Keine obligatorischen Audio- und Videocodecs in HTML 5

Nachdem Ogg Theora von einige Mitgliedern der WhatWG abgelehnt wurde, H.264 aber Lizenzgebühren nach sich ziehe, hat Ian Hickson beschlossen, den Passus über obligatorische Audio/Videocodecs ganz aus der HTML-5-Spezifikation zu streichen.

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Der für die Bearbeitung der kommenden HTML-5-Spezifikation verantwortliche Google-Mitarbeiter Ian Hickson hat etwas konsterniert einen Schlussstrich unter die jahrelangen Diskussionen über obligatorische Audio/Videocodecs in HTML 5 gezogen. Wie er auf der WhatWG-Mailingliste mitteilt, sei er nach endlosen öffentlichen und privaten Diskussionen zu dem Schluss gekommen, dass es keine konsensfähigen Codecs gebe, die alle Mitglieder der Web Hypertext Application Technology Working Group (WhatWG) in ihre Browser integrieren würden.

Vorausgegangen war eine hitzige Diskussion über den Vorschlag, die patentkostenfreien Formate Ogg Theora (Video) und Ogg Vorbis (Audio) als Standardformate für die vorgesehenen video- und audio-Elemente in HTML-5-Browser einzubauen. Damit könnte man ohne die Installation proprietärer Plug-ins Multimediainhalte im Internet abspielen. Einige Firmen fürchteten beispielsweise das Risiko von "U-Boot-Patenten", andere befürworteten das deutlich effizientere H.264 (MPEG-4 AVC), das allerdings Lizenzkosten nach sich zieht. Die Standpunkte der Browser-Hersteller fasst Hickson folgendermaßen zusammen:

Apple lehnt es unter Hinweis auf mangelnde Hardware-Unterstützung und die unsichere Patentlage ab, Ogg Theora in das von Safari verwendete QuickTime einzubauen. Google habe zwar in seinen Browser Chrome H.264 und Theora eingebaut, doch liefere Ogg Theora noch nicht genug "Qualität pro Bit", wie es für Seiten für YouTube nötig sei. Außerdem sehe sich Google außerstande, die Chromium-Distributoren mit der H.264-Lizenz zu versorgen. Mozilla argumentiert ähnlich und setzt daher bei Firefox 3.5 auf Theora.

Opera weigert sich wegen der unerhört hohen Lizenzgebühren, H.264 zu integrieren. Microsoft habe nicht einmal mitgeteilt, ob das Unternehmen überhaupt gedenke, das video-Element zu unterstützen.

Ganz will Hickson den Gedanken an freie, von allen Browsern direkt unterstützte Medienformate aber nicht aufgeben und präsentierte zwei – sich gegenseitig ausschließende – Zukunftsszenarien: Wenn sich Ogg Theora weiter verbessere, Hardware das Format unterstütze und Google den Codec lange genug verteile, ohne verklagt zu werden, könnte sich Theora zum "De facto"-Webstandard entwickeln. Für H.264 sieht er Chancen, wenn die Patente für das Baseline-Profil auslaufen und somit zumindest die einfachste Inkarnation des Codecs lizenzkostenfrei zur Verfügung stünde. Bisher weigern sich einige Patentinhaber, das H.264 Baseline Profile lizenzkostenfrei zur Verfügung zu stellen.

Tatsächlich ist H.264 schon auf dem besten Wege, weit über das Internet hinaus zum "De facto"-Standard für Video zu werden. Im Internet spielt beispielsweise der Flash Player seit Version 9 Update 3 H.264-Videos und auch Microsofts Silverlight 3 unterstützt den Codec.

Für Audio sieht Hickson die Lage nicht so dramatisch. Hier gäbe es neben Ogg Vorbis und MPEG-4 AAC deutlich mehr Optionen. Hinzu kommt, dass auch die Patente für den "De facto"-Webstandard MP3 in wenigen Jahren auslaufen. (vza)