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Was war. Was wird.

Die Automobilindustrie braucht wohl doch einen Jobs oder Gates, um sich endgültig den Gnadenschuss zu geben. Solch ein begnadetes und von Fan-Gesängen begleitetes Lock-in wie diese Herren bekommt ein Wagoner eben einfach nicht hin, schaudert es Hal Faber.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Die kleine Wochenschau aus der norddeutschen Tiefebene ist in tödlicher Gefahr: Kurt Emmerich, Werner Hansch, Günther Koch und nun auch Manni Breuckmann. Vertraute Stimmen, die mit ihrer Bundesligakonferenz vielschichtig die samstägliche Arbeit an der Wochenschau begleiteten, sie sind nicht mehr. Kein ordentlicher Fußball im Radio, wenn über Computer und ihre blödsinnigen Online-Durchsuchungen geschrieben wird? Ja, Fußball ist mehr als 11 Freunde und ein Zwanziger, der mit Rücktritt droht, weil die Welt zwischen "unglaubliche Demagogen" und anonym beleidigten Menschen in Internetblogs noch andere Spielarten des "wirklichen Sachverhaltes" kennen, doch der "wird dem Gericht erst mit der Klageschrift unterbreitet werden". Ich wünschte mir, Manni Breuckmann würde einmal "unglaublicher Demagoge" ins Mikro sprechen, so wie er am letzten Wochenende im DSF den Choleriker Uli Hoeneß furztrocken ausbremste: "Warum diese Aggressivität, Herr Hoeneß?". Doch der Ball hat bekanntlich 90 Minuten: Nun müssen halt die Jüngeren ran und kommentieren, die stets Laptops voller Hintergrundinformationen mit sich rumschleppen. Vielleicht finden sie ja ihre Sprache abseits der Statistik und ich kann weiter hören und dabei schreiben ...

**... wie sich die Automobilbranche den Gnadenschuss gibt. Anderswo tauchen Ideen auf, die Faddy, Faithworthy und Futuramic sind und damit Herrn Muret-Sanders überfordern, der nur "vorübergehende Moden" zur Übersetzung vorschlagen kann. Bereits in der letzten Woche hatte der große Nöler Bobbie Cringely sich überlegt, wie Steve Jobs wohl Chrysler oder General Motors aus der Krise fahren würde. Jawohl, jener Mercedes- und Porsche-Fan, dem Amerika das schöne Wort farfegnugen verdankt, das Meister Sanders anstandslos als berechtigte Verdeutlichung akzeptiert hätte. Jobs also, ein älterer Herr mit Porsche-Fimmel, würde sich daran machen und den ganzen Laden erst einmal in die Tonne treten, damit sich ein Mashup aus vielen Zulieferern bilden kann. Die müssten dann ähnlich wie beim Dreamliner der nurmehr projektieren Mobilbranche agil zuarbeiten. Autos, die nur mit Jobszin fahren, den iPod im Dashboard, das iPhone als Lenker, mit eingebautem Pflichtstopp vor dem nächsten Apple-Store. Da kauft man sich dann, wenn die Karre crasht, den Amateur-Chirugen. Sind wir nicht alle etwas Heimwerker, lablunana? Natürlich gibt es diese vorweihnachtliche Aufmunterungsgeschichte ...

**... auch in einer MS-Gates-Version, wie immer erheblich entschärft bei den Plattfischen von Spiegel Online. Sicher würde der Ferrari-Fan Gates etwas gegen den Untergang tun können, aber dann mit aller Konsequenz und Paranoia, die bei Microsoft zum Inventar gehört. Es geht nur voran, wenn man alle Gebiete beherrscht und einen starken Partner an seiner Seite hat. Da fehlt nur noch die nötige Update-Box im PKW und schon kann der Taler rollen. Die Kaaskoppen machen es ja vor: Ab 2012 muss jedes Auto mit einer Maut-Box ausgestattet sein. Microsoft Automotive gehört zu den Bietern bei der Box-Technologie. Darf es noch ein bisschen Microsoft-Bashing mehr sein? Ja? Danke sehr, dann erzähle ich mal ....

**... die Geschichte von den hessischen Schlaumäusen, die sich im Wahlkreis der Web-affinen Ministerin Brigitte Zypries dank der kräftigen Anschubhilfe von Porsche (olala) verbreiten konnten. Besagte Schlaumäuse kommen nicht von der GEZ-Kampagne ohne Mäuse keine Maus, sondern wurden direkt bei Microsoft programmiert. Sie sollen die frühkindliche Entwicklung der Sprache verbessern, will eine von Microsoft beauftragte Firma nach der Befragung von 80 Erzieherinnen herausgefunden haben, weiß eine PR von Microsoft. Still und beschäftigt sitzen die Kinder vor dem PC und lernen das Klicken. Es wäre auch zu verwerflich, wenn hier eine Erzieherin die Geschichte von Jim Knopf und Lukas erzählt, in der nur reinrassige Drachen bekämpft werden wie die gesamte arisch-blonde Sippschaft des Rassisten Sun Koh, dem Erben von Atlantis. Denn unter jedem Lummerland liegt ein Kummerland, die Kinder in den Schulen der Malzahndrachen zu unterdrücken. Mögen auch die Schlaumäuse lernen, dass die Welt aus mehr als einem Klick besteht. Die andere Seite, die gerne jammert, das Linux unsere Kinder kaputt macht, musste dieser Tage ...

