Vermittlungssausschuss macht Weg frei für heimliche Online-Durchsuchungen

Bundesrat und Bundestag haben sich auf die Novelle des BKA-Gesetzes verständigt, von der Opposition und Verbänden sogenannter Berufsgeheimnisträger hagelt es weiter Kritik.

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Von
  • Jürgen Kuri

Der Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag hat sich bei seiner Sitzung am heutigen Mittwoch auf die heftig umkämpfte Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA) geeinigt. Die Verhandlungspartner folgten dabei laut dpa der Kompromisslinie, die Spitzenpolitiker von Bund und Ländern im Vorfeld nach dem ursprünglichen Nein der Länder ausgehandelt hatten. Auf Verlangen der SPD müssen heimliche Online-Durchsuchungen demnach grundsätzlich von einem Richter genehmigt werden. Auch über den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung soll die Justiz wachen. Zudem werden die Zuständigkeiten des BKA und der Länderpolizeien etwas klarer definiert, damit sich beide Seiten bei der Fahndung nicht ins Gehege kommen. Nicht durchsetzen konnten sich die Sozialdemokraten mit ihrer Forderung nach Korrekturen beim Zeugnisverweigerungsrecht für sogenannte Berufsgeheimnisträger wie Anwälte, Ärzte oder Journalisten.

Vor der Sitzung hatte sich der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, bereits zuversichtlich gezeigt, dass eine Einigung erzielt werden könnte. Der eigentliche Durchbruch sei vorab gelungen. Die Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) hatte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble dagegen noch einmal angegriffen. Dem CDU-Politiker warf sie laut Süddeutscher Zeitung vor, er wolle so etwas wie eine "Bundes-Superpolizei". Eine solche Aufrüstung des BKA sei aber "weder erforderlich noch sinnvoll". Pressevertreter oder Anwälte etwa hätten künftig damit zu rechnen, "abgehört zu werden oder Informationen preisgeben zu müssen". Ihrer Ansicht nach schränke das BKA-Gesetz die Freiheitsrechte zu sehr ein. Am Ende müsse zumindest noch etwas von der Freiheit da sein, die der Rechtsstaat zu schützen habe.

Auch von der Opposition hagelte es Proteste. "Das Vermittlungsergebnis macht aus einem sehr schlechten Gesetz ein schlechtes Gesetz", konstatierte Gisela Piltz, innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion. Wesentliche verfassungsrechtliche Bedenken hätten nicht einmal auf der Tagesordnung gestanden. Die angeblichen Verbesserungen beim Kernbereichsschutz seien "lächerlich". Noch immer sei die Erhebung von Daten nur dann verboten, wenn "allein" Daten aus dem Kernbereich erhoben würden. Piltz' Kollegin der Linken, Ulla Jelpke, wertete die produzierte "heiße Luft" als "Blamage für die SPD". Die angebliche Präzisierung der Kompetenzverteilung von Bund und Ländern sei eine Farce. Das BKA-Gesetz stelle so weiterhin einen "Angriff auf die Bürgerrechte" dar.

Die Grünen kritisierten, dass die große Koalition dem Vermittlungsausschuss nur Änderungen in drei Punkten vorgeschlagen hatte. Dies reiche bei weitem nicht, um aus dem "Bürgerrechtskiller BKA-Gesetz" eine passable Grundlage für die Arbeit der Polizei zu machen. Es würden noch "ganz viele Giftzähne" im Gesetz bleiben, beklagte Wolfgang Wieland, Sprecher für innere Sicherheit der Bundestagsfraktion der Grünen, gegenüber dem Deutschlandradio. Er verwies etwa auf die Lizenz für das BKA, auch einen großen Spähangriff mit kleinen Videokameras auf Wohnungen zu starten. Weiter sollen die Ermittler im Anti-Terrorkampf unter anderem bundesweit Rasterfahndungen durchführen, Telekommunikation einschließlich Internet-Telefonie präventiv überwachen und Verbindungsdaten abfragen dürfen.

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) lehnte den Kompromiss ebenfalls entschieden ab. Ein umfassender Schutz des Berufsgeheimnisses werde nur Seelsorgern, Strafverteidigern und Abgeordneten eingeräumt, monierte der DAV und fordert einen umfassenden Schutz für alle Berufsgeheimnisträger. Elf Chefredakteure und Herausgeber namhafter Medien hatten im Vorfeld gegen einen "Anschlag auf die Pressefreiheit" protestiert. Der Hamburger SPD-Politiker Michael Naumann sprach von einer "üblen Einschränkung bürgerlicher Freiheiten", die nicht nur die Medien betreffe. Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) rieb sich an der Einschränkung des Zeugnisverweigerungsrechts für Medienvertreter: "Was für Abgeordnete gilt, muss auch für Journalisten gelten." Das Ergebnis des Vermittlungsausschusses muss nun noch am Freitag in den Plenarsitzungen des Bundesrates und des Bundestags bestätigt werden. Dabei droht in der Länderkammer einmal mehr eine Zitterpartie.

Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)