Sachsens Ja zum BKA-Gesetz scheint sicher, die Anhalter wackeln noch

Die Dresdner SPD-Spitze, die das Nein des Bundesrats zur Befugniserweiterung des Bundeskriminalamts mit auslöste, will dem inzwischen gefundenen Kompromiss trotz scharfer Kritik der Jusos zustimmen.

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Die sächsische SPD-Spitze, die das Nein des Bundesrats zur geplanten Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA) zum Ärger von Spitzenpolitikern der Union mit auslöste, will dem inzwischen von Bund und Ländern ausgehandelten Kompromiss trotz scharfer Kritik der Jusos zustimmen. Der Chef der Sozialdemokraten Sachsens, Thomas Jurk, sprach am gestrigen Donnerstag im Landtag von einer Lösung bei heimlichen Online-Durchsuchungen, die sich "sehen lassen kann". Der Gesetzesentwurf, der am Mittwoch offiziell vom Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat behandelt werden soll, sei an entscheidenden Punkten geändert worden.

Völlig ausgeräumt seien seine Zweifel zwar nicht, gestand Jurk ein. Wenn man in einer Koalition sitze, müsse man aber Mittelwege einschlagen. Die oppositionellen Landtagsfraktionen der Linken und Grünen hatten zuvor Anträge eingebracht, wonach der Freistaat im Bundesrat nicht für den geänderten Vorstoß für das BKA-Gesetz eintreten sollte. Die schwarz-rote Regierungskoalition lehnte dieses Ansinnen aber ab. Der sächsische Innenminister Albrecht Buttolo zeigte sich gegenüber dpa so zuversichtlich, dass Sachsen der Initiative bei der entscheidenden Plenarsitzung am 19. Dezember zustimmen werde. Endgültig werde das Kabinett in Dresden am Dienstag über das Votum entscheiden.

Die Jusos in Sachsen hatten dagegen vorige Woche noch einmal erklärt, dass die Einigung beim BKA-Gesetz den Beschlüssen der SPD entgegenstehe und erneut abzulehnen sei. "Wir sehen in den gefundenen Regelungen keinen notwendigen Beitrag zur Terrorismusbekämpfung", erklärte der Landesvorsitzende der Nachwuchspolitiker, Holger Mann. Anschläge würden gerade nicht durch "Spionage in deutschen Wohn- und Arbeitszimmern verhindert". Kein Terrorist werde seine Daten auf Rechnern liegen haben, mit dem er tagtäglich im Internet surfe. Der Einsatz des Bundestrojaners bleibe für die Jungsozialisten damit ein ungerechtfertigter Eingriff in die Privatsphäre. Mann hofft daher, dass spätestens das Bundesverfassungsgericht das Gesetz zurückweisen werde. Dies wäre dann aber ein "Armutszeugnis" für die Verantwortlichen in der Politik.

Auch die Landesregierung Sachsen-Anhalts geht von einem mehrheitsfähigen Kompromiss aus. Dies erklärte zumindest Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU). Innenminister Holger Hövelmann hat aber noch Bedenken. Der SPD-Politiker hält die Ausgestaltung des Zeugnisverweigerungsrechts für Ärzte, Anwälte und Journalisten nach wie vor für problematisch. Es sei nicht plausibel, dass der verdeckte Zugriff auf IT-Systeme nur bei Geistlichen und Strafverteidigern tabu sein solle, nicht aber auch bei den anderen Berufsgeheimnisträgern. Bei vielen Länder-Amtskollegen beißt Hövelmann nach eigenen Angaben aber "auf Granit". Den vorgesehenen schnelleren Informationsaustausch zwischen Bundes- und Landespolizei hält der Minister für nötig. Eine gemeinsame Position will das Kabinett in Magdeburg ebenfalls erst Anfang kommender Woche festlegen.

Der Deutsche Fachjournalisten-Verband (DFJV) appellierte an den Vermittlungsausschuss, die Pressefreiheit bei den Nachbesserungen stärker zu berücksichtigen. Nach dem aktuellen Stand des Gesetzes könnte das Bundeskriminalamt von Journalisten die Herausgabe von Recherchematerial und damit die Preisgabe von Quellen unter Androhung von Zwangsgeld und Beugehaft verlangen sowie Hausdurchsuchungen anordnen. Dabei gelte eine einfache Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Durch diese Maßnahmen könnten Journalisten keinen Informantenschutz mehr garantieren. Dieser stelle aber eine Grundvoraussetzung für jede Mediendemokratie dar. Derzeit sieht es so aus, dass Bundesländer mit Regierungsbeteiligung von FDP, Linken oder Grünen sich im Bundesrat wieder enthalten wollen. Damit ergäbe sich aber noch immer eine ganz knappe Mehrheit für die Novellierung.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat derweil prominente Unterstützer für sein Projekt gefunden, Enthaltungen nicht mehr faktisch als Nein bei Abstimmungen in der Länderkammer zu werten und somit Konflikte mit kleineren Parteipartnern in Landeskoalitionen zu entschärfen. Zum einen sprach sich Bundespräsident Horst Köhler für den Vorstoß seines Parteikollegen aus, was heftige Proteste vor allem bei den Grünen über eine Einmischung des obersten Mann im Staate in die Tagespolitik auslöste. Überraschend befürwortete daraufhin in der SPD nach dem stellvertretenden Fraktionschef Fritz Rudolf Körper auch Peter Struck die Initiative. Der Fraktionsleiter monierte gegenüber der Frankfurter Rundschau zwar, Schäuble habe seine Initiative "zum falschen Zeitpunkt" gestartet. In der Sache sei er aber ganz auf der Linie des Innenministers.

In Thüringen tauchten unterdessen offenbar gefälschte Briefe mit Unterschrift Schäubles und Briefkopf des Bundesinnenministeriums in einem Wohngebiet Suhls auf. Darin werden die Bürger um Mithilfe bei der Telekommunikationsüberwachung gebeten. Sie sollen am Freitag in einer Woche eine Auflistung aller im Jahr 2008 besuchten Internetseiten und eine Übersicht ihrer E-Mail-Konten bei der Polizei abgeben, bevor die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung von Anfang Januar an auch im Internetbereich gelte. Die Suhler Kriminalpolizei hat laut einem Bericht bereits die Ermittlungen aufgenommen, da es sich um Urkundenfälschung handeln dürfte. Der Philosoph Peter Sloterdijk forderte die Bürger zugleich im Magazin der Zeitung Die Zeit zum zivilen Ungehorsam gegen den "Sicherheitswahn" auf. Die Helden des ersten Jahrzehnts dieses Jahrtausends seien Menschen, die bei Sicherheitskontrollen an Flughäfen "ausgerastet sind". Zu viele Leute seien bereits mit Hilfe der Nonsensformulierung "Krieg gegen den Terrorismus" umdressiert worden, ohne dass sie es gemerkt hätten.

Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (pmz)