Geringverdiener und Senioren stürmen das Netz

Laut (N)onliner-Atlas 2009 wächst der Anteil neuer Internetnutzer vor allem in unteren Einkommensschichten und in der Altersgruppe 60 bis 69 Jahre: "Das Internet hat sich zu einem Medium für alle entwickelt."

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Der Anteil neuer Internetnutzer wächst vor allem in den unteren Einkommensschichten, bei weniger Gebildeten und der Altersgruppe 60 bis 69 Jahre. Diese Trends gehören zu den Kernergebnissen des (N)onliner-Atlas 2009, den die Initiative D21 und das Marktforschungsinstitut TNS Infratest am heutigen Dienstag in Berlin präsentiert haben. Insgesamt sind laut der repräsentativen Umfrage (30.702 Interviews zwischen Februar und Mai 2009) mit 69,1 Prozent über zwei Drittel der Bevölkerung oder 46,3 Millionen Personen ab 14 Jahren in Deutschland online. Das sind vier Prozent mehr als im Vorjahr. Statt 4,9 Prozent der Befragten planen aber nur noch 4,3 Prozent innerhalb der kommenden 12 Monate ins Netz zu gehen. Ein harter Kern von über 20 Prozent Internetverweigerern scheint sich herausbilden.

Obwohl der "digitale Graben" auch in den kommenden Jahren Thema für Politik und Wirtschaft bleibt, wertet TNS-Infratest-Geschäftsführer Robert Wieland die Zahlen zunächst optimistisch: "Das Internet hat sich zu einem Medium für alle entwickelt." Erfreulich sei vor allem das beobachtete Wachstum bei "bislang wenig online-affinen Bevölkerungsgruppen". Zum zweiten Mal in Folge sei die Zunahme des Onliner-Anteils bei Personen mit einfacher formaler Bildung überdurchschnittlich hoch. Sowohl Volksschüler mit als auch ohne abgeschlossene Lehre hätten inzwischen zu 57,7 beziehungsweise 39 Prozent Internetanschluss, was Zuwächsen über fünf Prozentpunkten entspreche. Insgesamt sind bereits 97 Prozent aller Schüler im Cyberspace angekommen.

Auch die Internetnutzung in Bevölkerungsgruppen mit geringem Einkommen hat deutlich zugelegt. Mit einem Plus von sechs Prozentpunkten sind mittlerweile 47 Prozent der Deutschen mit einem Haushaltseinkommen von unter 1000 Euro vernetzt. In der Folgegruppe bis 2000 Euro liegt der Online-Anteil bereits bei fast 60 Prozent. Darüber hinaus "stürmt" die Altersgruppe zwischen 60 und 69 Jahren das Netz. Dort ist der Anteil der Befragten Surfer um fast sieben Prozentpunkte nach oben geschnellt, was dem höchsten Wachstum über alle Altersgruppen hinweg entspricht. Somit ist knapp die Hälfte der "jungen Senioren" inzwischen vernetzt. Sorgenkind in puncto Internetanschluss bleibt dagegen die Altersgruppe der über 70-Jährigen. Dort ist nur jeder Fünfte online, und der Anstieg fällt mit nicht einmal drei Prozent auch mager aus.

Andere Trennlinien haben sich kaum verändert, manche Kluft wurde sogar größer. So sind in den westlichen Bundesländern mittlerweile 70,2 Prozent der Bürger online, während es in den östlichen 64,6 Prozent sind. Die Differenz hat sich so mit 5,6 Punkten im Vergleich zu 5,3 Punkten in 2008 etwas vergrößert. Im Ranking der Bundesländer hat Bremen mit 74,2 Prozent Onlinern Berlin mit 73,3 Prozent vom ersten Platz verdrängt. Schlusslichter bilden Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt mit etwas über 60 Prozent Surfern.

Die Frauen im Netz können mit 62,4 Prozent im Vergleich zu 58,3 Prozent einen leicht stärkeren Zuwachs vorweisen als die Männer, von denen 76,1 Prozent zu den "Datenreisenden" gehören. Im Vorjahr betrug die Zahl bei den Männern noch 72,4 Prozent. Auch die Schere zwischen berufstätigen Surfern und dem Rest der Bevölkerung nimmt nur langsam ab und ist weiterhin groß: Beide Gruppen trennen nach wie vor fast 30 Prozentpunkte, wobei Berufstätige zu 83 Prozent im Netz unterwegs sind. Eine prekäre Entwicklung, da die Bundesregierung den "kompetenten Umgang mit dem Internet" immer mehr als "Voraussetzung für Chancengleichheit im Beruf und im Leben" ansieht und damit auch eine "spürbare Erhöhung der Lebensqualität" verknüpft.

Als erfreulich wertete Wieland, dass der Anteil der Breitband-Nutzer unter den Onlinern wächst und 2009 mit 67 Prozent bereits bei zwei Dritteln liegt. Denn wer "schmalbanding" ins Netz gehe, könne viele Online-Ressourcen nur eingeschränkt in Anspruch nehmen. Ingesamt würden über 46 Prozent der Befragten mit Hochgeschwindigkeit über die Datenautobahn brausen. Auch das in den vergangenen Jahren stets sehr deutliche Stadt-Land-Gefälle bei der Breitbandnutzung habe weiter abgenommen. Um die anderen Ausformungen der digitalen Spaltung aufzuheben, setzt das Bundeswirtschaftsministerium unter anderem auf die im Mai gestartete Initiative "Internet erfahren" mit einer Laufzeit bis Ende 2011. Gemäß dem Motto "Gemeinsam durchs Netz" will das Programm bestehende Strukturen nutzen, um in Kontakt mit bisher nicht erreichten Bevölkerungsgruppen zu kommen. (Stefan Krempl) / (jk)