Kulturstaatsminister will Zweiklassen-Netz verhindern

Bernd Neumann, Staatsminister für Kultur und Medien, hat auf der CDU Media Night für die Netzneutralität als "Garant für mediale Vielfalt und journalistische Chancengleichheit" geworben. TV-Sender forderten eine ganz neue Regulierung.

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Bernd Neumann, Staatsminister für Kultur und Medien, hat auf der CDU Media Night am Dienstag in Berlin für die Netzneutralität als "Garant für mediale Vielfalt und journalistische Chancengleichheit" geworben. Der Christdemokrat kritisierte daher die Ankündigung der Deutschen Telekom, künftig nach Erreichen eines bestimmten monatlichen Datenvolumens die Übertragungsgeschwindigkeit zu drosseln. Das könne zu "massiven Verzerrungen im Wettbewerb der Inhalteanbieter führen".

Bernd Neumann, Anke Schäferkordt und Angela Merkel.

(Bild: Stefan Krempl)

Netzbetreiber stellten zunehmend nicht mehr nur ihren Transportweg zur Verfügung, sondern auch Inhalte, führte Neumann aus. Daher seien sie "natürlich in der Versuchung, diese privilegiert weiterzugeben". Die Telekom hat bereits deutlich gemacht, dass ihr TV-Dienst Entertain nicht unter die geplante Volumengrenze fallen solle.

Als einen ersten wichtigen Schritt zur Wahrung des offenen Internets nannte der CDU-Politiker mehr Transparenz in den Vertragsbedingungen. Sollte dies nicht ausreichen, um die Netzneutralität zu sichern, müssten zusätzliche Schritte erwogen werden. Seit der jüngsten Novelle des Telekommunikationsgesetzes habe auch die Bundesregierung das rechtliche Rüstzeug, durch eine Verordnung Mindestanforderungen an die Dienstequalität im Internet festzulegen. Klar sei, dass es "keine Klassengesellschaft im Netz geben darf".

Flatrate-Kappung und Netzneutralität

Seit dem 2. Mai sieht die Telekom Volumengrenzen für ihre Internet-Flatrates vor. Begründung: Das Datenvolumen steigt, der Ausbau der Netze kostet Geld, nur wenige User erzeugten einen großen Anteil am Traffic. Kritik wurde schnell laut: Die Backbones hätten bei weitem genug Kapazität auch für steigende Datenvolumen. Und die Telekom bevorzuge eigene Angebote wie den IPTV-Dienst Entertain oder von Partnern wie Spotify. Die Telekom zielt mit dem Übergang zu Next Generation Networks (NGN) darauf ab, aus dem "Best-Effort"-Internet eine Ansammlung von "Managed Services" zu machen, die ihr Kontrolle und Monetarisierung ermöglichen.

"Die Netzneutralität brauchen wir, damit die Bürger überall in dieser Republik freien Zugang zu Inhalten haben", ergänzte die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Um sie zu gewährleisten müssten zunächst bestehende Lücken in der Breitbandversorgung geschlossen werden. Auch Michael Kretschmer, Vorsitzender des Arbeitskreises Netzpolitik der CDU, wollte die Telekom nicht aus ihrer Pflicht entlassen: Der Bonner Konzern habe am meisten von der Privatisierung staatlicher Netzinfrastrukturen profitiert, sodass ihm nun eine besondere Verantwortung für das offene Internet zukomme.

Es dürfe nicht angehen, dass die Telekom für Entertain "die schnelle Spur" freihalte, während andere Senderangebote gleichsam auf den Standstreifen verbannt würden, befand auch Conrad Albert, Rechtsvorstand von ProSiebenSat.1. Er forderte "faire Wettbewerbsbedingungen für alle Anbieter audiovisueller Medien". Diese schlössen etwa auch die Frage ein, warum Rundfunkanbieter noch immer eine Lizenz beantragen müssten, während dies für Telemediendienste wie YouTube nicht gelte. Zudem dürfe die Google-Tochter zielgerichtete Werbung heruntergebrochen auf den einzelnen Straßenzug vermitteln, was den klassischen Medien nicht gestattet werde.

Anke Schäferkordt, Geschäftsführerin der Mediengruppe RTL Deutschland, beklagte ebenfalls eine Ungleichbehandlung in längst verschmolzenen Übertragungswege für Medien. So dürfe etwa der zum Konzern gehörende Sender n-tv Nachrichten nicht durch Werbung unterbrechen, während ein Online-Newsdienst Reklame sogar ins Bewegtbild einbauen könne. Schäferkordt empfahl daher dem Gesetzgeber, die Regulierung "komplett neu aufzusetzen". Zudem müsse die Politik das Urheberrecht "wirklich ernst nehmen" und "sich nicht bange machen lassen, wenn es so ein bisschen Widerstand von der sogenannten Netzgemeinde gibt". Diese spiegele nicht die deutsche gesellschaftliche Realität wider.

"Spannungen in alle Richtungen zwischen Medienanbietern" machte Bundeskanzlerin Angela Merkel aus. Sie räumte ein, dass die Koalition bei der Urheberrechtsreform "noch nicht ganz ans Ziel gekommen" sei. Es müsse garantiert sein, "dass man mit Kreativität etwas verdienen kann". Insgesamt brauche die Demokratie Medien mit Qualitätsanspruch. Diese litten derzeit aber "durch den globalen Informationsdschungel".

Für Google unterstrich dessen Justiziar für Nord- und Zentraleuropa, Arnd Haller, dass er beim Jugend- und Datenschutz ganz genauso reguliert sei wie traditionelle Medienhäuser. Diese machten zudem längst einen Großteil ihres Umsatzes im digitalen Bereich, sodass sie in der politischen Rahmensetzung "Scheindebatten der Vergangenheit" führten. Bei Rundfunklizenzen und der Werberegulierung könne man aber tatsächlich darüber diskutieren, ob die damit verfolgten Ziele noch die richtigen seien. Im Streit über die Netzneutralität konnte Haller nach eigenen Angaben nur "sibyllinische Sätze" beisteuern. So müssten angebotene Inhalte Nutzer möglichst schnell erreichen und es dürfe "keine Bremse für das Internet als solche" geben. Zugangsanbieter hätten zudem dafür zu sorgen, dass Wettbewerb stattfinde und er den Kunden zugute komme. (anw)