, am Ende auch umgesetzt werde. Der BDK spielt damit etwa darauf an, dass dem Bundesverfassungsgericht der Kreis der in der ATD erfassten "Kontaktpersonen" zu weit erschien, während Schwächen beim Abstecken dieses Kreises den Ermittlern beim Aufklären neonazistischer Strukturen "permanent um die Ohren" flögen. (jk)