Berührt geführt

Für Musik und Video geeignete Mobilfunkgeräte gibt es zuhauf, doch diese Funktionen bleiben oft ungenutzt. Mit Multitouch-Screen und einem neuartigen Bedienkonzept verspricht Apples iPhone ein um Klassen besseres Multimedia- und Internet-Erlebnis.

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Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Daniel Lüders
  • Sven Hansen

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Für Musik und Video geeignete Mobilfunkgeräte gibt es zuhauf, doch diese Funktionen bleiben oft ungenutzt, weil die Geräte zu unbequem bedienbar sind. Mit Multitouch-Screen und einem neuartigen Bedienkonzept verspricht Apples iPhone ein um Klassen besseres Multimedia- und Internet-Erlebnis.

Auf so ein Gerät hat der Markt gewartet: Schon am ersten Wochenende nach dem Verkaufsstart in den USA konnte Apple mehrere hunderttausend Exemplare absetzen. Wir erstanden drei Exemplare des Top-Modells mit 8 GByte für einen ersten Test. Fraglich ist, ob die iPhones für den deutschen Markt baugleich sein werden. Man munkelt von UMTS-Technik, die dem US-Modell fehlt. Das deutsche Modell soll kurz vor Weihnachten herauskommen – einem unbestätigten Bericht zufolge für 450 Euro mit T-Mobile-Vertrag.

Nach erfolgter Freischaltung sucht das per USB an den PC angeschlossene iPhone selbstständig nach E-Mail-Einstellungen, Kontakten, Terminen und iTunes-Medien. Es verwendet die Daten von Outlook, Entourage, Yahoo-Webmail oder aus den Mac- und Windows-Standard-Adressbüchern. Web-Favoriten gleicht es mit Safari oder dem Internet Explorer ab. Schon nach kurzer Zeit ist das iPhone bereit für alle wesentlichen Aufgaben, ohne dass der Nutzer unnötige Abfragen beantworten muss. Kontaktdatenbank, Kalender und E-Mail-Konten lassen sich mühelos ohne viel Vorwissen benutzen.

Gut bedient

Apple hat beim Bedienkonzept ganze Arbeit geleistet: Ein sachter Fingertipp auf eines der kleinen quadratischen Symbole führt zur jeweiligen Anwendung. Scrollen, Menüs auswählen, vergrößern – mit sanften Berührungen des kapazitiven Touchscreens sind alle Vorgänge flugs erledigt. Die Bedienung vermittelt ein Gefühl angenehmer Leichtigkeit und erfolgt trotz der kleinen Abmessungen erstaunlich präzise. Die hübsch animierten Menüs und die intuitive Bedienoberfläche bereiten dem Nutzer Spaß beim Entdecken neuer iPhone-Applikationen – das Handbuch ist überflüssig. Durch Listen, Aufzählungen und Dateien scrollt man mit einem leichten Fingerstrich in die gewünschte Richtung, worauf die Elemente den Bildschirm hinauf- oder herabfließen. Nach einiger Gewöhnung klappt auch die Texteingabe per Touchscreen-Keyboard relativ flott. Mit dem dicken Daumen vertippt man sich allerdings häufig – da hilft auch die englische Textkorrektur wenig. Natürlich hinterlässt man Fingerabdrücke auf der glatten Oberfläche, das beigelegte Putztuch wird wirklich gebraucht.

Das Display nimmt fast die ganze Frontfläche ein, die einzige daneben verbliebene Taste führt jederzeit zurück ins Hauptmenü. Wegen des weiten Blickbereichs und seiner hohen Leuchtkraft (345 cd/m2) lässt sich das Display bei allen Lichtverhältnissen gut ablesen, obwohl es spiegelt. Ein Lichtmesser passt die Helligkeit an die Umgebung an; beim Telefonieren schaltet sich das Display ab. Schwenkt man das iPhone vom Hoch- ins Querformat, registriert das ein Sensor, und bei einigen Applikationen drehen sich die Bildinhalte mit.

Bei maximaler Helligkeit spielt das iPhone ein H.264-Video über vier Stunden lang ab. MP3-Musik erklingt ohne Display-Beleuchtung über 19 Stunden aus dem Ohrhörer.

Die Sprachqualität beim Telefonieren ist nur befriedigend, Stimmen klingen dumpf. Beim Freisprechen per mitgeliefertem Kabel-Headset oder dem eingebauten Lautsprecher versteht man den Gesprächspartner etwas besser. Auch während eines Telefonats kann man andere Applikationen starten – ein Blick ins Adressbuch ist also auch während eines Gespräches möglich.

