Medienforum: Braucht eine Demokratie Zeitungen?

Auf dem Medienforum NRW diskutierte die Branche am Dienstag einmal mehr über die Zukunft der Zeitung. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) beklagte eine Verdrängung des Politischen zugunsten der Unterhaltung.

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Von
  • dpa

Wäre der Tod der Zeitung eine Gefahr für die Demokratie? Weil die Bürger dann bloß noch Unterhaltungsprogramme im Fernsehen anschauen und sich im Internet nur solche Seiten angucken, die ihre vorgefassten Meinungen bestätigen? Diese Frage beschäftigte am heutigen Dienstag das Medienforum NRW in Köln.

Zu denen, die sich Sorgen machen, gehört Bundestagspräsident Norbert Lammert. "Der typische Internetnutzer fragt Sachverhalte nach, an denen er ein ausdrückliches Interesse hat", sagte der CDU-Politiker in einer pointierten Rede. "Der tägliche Nutzer einer Tageszeitung reklamiert kein spezifisches Informationsbedürfnis, sondern erwartet ein Informationsangebot." Er lässt sich darauf ein, was andere für wichtig halten, er will sich überraschen lassen. Deshalb, sagt Lammert, erweitert eine gute Zeitung den Horizont.

Bei den elektronischen Medien einschließlich des Internets beklagt er eine Verdrängung des Politischen zugunsten der Unterhaltung. Eine Entwicklung, die auch auf die Zeitungen durchschlage: Schnelligkeit sei zunehmend wichtiger als Sorgfalt, und die alte Grundregel, wonach jede Meldung mindestens zwei Quellen haben müsse, gelte offenbar auch nicht mehr. Die Folge: verheerender Qualitätsverlust.

Am Montag hatte bereits Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) vor reinem Häppchen-Journalismus gewarnt und eine Lobrede auf die klassische Zeitung gehalten. Die Reaktionen in Internetforen fielen relativ eindeutig aus – Tenor: Alles sentimentales Gerede, das Netz ist im Gegenteil demokratischer als die Zeitung, weil sich die Nutzer da viel stärker einbringen können.

"Und vor allem herrscht da noch echte Meinungsfreiheit, fernab der alltäglichen wirtschaftlichen und politischen Kungeleien, die bei den Zeitungen an der Tagesordnung sind", schrieb ein Nutzer. "Wenn das für die 'Meinungsbildung in einer Demokratie unverzichtbar' ist, ist es um die Demokratie leider sehr schlecht bestellt."

Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sorgt sich indessen nicht um die Nutzer der Nachrichten-Websites, sondern um jenes Drittel der Bevölkerung, das "in einem Slalom jedes politische Informationsangebot zu umgehen" weiß. Das sei die echte Gefahr für die Demokratie.

Im übrigen ist das Ende der Zeitung noch lange nicht für jeden beschlossene Sache – nur dass sie sich ändern muss, das war in Köln weitgehend Konsens. Michael Spreng, ehemals Zeitungschefredakteur, jetzt Blogger und Wahlkampfberater, gab der Süddeutschen Zeitung den Rat, die große Hintergrundgeschichte von Seite 3 auf die Titelseite vorzuziehen und den Kommentar als Kasten darunterzustellen. Das Nachrichtengeschäft sollten die Zeitungen getrost dem Internet überlassen, dann würden sich beide Medien nicht mehr Konkurrenz machen. "Und dann wäre ich auch bereit, drei Euro (für die Zeitung) zu bezahlen." (Christoph Driessen, dpa) / (vbr)