Das Hochwasserportal für das Land Niedersachsen in Windows Azure

Das Thema Cloud Computing findet in den Medien viel Beachtung. Doch viele Unternehmen, und gerade auch der öffentliche Dienst in Deutschland, sind eher zurückhaltend, wenn es darum geht, Daten an einen Dienstleister oder gar außer Landes zu geben.

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Von
  • Dr. Holger Schwichtenberg
Inhaltsverzeichnis

Das Thema Cloud Computing findet in den Medien viel Beachtung. Doch viele Unternehmen, und gerade auch der öffentliche Dienst in Deutschland, sind eher zurückhaltend, wenn es darum geht, Daten an einen Dienstleister oder gar außer Landes zu geben. Das Projektbeispiel des niedersächsischen Hochwasserportals zeigt hingegen, wie die sinnvolle Cloud-Erweiterung eines In-House-Systems aussehen kann.

Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (kurz NLWKN) entstand zum 1. Januar 2005 aus dem Zusammenschluss mehrerer bislang selbstständiger Landesbehörden des Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz. Zu den Aufgaben des NWLKN gehören Planung, Bau, Betrieb und Unterhaltung landeseigener Anlagen und Gewässer sowie der Naturschutz und die radiologische Überwachung. Insgesamt 1400 Mitarbeiter arbeiten in der NLWKN-Direktion sowie landesweit in elf NLWKN-Betriebsstellen an 15 Standorten.

Zu den Aufgaben des NLWKN gehört die laufende Überwachung von Flüssen, Kanälen und Gräben auf insgesamt 30.000 Kilometern Länge sowie die Warnung vor Hochwasser und daraus resultierenden Überflutungen mit dem Ziel, Personen und Sachschäden zu verhindern oder zumindest zu reduzieren. Die Zeiten des Ablesens von Messlatten sind vorbei: Heutzutage ermitteln vollautomatische Pegelmessstellen alle paar Minuten den aktuellen Wasserstand. In der Regel findet man an einer Messstelle zwei oder drei Messwertgeber, die parallel mit verschiedenen technischen Verfahren messen und die ermittelten Daten auf verschiedene Weise versenden, zum Beispiel per ISDN oder GPRS.

Die Informationen über die Pegelstände kann jedermann auf der Pegelonline-Website sowie über eine iPhone-App (Android und Windows Phone geplant) kostenfrei abrufen. Abbildung 1 zeigt die Bing Maps nutzende Karte mit der Gesamtübersicht über alle veröffentlichten Pegel des Landes Niedersachsen. Abbildung 2 zeigt die Detailansicht eines Pegels mit der Möglichkeit, den Wasserstand der letzten 24 Stunden, sieben oder 30 Tage zu visualisieren.

Die angezeigten Daten können ohne rechtliche Bedenken im Ausland lagern und von dort ausgeliefert werden, weil es sich um öffentliche Daten handelt, die nicht den Begrenzungen des Datenschutzgesetztes oder anderer Gesetze unterliegen.

Webportal zur Abfrage von Pegelständen (Abb. 1)

Detailansicht des Pegels Peine: Am 22. Mai 2013 wurde die Meldestufe 1 überschritten. (Abb. 2)

In sogenannten "Friedenszeiten", also bei normalem Wasserstand, ist die Pegel-Online-Website nur wenig frequentiert. Im Hochwasserfall steigt das Interesse an den Daten allerdings enorm an. Nutzer sind neben den Katastrophenschutzdiensten auch die Binnenschifffahrt, Landwirte, Besitzer von Industrieanlagen und Häusern.

Würde man die Website und die für die Apps notwendigen Webservices auf klassische Weise selbst oder bei einem Provider hosten, müsste man viele leistungsfähige Server für Extremsituationen, wie die "Jahrhundertflut" an Elbe und Donau 2003, vorhalten. Einige dieser Server wären abgeschrieben (oder sogar hoffnungslos veraltet), bevor sie jemals zum Einsatz kämen. Der Einsatz von Cloud Computing liegt also nahe, da nur tatsächlich verwendete Rechenzeiten, Speicherressourcen und Übertragungskapazitäten zu bezahlen sind.

Das Interesse an der Website soll noch steigen, wenn bald neben einer Tendenz echte Vorhersagen veröffentlicht werden: Die 2009 eingerichtete Hochwasservorhersagezentrale (HWVZ) in NLWKN will zukünftig die im Modellsystem "Panta Rhei" ermittelten Vorhersagedaten der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Neben der Skalierbarkeit spricht auch die Hochverfügbarkeit für das Cloud Computing, bei dem sich Server auf mehrere Rechenzentren in verschiedenen Ländern oder sogar auf verschiedenen Kontinenten verteilen lassen und sich auch der "Untergang" eines Rechenzentrums verkraften lässt. Da .NET die zentrale Softwareentwicklungsplattform des NLWKN ist und dort auch andere Microsoft-Produkte im Einsatz sind, lag es nah, sich für Windows Azure als Cloud-Plattform zu entscheiden.