Staatssekretär muss sich für Online-Durchsuchungen rechtfertigen

Die Union hat sich mit der Opposition darauf geeinigt, den jetzigen Justizstaatssekretär Lutz Diwell vor den Innenausschuss zu zitieren. Der Politiker soll Auskunft über seine Genehmigung für die heimliche Ausspähung von PCs geben.

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Die Union hat sich mit der Opposition überraschend darauf geeinigt, den jetzigen Justizstaatssekretär Lutz Diwell vor den Innenausschuss des Bundestags zu zitieren. Der SPD-Politiker soll dort Auskunft geben über die von ihm in seiner früheren Position als Innenstaatssekretär im Sommer 2005 unterschriebene Dienstanweisung, der zufolge Geheimdienste wie das Bundesamt für Verfassungsschutz vorübergehend "informationstechnische Systeme" im Rahmen heimlicher Online-Durchsuchungen ausforschen durften. Die Fraktionen der Linken, der FDP und der Grünen drängen bereits seit langem auf eine entsprechende Ladung des hochrangigen Beamten. Dies hatte die große Koalition bisher aber strikt abgelehnt. Von Oppositionsseite musste sie sich daraufhin den Vorwurf gefallen lassen, die Aufklärung der noch von der Vorgängerregierung erlaubten Online-Razzien zu verhindern.

Das Einlenken von CDU/CSU bei der Sitzung des Innenausschusses am heutigen Mittwoch hat zu einem Eklat mit dem Koalitionspartner SPD geführt. Die Union hatte sich zunächst "aufgrund der Koalitionsräson" dazu entschieden, "zu dem Thema zu schweigen" und einen Antrag der Liberalen zur Anhörung Diwells vom Tisch gewiesen. Nun betonten Vertreter der Konservativen aber, dass es sehr wohl von Bedeutung sei, ob der Staatssekretär sich damals über die Auswirkungen der Anweisung im Klaren gewesen sei. Diwell hatte zuvor zum Ausdruck gebracht, die Tragweite der von ihm abgesegneten Formulierungen unter dem damaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) nicht erkannt zu haben. Seiner Einschätzung nach sei damit keine Lizenz für verdeckte Online-Durchsuchungen verknüpft gewesen. Er habe geglaubt, dass es nur um die Beobachtung von abgeschotteten Internet-Foren gehe.

Nach Ansicht der Sozialdemokraten ist die Diskussion um das subjektive Empfinden Diwells allerdings "gehobener Kaffeeklatsch", da "es nicht darauf ankommt, was Diwell damals gedacht haben könnte". Die FDP bekräftigte dagegen ihre Überzeugung, es sei "ein ernster Vorgang", dass Diwell der Einladung des Innenausschusses an die Regierung bisher nicht Folge geleistet habe. Seiner neuen Dienstherrin Brigitte Zypries (SPD) warfen die Liberalen vor, dass sie es anscheinend nicht zulasse, dass sich ihr Staatssekretär vor dem Ausschuss erkläre. Wenn man sich das gefallen lasse, verfehlt das Gremium aber laut FDP-Innenpolitikern seine Kontrollaufgaben. Es gehe dabei nicht um die Person des Beamten. Vielmehr müsse die Frage geklärt werden, wie es sein könne, dass in einer Verwaltungsanordnung Maßnahmen erlaubt werden könnten, die zu "tiefen Grundrechtseingriffen" führten.

Der Haltung der Liberalen stimmten Linksfraktion und Grüne ausdrücklich zu. Letztere hielten zwei Szenarien für denkbar: Entweder habe der Verfassungsschutz "rechtswidrig und illegal im eigenen Ermessen" die Verwaltungsanordnung so ausgelegt, dass sie schwere Grundrechtseingriffe erlaube. Andernfalls sei denkbar, dass Diwell sich in seinem Statement verteidigt habe, von dieser Interpretation nichts gewusst zu haben, "obwohl sein damaliger Chef Schily grünes Licht" für den Einsatz des so genannten Bundestrojaners gegeben habe. Dem ehemaligen Innenminister warfen die Grünen vor, dass er das heftig umstrittene Beschnüffelungsverfahren "innerhalb rechtlicher Grauzonen" habe ausprobieren wollen. Der Vorgang müsse daher "im Detail aufgeklärt werden".

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied Anfang des Jahres, dass es bislang keine Rechtsgrundlage für heimliche Online-Durchsuchungen durch die Strafverfolgungsbehörden gibt. Insbesondere Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), andere Innenpolitiker der Union, das Bundeskriminalamt (BKA) und etwa der SPD-Innenpolitikexperte Dieter Wiefelspütz fordern seitdem die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für das derzeit vom Bundesverfassungsgericht geprüfte neue Ermittlungsinstrument. Ende April war bekannt geworden, dass der Verfassungsschutz derartige Ausspähungen etwa von Festplatten bereits in einigen Fällen durchführte. Dies empörte nicht nur Oppositionspolitiker. Nach den massiven Protesten stoppte Schäuble die Online-Razzien vorerst, hält sie aber als Mittel für Geheimdienste und Strafverfolger weiterhin für dringend notwendig.

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

(Stefan Krempl) / (jk)