**... lernen, dass der erste Schnitt vielleicht der tiefste ist, aber sicher nicht der beste: Die ach so dumme US-amerikanische Lehrerin, die auf dem Schulhof Linux-CDs einsammelte und ein Aufenthaltsverbot aussprach, ist lernbereiter Mensch, nicht Erziehungsdrache. Wer den Text liest,wird den bitteren Geschmack auf der Zunge haben, wie erfolgreich eine Kampagne ist, die jedwede Kopie vorab kriminalisiert. Ob der von Obama gesuchte "Tech-Zar" an diesem Missstand etwas ändern wird, darf man bezweifeln. Auf deutsche Verhältnisse umgesetzt, müsste unser Bundes-CIO mit unserem Bundes-BFDI ein Tänzchen aufführen, wenn sich morgen der Tag jährt, an dem das Volkszählungsurteil gesprochen wurde. Doch von einem Tänzchen ist nichts zu hören und so wäre es für alle Leser dieser Wochenschau eine gute Gelegenheit, ihren virtuellen Gebetsteppich auszurollen, ihren Rosenkranz, das Rad der Lehre oder die Mandala zu nehmen. Für die Atheisten unter uns bleibt ganz ohne höchstes Wesen, den letzten Knutschfleck zu beträufeln. Mit Whiskey, Wein, Wasser oder dem Wikisaft des fliegenden Spaghettimonsters, was alles eins ist, nämlich egal.

Was wird.

Ich habe einen kleinen Tannenbaum mit USB-Anschluss bekommen, ferner eine blaue Papp-Tanne vom netten Verlag in der netten Stadt mit der netten Messe: einmal blau, immer Heise. Dann ist da noch eine Weihnachtsmann-Mütze, ganz in schwarz, von einem Software-Hersteller. In der Zusammenstellung ist alles rätselhaft, in der Message very clear. Die rauen Nächte kommen, in der die Christen ihre Geister beschwören. Man sollte jetzt blos nicht rausgehen, wo jeder Krähenwinkel mit einem Weihnachtsmarkt aufwartet, mit miserablem Glühwein und schlechtem Essen aus aller Welt. Wen es aber doch in die norddeutsche Tiefebene zieht, dem sei diese nette Ausstellung empfohlen, die gegenüber den landläufigen Krippenfiguren einige Vorteile hat. Hier kann man noch seinen Kindern von wirklichen Märchen und Wundern erzählen, mit ein paar Peeks und Pokes angeben, ehe der Grog gekachelt wird, die ...

... nächste Runde bitte: Wer mir ein Weihnachtsgeschenk machen will, sollte dringend den Ratschlag meines Kollegen Paul Carr übernehmen: eine Milliarde Pfund für eine Konferenz mit freier Sauna, freiem Wodka, Internet-Zugriff und übernommenen Hotelkosten, mitten in einem London, das mit den olympischen Spielen die Arschkarte gezogen hat, das wär doch was. Dann wird das Web 2.0 nicht unbedingt florieren, aber die Szene hat ihren Spaß und ihren Sex gehabt. In Katerstimmung wird dann Dotcomtod geklickt: Geschichte wiederholt sich manchmal, frei nach Marx^^doff. 50 Milliarden in einem Ponzi-Spiel, dagegen muten die 350 Millionen, mit denen die Schäfflers gerade gegen den Verfall des Euros spekulieren, doch lachhaft aus: Das Role-Model für Deutschlands Autobauer wird die Elektro-Isetta sein, die ...

...  mit "Macht hoch die Tür" los brettert. Doch ehe es zu festlich wird, komplett mit Motetten über die Ausgeladenen und Entwurzelten auf dem Debütantinnen-Ball der Datenreisenden bleibt noch ein Hinweis auf eine Forensik-Veranstaltung übrig. BKA-Chef Ziercke spricht und wird sicherlich die nette Floskel vom Internet als Heimwerkermarkt der Terroristen illustrieren. Wie schön, dass Sprache immer den Sprechenden verrät, das gilt für ein "wir möchten eigentlich nicht" genauso wie für das Gerede vom Heimwerkermarkt. Ja, jeder kann sich in deutschen Heimwerkermärkten etwas kaufen und daraus etwas basteln, das ordentlich rummst. Darum müsste auch jeder überwacht werden, nicht nur die gern herbei zitierten drei bis vier Fälle, in denen eine handgeschnitzte Online-Durchsuchung veranlasst wird. Das alles von einem Bundeskriminalamt, in dem Menschen wie die berühmten drei Affen agieren und nichts sagen, nichts denken, nichts erinnern. Wer dieser Behörde die Lizenz zum Löten gibt, bekommt nicht nur verwanzte Ärzte und belauschte Journalisten, sondern ein Eismeer ohnegleichen: Wie, wo, was, weiß BKA, oder besser "We will, we will rock you". Bis zum letzten widerständischen Krümel. (Hal Faber) / (jk)