Drahtlos organisiert
Das Papier spielt bei der Bahn-Tochter DB Telematik zumindest bei der Auftragsvergabe an die Techniker keine Rolle mehr. Sie erhalten ihre Aufträge per Mobilfunk auf ihre Endgeräte.
In vielen Großunternehmen dient eine zentrale SAP-Installation zur Verwaltung von Wartungs- und Service-Aufträgen. Bei der Vergabe der Aufträge an die Techniker vor Ort spielt Papier jedoch immer noch eine große Rolle. Die Bahn-Tochter DB Telematik hat vor einigen Jahren seine Service-Techniker mit Smartphones ausgestattet und diese via Mobilfunk an das SAP-System angebunden.
Die Aufgaben der DB Telematik sind so umfangreich, dass das Unternehmen etwa 1400 Servicetechniker beschäftigt. Sie ist unter anderem für die Telekommunikations- und Telematiklösungen der Bahn AG zuständig. Sie betreut rund 185.000 Kilometer Kupferkabel und 7.000 Kilometer Glasfaserkabel entlang der Bahnstrecken sowie in den Bahnhöfen und kümmert sich um den Service für 70.000 Fernsprecher entlang der Gleise, die 120.000 Lautsprecher an Bahnsteigen und die fast 1.500 Videoanlagen an Bahnübergängen. Zudem betreut sie 2.100 TK-Anlagen mit mehr als 110.000 Anschlüssen und erbringt Kommunikationsdienste für andere Unternehmen, etwa den Festnetzbetreiber Arcor oder den DSL-Anbieter QSC.
Noch vor vier Jahren war Papier das vorherrschende Medium für die Auftragsvergabe bei den Servicetechnikern: Die rund 700.000 Aufträge pro Jahr wurden in neun Bahn-Regionalzentralen ausgedruckt und in die insgesamt 78 Service-Bezirke gefaxt. Die Techniker holten sich einmal in der Woche ihre Aufträge ab, dokumentierten diese nach Auftragsende und brachten die Formulare in die Bezirksverwaltungen zurück. Zur Abrechnung über das zentrale SAP-R/3-System mussten die Rückmeldungen der Techniker manuell in das System eingegeben werden. Bis zur Erfassung der letzten Rückmeldung und damit dem Abschluss des Auftrags dauerte es bis zu 14 Tage – zu lange für eine zeitnahe Fakturierung, zudem traten häufig Fehler bei der Erfassung auf.
Projektstart 2002
2002 startetet die DB Telematik ein Pilotprojekt, das die Techniker mittels mobiler und per Funk mit der Zentrale verbundener Geräte über die vorab planbaren Aufträge informieren sollte; auch die Rückmeldungen sollten auf direktem Weg in das SAP-System einfließen. Nicht planbare Aufträge wie Entstörungen erhalten die Techniker aufgrund der häufig recht kurzen zur Verfügung stehenden Entstörzeiten jedoch weiterhin via Telefon. In einer späteren Projektphase wurde die Technikeranbindung jedoch auch auf die Entstörung erweitert.
Vom Bildschirm des Communicators können die Techniker die anstehenden Aufgaben ablesen.
Vor allem die relativ große Tastatur führte damals zur Wahl des Nokia Communicator 9210i als Endgerät. Da die Service-Techniker nicht immer im Versorgungsbereich der Mobilfunknetze arbeiten (etwa in Tunneln oder abgeschirmten Gebäuden), kam nur eine Lösung infrage, die auch offline funktioniert. Bei der Software verließ sich die DB Telematik nicht auf das SAP-eigene Modul "Mobile Infrastructure", sondern setzte auf das von der Berliner Condat AG entwickelte Produkt Skyware. Der Skyware-Server ist dabei über SAPs Business Connector an das SAP-Modul "Customer Service" angebunden.
In einer ersten Projektphase erhielten 250 Techniker den Communicator. Während dieser ersten Phase wurden noch verschiedene Verbesserungen an der Software vorgenommen. Insgesamt dauerte der Umstieg auf die elektronische Auftragsvergabe von der Planung bis zum Roll-out ein Jahr.
Verteiler
Die Verteilung der anstehenden Aufgaben in den einzelnen Bezirken übernimmt der örtliche Disponent, da dieser die speziellen Fähigkeiten seiner jeweils etwas 30 Mitarbeiter kennt und diese damit optimal einsetzen kann. Ein Techniker, der ausschließlich planare Aufgaben ausführt, stellt mindestens zweimal am Tag eine Verbindung zum SAP-System her, um neue Aufträge zu erhalten und Rückmeldungen an das System zu übertragen. Bei zu behebenden Störungen erhalten die Techniker einen Anruf von ihrem Disponenten, sie führen daraufhin einer weitere Synchronisation durch, mit der die Informationen zu der Störung auf das Mobilgerät gespielt werden. Die Mitarbeiter melden sich mit Benutzername, Passwort und Personalnummer über einen VPN-verschlüsselten Zugang am SAP-System an. In weniger als zwei Minuten ist der Vorgang abgeschlossen.
Um das Datenvolumen zu minimieren, werden die Auftragsdaten komprimiert. Diese bestehen aus verschiedenen Dateien im XML-Format: mit den Daten aus dem SAP-Auftrag, Langtexten mit Erklärungen (etwa technischen Angaben und Erläuterungen), Objekt- und Ausstattungsdaten sowie den bereits verbuchten Rückmeldungen. Nach dem erfolgreichen Versand der Rückmeldungen löscht die Software den Auftrag vom Smartphone.
Bei der papiergestĂĽtzen Auftragsvergabe waren viele fehlerbehaftete Schritte abzuabrbeiten.
Sofern keine Störungsmeldungen zu bearbeiten sind, haben die Techniker bei der Reihenfolge der Aufträge recht freie Wahl, da sie ein möglichst großes Maß an Eigenverantwortung behalten sollen. Ein Reporting stellt jedoch die Einhaltung der Vorgaben der tagesaktuellen Rückmeldungen und die Effizienz der Auftragsabwicklung sicher. Über die Synchronisation der erledigten Aufträge wird die Arbeitszeit der Mitarbeiter erfasst und zusammen mit Material- und Reisekosten sowie den Stundensätzen der Techniker zur Fakturierung verwendet.
Umstellungsprobleme
Bei einer Umstellung in dieser Form sind nicht nur technische Probleme zu beachten. Um den Mitarbeitern diese grundlegende Änderung der Arbeitsabläufe zu vereinfachen und ihnen beim Umgang mit der neuen Technik zu helfen, stellte das Unternehmen jeder Region und jedem Bezirk besonders geschulte Kollegen zur Seite. Diese waren auch für die Schulung im Umgang mit den Smartphones zuständig.
Aller neuer Technik zum Trotz: Für die Benachrichtigung bei Entstörfällen ist das Telefon immer noch die erste Wahl – auch, wenn die DB Telematik derzeit in einem Pilotprojekt die GPS-Ortung der Techniker testet und für die Zukunft an den Einsatz von Pushmail zur Übermittlung von Aufträgen denkt. Ist der Techniker allerdings gerade in einem Funkloch, erhält der Disponent keine Rückmeldung, ob der Auftrag beim Techniker eingegangen ist. Der direkte Kontakt mit dem Techniker vor Ort ist durch andere Kommunikationsformen nach den Erfahrungen im Pilotprojekt nicht zu ersetzen: Die meisten Entstörungsaufträge im Eisenbahnbetrieb müssen das gesamte Jahr über nach vier Stunden erledigt sein, und zwar inklusive Antrittszeit und Materialbeschaffung. Anderenfalls verletzt das Unternehmen den mit den Kunden vereinbarten Service-Level.
Noch im Jahr 2003 beschäftigte die DB Telematik etwa 1800 Servicetechniker, heute sind es rund 1400. Diesen Rückgang kann man nach Unternehmensangaben nicht der Umstellung auf die neue Auftragsvergabe per Smartphone anlasten. Die anfallende Arbeit reduziere sich eher durch modernisierte Technik mit entsprechend längeren Wartungsintervallen und dem Wegfall wartungsintensiver Alttechnik.
Ersatzbeschaffung
Mit der einmaligen Anschaffung technischer Geräte ist es allerdings nicht getan: Wenn die Hardware nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist und den gestiegenen Anforderungen nicht mehr standhält, muss sie ersetzt werden. Im Oktober 2006 ersetzte die DB Telematik daher den schon leicht in die Jahre gekommenen Communicator 9210i durch den Nachfolger, den Communicator 9500. Obwohl die Mitarbeiter die Geräte durchaus pfleglich behandeln – immerhin hat ein solches Gerät auch einen gewissen Prestige-Faktor – war die Störrate bei den Geräten nach mehr als drei Jahren deutlich gestiegen. Zudem passiert es im täglichen Einsatz auf der Baustelle durchaus mal, dass ein Gerät zu Schaden kommt. Die mangelnde Robustheit des Nokia Communicator 9210i war dann auch einer der Kritikpunkte der Techniker.
