Bundesregierung will Iris-Scanner auch am Flughafen München einsetzen

Die automatische Grenzkontrolle, bei der die Iris von Reisenden mit einem zentral gespeicherten Template verglichen wird, gewährleiste ein hohes Maß an Schutz und ein reibungsloses Überschreiten der Grenzen, meint die Bundesregierung.

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Von
  • Philip Banse

In diesem Glaskasten begann der Bundesgrenzschutz im Jahr 2004 mit der Erfassung von Iris-Templates.

Die Bundesregierung erwägt, das dreijährige Pilotprojekt zur "Automatisierten Biometriegestützten Grenzkontrolle" (ABG) am Flughafen Frankfurt/Main, das eigentlich Ende 2007 auslaufen sollte, in den Dauerbetrieb zu überführen, auszubauen und die Kontrollautomaten auch am Münchner Flughafen aufzustellen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung (PDF-Datei) auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion (PDF-Datei) hervor. Der Bundesrechnungshof überprüft das 1,5 Millionen Euro teure und von Datenschützern kritisierte Experiment.

Die biometriegestützte automatische Grenzkontrolle, bei der die Iris der Reisenden mit einem zentral gespeicherten Template verglichen wird, stelle einen "viel versprechenden Ansatz" dar, so die Bundesregierung, gewährleiste ein hohes Maß an Schutz und ein reibungsloses Überschreiten der Grenzen. Die ABG auf Basis des Iris-Abgleichs habe eine hohe technische Einsatzreife erlangt, schreibt das Innenministerium in einem Zwischenbericht vom Oktober 2007 nach Angaben von Personen, die den Bericht gelesen haben. Die biometrisch aufgerüsteten Kontrollautomaten hätten zu einer Erhöhung des Sicherheitsniveaus der Grenzkontrollen geführt und bei den Teilnehmern eine hohe Akzeptanz gefunden.

Das Computermagazin c't zeigte bereits im Jahr 2002 auf, wie sich Iris-Scanner austricksen lassen.

Seit Februar 2004 haben sich 22.779 Deutsche, andere EU-Bürger und Schweizer freiwillig für den Pilotversuch registrieren lassen und zugestimmt, dass ihre Passdaten sowie ein Bild der Iris in einer Datenbank der Bundespolizei gespeichert werden. Stimmen bei der automatisierten Grenzkontrolle Pass und Iris mit den gespeicherten Daten überein, muss kein Beamter mehr kontrollieren. Etwa 100 Teilnehmer hätten das System täglich genutzt, schreibt die Bundesregierung. Jedem zehnten Reisenden habe das System fälschlicherweise die Weiterreise verweigert, so dass ein Grenzbeamter kontrollieren musste. Grund für den "überwiegenden Teil" der Fehler sei "unsachgemäßes Nutzervehalten" gewesen. So hätten Reisende oft zu lange gebraucht, um ihre Iris scannen zu lassen.

Ob eine "umfangreichen Einführung" automatisierter biometriegestützter Grenzkontrollen wirtschaftlich ist, will die Bundesregierung prüfen, wenn der Abschlussbericht des Frankfurter Pilotprojekts vorliegt. Angesichts steigender Passagierzahlen setze man jedoch auf technische Lösungen, um Verkehrsfluss und Kontrollqualität zu wahren. Dies sei billiger als Personal einzustellen und Flughäfen auszubauen. Es gebe "erste Überlegungen" die biometrischen Kontrollautomaten in Frankfurt auszubauen. Im Haushalt 2008 seien 100.000 Euro für das Frankfurter Projekt eingeplant. Der Flughafen München könne "in einem späteren Schritt" folgen.

Nach Angaben informierter Kreise beabsichtigt das BMI seit Monaten die "unbefristete Weiterführung" des Frankfurter Pilotprojekts und dessen Ausdehnung nach München. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar kritisiert Weiterführung und Ausbau der ABG und empfiehlt, das Pilotprojekt zu beenden. Problematisch sei, dass bei dem Verfahren personenbezogene Daten und die Merkmale der Augeniris in einer von der Bundespolizei geführten Datenbank gespeichert würden. Das ist laut Pass- und Ausweisgesetz unzulässig. Der Bundesdatenschutzbeauftragte habe der Speicherung nur aufgrund des "Testcharakters" zugestimmt, sagte Schaars Sprecher. Die "Daueranwendung" der automatisierten biometriegestützen Grenzkontrolle bedürfe zwingend einer gesetzlichen Grundlage. Mit der derzeitigen Praxis basierend auf freiwilligen Einverständniserklärung der Reisenden würde geltendes Recht umgangen. Schaar schlägt vor, Iris-Template und personenbezogene Daten nur auf einem Datenträger zu speichern, den der Reisende bei sich trägt.

Iris-Scanner der Firma Panasonic

Wie soll der Übergang des Pilotprojekts in den Regelbetrieb gestaltet werden? Was ist die rechtliche Grundlage? Wann wird der angekündigte Abschlussbericht vorgelegt? Das Bundesinnenministerium verweist in allen Fragen an die Bundespolizei, und die Bundespolizei verweist auf die Antwort zur Kleinen Anfrage: "Darüber hinausgehende Informationen kann ich Ihnen derzeit nicht geben", sagte ein Sprecher.

Die automatisierte biometrische Grenzkontrolle mache Reisende zu "gläsernen Menschen", klagt Gisela Piltz, innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. Wenn der Gebrauch der Freiheit "immer mehr das Risiko" berge, "erfasst, gespeichert und abgeglichen" zu werden, würden Menschen von ihrem Recht auf Freizügigkeit "nicht mehr ohne Sorge Gebrauch machen". Nicht Datensammlungen stellten Verbrecher, sondern "gut ausgebildete und angemessen ausgestattete Polizisten".

Wiederholt hatte Peter Schaar darauf hingewiesen, dass in europäischen Pässen und Ausweisen Gesichtsbilder und Fingerabdrücke gespeichert werden. Investitionen in Iris-basierte Grenzkontrollen seien daher überflüssig. Diese Frage beschäftigt derzeit auch den Bundesrechnungshof, eine Sprecherin bestätigte die offizielle Prüfung der ABG.

Steuermillionen für Grenzautomaten mit Iris-Kontrolle dürften die staatlichen Prüfer jedoch in neuem Licht sehen, seit EU-Innenkommissar Franco Frattini ankündigte, bei der Einreise von Fluggästen deren biometrische Daten zu speichern, wahrscheinlich ein Bild der Iris. "So einen Plan macht Frattini nicht alleine", sagte der Sprecher des Bundesdatenschutzbeauftragten: "Da finden im Vorfeld sicherlich sehr, sehr viele Gespräche mit den Mitgliedsländern statt." Für Weiterbetrieb und Ausbau der automatisierten biometrischen Grenzkontrolle in Frankfurt und München hat die Bundesregierung Geld aus dem EU-Außengrenzenfonds beantragt. (Philip Banse) / (pmz)