Für Auge und Ohr

Am heimischen PC oder Mac angeschlossen, gibt sich das iPhone wie ein iPod: Musik, Fotos, Filme und Podcasts lassen sich wie gewohnt synchronisieren. Videos akzeptiert das iPhone ausschließlich H.264-kodiert mit 320 × 240 beziehungsweise 640 × 480 Bildpunkten. Video-Podcasts liegen meist im richtigen Format vor, selbst erstellte TV-Aufzeichnungen muss man jedoch vor dem Transfer umwandeln. Für einen Spielfilm können dabei selbst beim Einsatz eines MacBook Pro mit 2,4 GHz Core 2 Duo über zwei Stunden ins Land gehen. Sein großes Display macht das iPhone eigentlich zum lang erwarteten iPod Video, wäre da nicht der spärliche Flash-Speicher mit 4 oder 8 GByte, der sich auch nicht per Karte erweitern lässt.

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Zur präzisen Cursor-Platzierung öffnet das iPhone beim Tippen auf Text eine Bildschirmlupe. Vergrößern

Klanglich muss sich das iPhone hinter seinen musikalischen Brüdern nicht verstecken. Wenn man die mitgelieferten, etwas bassarmen Ohrstöpsel durch ein Paar bessere Ohrhörer ersetzt, freut man sich über satten Sound. Dafür ist trotz normaler Miniklinkenbuchse eventuell ein Adapter nötig, weil der Plastikrand vor der Buchse für die meisten Kopfhörer-Stecker zu eng ist; iPod-Kopfhörer passen jedoch. Der maximale Pegel ist – Apple-typisch – vergleichsweise niedrig. Der Klang des eingebauten Lautsprechers genügt höchstens zum Untermalen von Kurzfilmen. Alben zeigt das iPhone übersichtlich als Miniatur-Bilderliste an, durch die man bequem mit einem Fingerstreich rollt.

Im Unterschied zum iPod erkennen Windows und Mac das iPhone an der USB-Schnittstelle nicht als Wechselmedium. Zur Datensicherung lässt es sich daher nicht verwenden. Alternative Tools zum Befüllen und Herunterladen von iPod-Inhalten wie Yamipod funktionieren beim iPhone nicht.

Wer denkt, dass er mit diesem Telefon-iPod und Internet-Verbindung auch unterwegs im iTunes Store shoppen kann, wird enttäuscht. Das iPhone nimmt Kaufmusik ausschließlich vom PC aus an. Ebenso fehlt die Spiele-Unterstützung des iPod.

Fotos synchronisiert das iPhone entweder mit Mac iPhoto oder einem beliebigen Ordner in Windows und Mac OS über iTunes. Ausgewählte Fotos vergrößert das iPhone und zeigt sie im Hoch- oder Querformat an – je nachdem, wie der Nutzer das Handy hält.

Taschen-Web

Apple legt dem iPhone eine angepasste Version des Safari-2-Browsers bei. Mit dem Web verbindet sich das iPhone standardmäßig per Mobilfunk – was allerdings wegen der lahmen GPRS-Verbindung im UMTS-verwöhnten Deutschland schnell nervt. Flotter und billiger geht es per WLAN. Zwar besitzt das iPhone auch Bluetooth, aber im Test wollte es sich weder mit einem Mac noch Windows-PC verknüpfen lassen, und sei es nur zum iTunes-Abgleich.

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Auf Fingertipp vergrößert der Safari-Browser einen gewählten Bereich der aktuell angezeigten Webseite (rechts). Vergrößern

Der Mini-Browser zeigt auch anspruchsvolle Webseiten in gefälligem Layout zügig und weitgehend korrekt. Schwierigkeiten mit Ajax-Seiten, mit denen viele andere Surfzwerge zu kämpfen haben, kennt das iPhone nicht. Ein doppeltes Fingertippen auf eine Webseite vergrößert automatisch den angewählten Bereich. Berührt der Nutzer das Display mit zwei Fingerspitzen und bewegt diese dann auseinander, zoomt die Darstellung automatisch heran. Schon nach kurzer Zeit will man auf diese Browser-Funktionen nicht mehr verzichten.

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Zuweilen vermisst man aber eine Möglichkeit, einen Textumbruch am Fensterrand zu erzwingen. Lästigerweise setzt der Browser außerdem die Zoom-Einstellung bei jeder erneut geladenen Seite wieder auf den Standardwert zurück.

WAP-Seiten zeigt der Browser nicht an – für ein Handy normalerweise Standard. Doch wenigstens kennt er RSS-Newsfeeds und spielt QuickTime-Medien ab. Dass SVG-Grafiken, Java-Applets oder Streams nicht funktionieren, überrascht wenig und fällt beim Surfen selten ins Gewicht.