Die elektronische Auftragsvergabe erleichtert nicht nur dem Disponenten die Arbeit.
Durch gestiegene Software-Anforderungen kam es zudem zu Performance-Problemen bei den älteren Communicator-Modellen. Die Entscheidung für den direkten Nachfolger ergab sich unter anderem, weil so kaum Kosten für Anwenderschulungen und Software-Anpassungen notwendig wurden und bereits vorhandenes Zubehör weiter nutzbar ist. Der Communicator 9500 gilt dabei als ein weiterer Schritt – auch er wird eines Tages einem Nachfolger weichen müssen.
Erweiterbar
Im laufenden Betrieb kam es immer wieder zu Erweiterungen der Anforderungen an die Software, etwa einer Plausibilitätsüberprüfung der Eingaben: Liegt etwa die aufgewendete Arbeitszeit deutlich über der Vorgabe für diesen Vorgang, so fragt die Anwendung nach, ob es eine fehlerhafte Eingabe sein könnte. Auch die Angabe der für diesen Auftrag gefahrenen Kilometer wird einem solchen Check unterzogen.
Mit dem neuen Communicator sind auch Erweiterungen denkbar, die mit dem Vorgängermodell nicht möglich gewesen wären. So sind etwa RFID-Leser, Handschriften-Scanner zur Eingabe von Messprotokollen oder der Anschluss eines mobilen Druckers denkbar. Neben der Frage nach dem Nutzen müssen sich die Projektverantwortlichen jedoch immer die Frage nach der Akzeptanz durch die Mitarbeiter stellen, auch soll deren Autonomie nicht eingeschränkt werden.
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Im Anschluss an die Einführung des neuen Communicators wurde auch eine neue Software-Version für die mobilen Clients eingeführt. Diese diente vor allem einer übersichtlichereren Darstellung der Serviceaufträge. Auch können die Techniker mit dieser Version direkt von ihrem jeweiligen Standort eine Materialbestellung absetzen. Bisher mussten das die Disponenten der Bezirke erledigen. Mobil erfasste Schadensmeldungen können die Techniker nun durch ein Foto ergänzen, das sie mit der integrierten Kamera schießen.
Datenschutz
Die elektronische Erfassung der Tätigkeiten einzelner Mitarbeiter dient bei der DB Telematik vorrangig der Abrechnung der Kosten gegenüber den Auftraggebern. Eine solche Datensammlung lässt sich aber auch für andere Zwecke gebrauchen. Ob nun ein bestimmter Techniker besonders lange für bekannte Tätigkeiten benötigt, zu viele Umwege fährt oder regelmäßig seine Mittagspause überzieht: Das alles ließe sich über das SAP-System abfragen. Bei der DB Telematik verhindert jedoch eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat eine personenbezogene Auswertung der Datensätze. Zudem wäre dies nach Unternehmensangaben "nicht DB-typisch".
Fazit
Die Umstellung von der papierbezogenen Auftragsvergabe auf die Smartphone-gestützte führte zu Einsparungen von etwa einer Million Euro pro Jahr. Diese setzen sich aus dem Wegfall der Fax-Server und den Druckkosten sowie Einsparungen beim Transport und der Erfassung der eingegangenen Rückmeldungen zusammen. Eine weitere halbe Million Euro pro Jahr kann das Unternehmen durch den Umstieg auf das GPRS-Gerät Nokia Communicator 9500 sparen: 88 Prozent der Techniker kommen mit dem günstigsten Datentarif aus, der ein Übertragungsvolumen von lediglich fünf Megabyte pro Monat bietet. Die minutenbasierte Abrechnung des HSCSD-Geräts 9210i war deutlich teurer. Zudem konnte die DB Telematik auch die Auftragsabwicklung deutlich beschleunigen. Heute sind 95 Prozent aller Techniker-Rückmeldungen am Tage der Auftragserledigung im SAP-System verzeichnet. (ll)