Immer im Netz
Der Bandbreiten-Hunger der mobilen Internet-Gemeinde wächst stetig.
Der Bandbreiten-Hunger der mobilen Internet-Gemeinde wächst stetig. Die erste Reaktion der Netzbetreiber auf den Wunsch der Kunden nach schnelleren Datenverbindungen bestand im neuen Standard HSCSD. Aber aus Sicht der Netzbetreiber hat HSCSD einen gravierenden Nachteil.
HSCSD-Nutzer belasten das Netz so stark wie vier Handy-Telefonierer. Das ist nicht im Sinne des Erfinders, denn Funkkanäle und Basisstationen sind nicht beliebig vermehrbar. Speziell bei WAP-Seiten fallen die Ladezeiten ohnehin kaum ins Gewicht, die höhere Übertragungsgeschwindigkeit bringt bei dieser Anwendung keine Vorteile.
Etwas Neues musste also her, möglichst ohne zusätzliche Belastung des Netzes. Mit GPRS fand man einen Weg, vorhandene Ressourcen besser zu nutzen. Die neue Technik unterscheidet sich ganz grundlegend von allen bisherigen GSM-Übertragungsverfahren: Über jeden Funkkanal werden bis zu sieben Gespräche gleichzeitig abgewickelt. Sind alle sieben Leitungen eines Funkkanals belegt, muss das Handy auf einen benachbarten Kanal ausweichen. Ist beispielsweise auf dem platten Land kein Nachbarkanal vorhanden oder sind alle Nachbarkanäle ebenfalls ausgelastet, so kommt keine Verbindung zu Stande oder eine bestehende Verbindung reißt ab.
In der Praxis finden sich aber fast immer freie Sprachkanäle. Diese freien Kanäle nutzt GPRS zur Datenübertragung. Mit einem einzigen GPRS-Kanal lassen sich viele Nutzer bedienen. Anders als bei einer Sprachverbindung werden die per GPRS zu verschickenden Daten in kleine Pakete gepackt. Diese enthalten eine Absender- und Empfänger-Angabe. Nur das angesprochene Ziel-Handy nimmt das Datenpaket entgegen, alle anderen Handys ignorieren es einfach. Ein GPRS-Handy benötigt also keinen reservierten Platz, gibt sich mit dem zufrieden, was gerade übrig ist.
GPRS kommuniziert auf gerade ungenutzten Sprachkanälen. Moderne Handys können mit bis zu vier dieser Kanäle gleichzeitig arbeiten. Auf diesem Wege lassen sich etwa 50 Kilobit pro Sekunde (kbps) übertragen. Das ist knapp unterhalb der Leistung eines ISDN-Anschlusses. Diese Kapazität teilen sich aber alle Nutzer einer Basisstation. Der Turbo funktioniert außerdem nur in Empfangsrichtung, in Senderichtung verwenden die Handys nur einen einzigen Kanal. Das hat durchaus seine Berechtigung, denn in aller Regel empfängt jeder Internet- oder WAP-Nutzer ein Mehrfaches der gesendeten Datenmenge. Ins Internet wiederum werden meist Adressen oder kurze Formulareinträge übertragen, in die Gegenrichtung rauscht hingegen eine ganze Flut von Informationen.
LĂĽckensender
GPRS reagiert flexibel auf das Verkehrsaufkommen: Ist zu viel los, so kommen die Pakete in eine Warteschleife, die so genannte Queue, werden gesendet, sobald sich im Netz eine Lücke auftut. Fällt die Übertragung eines Paketes einer Funkstörung zum Opfer, so wird das Paket erneut gesendet. Der Kunde merkt davon nichts, abgerechnet werden nur erfolgreich übertragene Daten. Will das Handy Daten senden, so muss es auf eine Lücke im Datenstrom warten. Die Verkehrsregelung übernimmt dabei die Basisstation. Sie weist die Handys an, wann und auf welchem Kanal Daten gesendet werden dürfen.
Dieses Verfahren zeigt aber auch den gravierendsten Nachteil von GPRS. Anders als bei allen bisherigen Übertragungsverfahren im GSM-Netz bekommt der Kunde keine feste Ressource zugewiesen. Alle GPRS-Nutzer auf einer Basisstation teilen sich die zur Verfügung stehenden Übertragungskapazitäten. Ist viel los, so entsteht auf der Datenautobahn für Handys ruckzuck ein größerer Stau. Im Moment ist das noch nicht zu befürchten, da die wenigsten Telefone GPRS beherrschen.
Sobald das Handy mit dem Netz des Mobilfunkanbieters verbunden ist, hat es bereits Zugriff auf das Internet über GPRS. Das gibt dem Nutzer die Möglichkeit, beispielsweise zu prüfen, ob neue E-Mail vorliegt. Der teure und zeitaufwendige Verbindungsaufbau entfällt dabei. Anders als bei bisherigen Übertragungssystemen wird bei GPRS ausschließlich nach der übertragenen Datenmenge abgerechnet, die Verbindung selbst ist kostenlos. Dies ist auch der große Vorteil gegenüber HSCSD: Der Nutzer loggt sich einfach morgens ein und ist den ganzen Tag über online. Beim Wappen entfällt so der bisherige Stressfaktor Zeit. Eine per WAP geladene Internetseite kann in aller Ruhe betrachtet werden - ohne Extrakosten. Die Zeit der langwierigen Eingaben über die Handy-Tastatur finden sich bei der Nutzung von GPRS ebenfalls nicht mehr auf der Telefonrechnung wieder, da nur die übertragenen Formulardaten berechnet werden.
Weniger geeignet ist GPRS allerdings zur Übermittlung großer Datenmengen in kurzer Zeit. Wer digitale Bilder, aufwendige Internetseiten oder große Dateien per Handy verschicken will, wird bei GPRS heftig zur Kasse gebeten. Eine Sekunde HSCSD kostet rund 0,4 Cent, in dieser Zeit lassen sich 4,5 Kilobyte Daten übertragen. Diese Datenmenge kostet bei GPRS im besten Fall etwa 2 Cent, also mehr als das Sechsfache. Außerdem teilen sich alle Nutzer den zur Verfügung stehenden Platz. Anders als bei einer herkömmlichen Verbindung oder bei HSCSD ist es also fast schon ein Glücksspiel, wie schnell die Daten übertragen werden. Die Angaben der Anbieter und Handy-Hersteller über die Geschwindigkeit der Datenübertragung per GPRS gehen immer von der praxisfernen Annahme aus, man sei alleine im Netz. In der Realität dürften die zu erzielenden Übertragungsraten immer geringer sein. (ll)