Geht es um Musik und Video-Wiedergabe aus dem Netz, sind die Einschränkungen gravierender. Musik-Streaming-Portale wie Pandora oder Musicovery sind mangels Flash-Plug-in nicht nutzbar. Selbst bei Portalen, die für den Zugriff von mobilen Endgeräten optimiert sind, streicht das Edel-Handy die Segel: Das hierfür weitverbreitete 3GP-Format, eine abgespeckte MPEG-4-Variante, kennt Safari nicht. Internetradio per Shoutcast fällt wegen der fehlenden Playlist-Unterstützung aus.

Auch bei YouTube & Co. bleibt der Bildschirm mangels Flash schwarz – die beigelegte YouTube-Applikation enthält nur eine kümmerliche Video-Auslese und ist ein schwacher Trost. Als weitere Anwendungen, die Web-Inhalte nutzen, wartet das iPhone mit Börsendaten, Wettervorhersage und einer speziell angepassten Version von Google Maps samt Routenplaner auf, allerdings ohne Navigation. Bei WLAN-Verbindung an zeigt das iPhone die Satellitenbilder trotz des hohen Datenaufkommens fast ohne Wartezeit an; mit GPRS hingegen muss man sehr geduldig sein.

Anders als bei gängigen Smartphones ist man beim iPhone auf die 16 von Apple aufgespielten Applikationen beschränkt, die freilich ein breites Spektrum bedienen. Der Nutzer kann keine weiteren Mac-OS-Anwendungen aufspielen oder selbst welche erstellen. Bisher stellt Apple lediglich für Safari-JavaScript-Applikationen ein Entwicklerkit bereit. Das kann sich freilich bis zum Erscheinen auf dem deutschen Markt noch ändern; auch für weitere Applikationen wäre auf dem Startbildschirm noch Platz.

Fazit

Das Apple iPhone überzeugt mit seinem überlegenen, intuitiven Bedienkonzept, dem kein anderes Handy gleichkommt, und der langen Laufzeit als Multimedia-Player. Apple schafft es erstmals, Handy-, Internet-, Multimedia- und PDA-Funktionen so in ein Mobilgerät zu verpacken, dass man sie gerne benutzt. Auf der Wunschliste stehen allerdings Erweiterbarkeit, ein Flash-Plug-in für den ansonsten äußerst gelungenen Web-Browser, UMTS-Funk und ein wechselbarer Akku.

Wer bis zum Deutschland-Start des schicken Designstücks am Jahresende nicht warten mag und einen Import aus den USA erwägt, sei gewarnt: Das 500 oder 600 US-Dollar teure Handy lässt sich nur mit AT&T-SIM-Karte und US-Sozialversicherungsnummer aktivieren und gebrauchen. Für den günstigsten AT&T-Vertrag sind monatlich 60 US-Dollar fällig. (dal)


Apple iPhone
HerstellerApple Computer Inc.
ProviderAT&T
LieferumfangUSB-Docking-Station, US-Netzteil, Kabel-Stereo-Headset, Putztuch, Kurzanleitung, Apple-Aufkleber
SpezifikationProzessor ARM1176JZF mit TrustZone-Funktion und Vector-FPU für 3D-Grafik (620 MHz)
Speicher4 GByte oder 8 GByte Flash
Display3,55-Zoll-LCD mit kapazitivem Touchscreen (320 × 480, 18 Bit, 163 dpi)
SensorenLage-Sensor, Annäherungs-Sensor, Licht-Sensor
Fixfokus-Kamera2,0 Megapixel (1600 %times; 1200), kein Video
Audio-SchnittstellenMono-Lautsprecher, Mikrofon, 3,5-mm-Headset-Klinke (*1)
Sync-PortUSB 2.0 High Speed
Kurzstrecken-FunkWLAN 802.11b/g, Bluetooth 2.0 EDR
Laufzeit (Herstellerang.)250 h Bereitschaft, 8 h Sprechen
MobilfunkGSM/GPRS/EDGE 850/900/1800/1900
BetriebssystemMac OS X für iPhone 1.0
Größe, Gewicht115 mm × 61 mm × 12 mm, 144 g
Preis500 US-$ (4 GByte), 600 US-$ (8 GByte) (*4)
*1 nur für schmale Plastikstecker mit unter 6 mm Durchmesser
*2 mit GSM-Funk, volle Lautstärke, höchste Helligkeit, ohne WLAN
*3 mit GSM-Funk, volle Lautstärke, Display aus, ohne WLAN
*4 beide mit AT&T-Vertrag, Monats-Grundgebühr mind. 60 US-$, Laufzeit 24 Monate
v vorhanden   – nicht vorhanden

Zum iPhone siehe auch: