Prozess-Auftakt gegen Whistleblower Bradley Manning

In den USA hat die Hauptverhandlung gegen Bradley Manning begonnen. Er soll Geheimnisse in die Hände des Feindes gespielt haben. Der Prozess gilt als der wichtigste der Regierung Obama in ihrem harten Kurs gegen Whistleblower.

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Von
  • Detlef Borchers

Vor dem US-Militärgericht in Fort Meade hat die Hauptverhandlung im Fall des Obergefreiten Bradley Manning begonnen. Ihm wird vorgeworfen, systematisch geheime Informationen gesammelt und über das Internet verbreitet zu haben. Die Verhandlung soll zwölf Wochen dauern und gilt bereits jetzt als der wichtigste Prozess der Regierung Obama, die einen harten Kurs gegen Whistleblower eingeschlagen hat.

Zum Auftakt der Verhandlung erklärte Chefankläger Captain Joe Morrow, dass es in dem Verfahren nicht um einen Zivilisten gehe, der die Bürger des Landes durch Whistleblowing aufklären wolle. Vielmehr sei die Tat eines Soldaten zu verhandeln, der Geheimnisverrat über das Internet begangen und wichtige Informationen in die Hände des Feindes gespielt habe. Morrow verwies dabei auf die von Wikileaks veröffentlichten Dokumente zum Afghanistan-Krieg, die von Osama bin Laden angefordert und ausgewertet worden seien.

Bei der Veröffentlichung des heute als "Collateral Murder" bekannten Videos vom Irak-Krieg habe Manning direkt beim Editieren des Videos geholfen, meinte der Ankläger. Er zitierte ausführlich aus dem Internet-Chat zwischen Manning und dem FBI-Informanten Adrian Lamo. Zudem zeigte der Ankläger Screenshots der von Wikileaks im Jahre 2009 veröffentlichten Liste Most Wanted, auf der US-Dokumente eine zentrale Rolle spielen. Morrow betonte, dass Manning sich durchaus der Schwere seiner Tat bewusst gewesen sei, schließlich habe er zuvor nachweislich die geheimen Warnungen der CIA über Wikileaks gelesen und zahlreiche technische Mittel wie Verschlüsselung und Anonymisierung eingesetzt, um seine Tat zu verschleiern.

Als Verteidiger sprach anschließend der Rechtsanwalt David Coombs. Er schilderte, wie Bradley Manning in einem Konvoi der US-Armee im Irak erlebte, wie ein Wagen mit fünf irakischen Zivilisten auf eine Mine fuhr und explodierte. Während die Soldaten des Konvois feierten, dass sie nicht betroffen waren, blieb Manning das Lachen im Halse stecken. Manning sei nicht der typische Soldat gewesen, sondern ein junger, naiver Mann mit starken humanistischen Ideen, der zudem mit sich selbst einen heftigen Kampf über seine sexuelle Identität ausfechten musste.

Coombs bestritt, dass Manning sich nach der Wikileaks-Liste gerichtet habe. Vielmehr habe er bewusst alltägliche Berichte aus dem Irak und Afghanistan ausgewählt, damit die US-amerikanische Öffentlichkeit lernen könne, wie der Kriegsalltag aussieht, in dem Menschenleben so wenig wert seien. Manning habe daran geglaubt, mit seinen Informationen Amerika aufrütteln zu können. Das Video "Collateral Murder" habe Manning nur deshalb gekannt und weitergereicht, weil es von seiner Vorgesetzten aus einem Archiv kopiert und den Soldaten vorgespielt worden sei, um die ethischen Implikationen des Soldatenlebens zu diskutieren.

Nach den Auftaktplädoyers wurden die ersten Zeugen gehört. Ein Spezialermittler des Militärs, der Mannings Tatspuren im Irak sichern sollte, sagte aus, dass im US-Stützpunkt geheimste Informationen offen an der Wand gehangen hätten und mit Bettlaken verhängt wurden. Mannings Zimmernachbar, ein Militärpolizist, berichtete, dass Manning in seiner Freizeit Tag und Nacht mit seinem Laptop beschäftigt war.

Nach Medienberichten verfolgte Bradley Manning die Verhandlung aufmerksam. Er trug seine Uniform. Sollte das Gericht unter Vorsitz von Kapitän Denise Lind zur Auffassung kommen, dass Manning direkt dem Feind geholfen habe, droht ihm eine lebenslängliche Haftstrafe. Da Manning in der Voruntersuchung ein Teilgeständnis abgelegt hat, hat das Gericht von der Möglichkeit der Verhängung der Todesstrafe Abstand genommen. Vor der eigentlichen Verhandlung gab es einen Disput, ob angesichts der Einschränkungen der Berichterstatter Stenographen zugelassen sind, die von Unterstützern Bradley Mannings finanziert werden. Sie erhielten ein vorläufiges OK. Für rund 100 zugelassene Berichterstatter wird die Verhandlung per Video in einen Raum übertragen, in dem Smartphones und Diktiergeräte verboten sind. Rund 280 weiteren Berichterstattern wurde die Akkreditierung verweigert. (mho)